Der blutjunge Quarterback Patrick Mahomes II von den Kansas City Chiefs bricht einen NFL-Rekord nach dem anderen. Dabei wollte sein Vater ihn einst von der Sportart fernhalten.
Die Qualifikationsphase der National Football League (NFL) umfasst nur 16 Spieltage, in ihrem Umfeld neigt man darum zu gnadenlosen Überreaktionen. Jede Woche geht irgendwo die Welt unter, während andernorts Helden geboren werden, es gibt Hypes rund um die Uhr.
Oft ist der Ruhm vergänglich, aber bei Patrick Mahomes II könnte alles anders sein. Nach seinem jüngsten Gala-Auftritt beim 38:27-Sieg vom vergangenen Sonntag über die San Francisco 49ers schrieb ein Sportjournalist verzweifelt, ihm fehle das Vokabular, um die Leistungen von Mahomes adäquat zu beschreiben. Und tatsächlich fällt das schwer, denn Mahomes, erst 23 Jahre alt, bricht gerade Rekord um Rekord. Er hat den statistisch besten Karrierestart eines Quarterbacks in der NFL-Geschichte hingelegt: Drei Spiele, drei Siege, 62 Pässe für 896 Yards Raumgewinn und 13 Touchdowns. Zum Vergleich: Zusammengezählt kommen alle Quarterbacks der NFC-East-Division mit den Philadelphia Eagles, Washington Redskins, Dallas Cowboys und New York Giants bisher kumuliert auf elf Touchdowns.
«Rekord für Mahomes» ist zu so etwas wie einer wöchentlichen NFL-Rubrik geworden, beim Sieg über die 49ers brach er einen Bestwert von Peyton Manning: Der Hall-of-Fame-Quarterback hatte einst in den ersten drei Saisonspielen zwölf Touchdown-Pässe geworfen. Mahomes schraubte noch vor der Halbzeit auf 13. Und das obwohl er vor dem Spiel im Arrowhead-Stadion in Kansas City so nervös war, dass es sich so anfühlte, als würde ihm das Herz zur Brust herausspringen. «Ich musste aufpassen, dass ich nicht vergesse, zu atmen», sagte der überwältige Texaner später. Mahomes schien immer dazu bestimmt, im Profisport eine grosse Karriere hinzulegen. Nur dachte niemand, dass das im American Football geschehen würde.
Mahomes Vater Pat spielte von 1993 bis 2002 in der Major League Baseball (MLB), sein Sohn war oft mit in der Garderobe, in New York, Arlington, Chicago und Pittsburgh. Und der Sprössling offenbarte als Pitcher (Werfer) selbst so viel Potenzial, dass sein Weg vorgezeichnet schien. Die Detroit Tigers sicherten sich die Rechte an ihm im MLB-Draft von 2014. Der Vater versuchte ihn vom Football fernzuhalten, zu gefährlich und gesundheitsschädigend, doch der Filius hatte andere Pläne. Als sie ihn in der High School zum Quarterback machten, hatte Mahomes seine Passion gefunden. Er brillierte im Universitätsteam von Texas Tech, und 2017 selektionierten ihn die Kansas City Chiefs in der ersten Runde des NFL-Drafts.
Nach einer Saison als Ersatz hinter dem inzwischen nach Washington transferierten Alex Smith startet er nun durch, und natürlich gibt es diese Sehnsucht, dass er der Mann sein könnte, der die bereits 50 Jahre anhaltende Durststrecke der Chiefs beendet. Und der den Fluch des Trainers Andy Reid bricht, der in der Qualifikation seit Jahren Sieg an Sieg reiht, die Superbowl aber einfach nicht gewinnen kann. Doch einen so talentierten Spielmacher wie Mahomes hatte Reid in seiner Karriere nie: Nicht mit Smith in Kansas City. Und auch nicht mit Donovan McNabb oder Kevin Kolb bei seinem Ex-Team in Philadelphia. Die Buchmacher haben die Quoten auf den Titelgewinn der Chiefs bereits von 30:1 auf 10:1 gesenkt; das Team ist nach dem fulminanten Start hinter den Los Angeles Rams und den schwächelnden New England Patriots dritter Favorit.
Aber eben, Ruhm in der NFL ist ein flüchtiges Gut. Der Coach Reid warnt davor, den jungen Quarterback mit Erwartungen zu überladen. Er sagt: «Die gegnerischen Defensiven werden ihn studieren und ihre Lehren ziehen. Es wird nicht einfacher werden.» Mahomes weiss um die Herausforderung, aber er fürchtet sie nicht. In der Nacht auf den kommenden Dienstag folgt der nächste Test mit dem Vergleich gegen die Denver Broncos. Die Frage ist, welchen Rekord Mahomes dabei als nächstes bricht.