Wer Schwingerkönig beim Nachwuchs werden will, hat nur eine einzige Chance

Am Sonntag findet in Landquart der Eidgenössische Nachwuchsschwingertag statt. Die Schwinger können nur einmal in ihrer Karriere teilnehmen. Viel Potenzial hat der 17-jährige Schwyzer Severin Steiner.

Claudio Zanini
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Die jungen Bösen: Severin Steiner wird nach seinem Sieg beim Innerschweizer Nachwuchsschwingertag geschultert. (Bild: Roger Grütter (Adligenswil, 24. Juni 2018))

Die jungen Bösen: Severin Steiner wird nach seinem Sieg beim Innerschweizer Nachwuchsschwingertag geschultert. (Bild: Roger Grütter (Adligenswil, 24. Juni 2018))

Mittels Videobotschaft melden sich die Idole zu Wort. Matthias Glarner und Kilian Wenger, Armon Orlik und Samuel Giger, ausnahmslos grosse Namen des Schwingsports. Sie haben alle ein Grusswort für den Nachwuchs vorbereitet. Eine kluge Strategie hält etwa der studierte Sportwissenschaftler und Schwingerkönig Matthias Glarner für die Jungen bereit: «Gäbed Vollgas, packed die Cheibä, dreihed sä ufe Rügge», lässt der Berner auf der Webseite des Veranstalters verlauten.

Die Jugendlichen werden sich die Worte des Königs fürs grosse Fest zu Herzen nehmen. 150 Schwinger bestreiten am Sonntag in Landquart den Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag. Die Bezeichnung ist irreführend. Der Nachwuchsschwingertag beschränkt sich nicht auf 24 Stunden, er dehnt sich auf ein ganzes Wochenende aus, wie beim «richtigen» Eidgenössischen. Freitag und Samstag sind für das übliche Festhütten-Programm vorgesehen – unter anderem zeichnet das Schweizer Fernsehen eine Volksmusik-Sendung auf dem Areal auf.

Am eigentlichen Wettkampftag, dem Sonntag, werden rund 5000 Zuschauer in der Arena sitzen, Lebendpreise gibt es wie bei den Grossen, jeder, der antritt, bekommt einen Schweizer Bergkristall, das Organisationskomitee zählt gut zwei Dutzend Personen, der Anlass hat die Dimensionen eines mittelgrossen Kranzfestes.

In der Kategorie der Ältesten schwingt Severin Steiner mit. Er ist 17 Jahre alt und wohnt in Ibach im Kanton Schwyz. Steiner wird viel Potenzial nachgesagt. Schon dreimal hat er das Innerschweizerische beim Nachwuchs gewonnen, zuletzt Ende Juni in Adligenswil. Man könnte sagen, die Hoffnungen in Landquart ruhen auf ihm, doch Prognosen sind schwierig. Denn die Jungschwinger messen sich selten mit Athleten aus anderen Teilverbänden. Über seine Gegner vom Sonntag weiss Steiner demzufolge wenig. «Das macht es schwieriger, wenn man die Anderen kaum kennt.» Also muss er sich vorderhand auf seine eigenen Stärken konzentrieren. Etwa den Hüfter oder den Übersprung, seine bevorzugten Schwünge.

Die einen schlafen, die Anderen feiern

Steiner stammt nicht aus einer Schwingerfamilie im eigentlichen Sinne. Weder sein Vater schwingt, noch sonst wer in der Verwandtschaft. Für den Sport habe er sich entschieden, als er 2011 einen Schnuppertag des Schwingerverbands am Mythen besuchte. Aushängeschilder des Klubs sind der Gersauer Andreas Ulrich, oder die zurückgetretenen Laimbacher-Brüder.

Lange dauerte es nicht, bis Steiner seinen ersten Sieg einfuhr. Bereits mit 13 Jahren war es soweit. Mit den Erfolgen weckte er auch bei seiner Familie die Begeisterung für den Schwingsport. Vater, Mutter und die beiden Schwestern sind alle involviert, wenn Severin an einem grossen Fest wie am Sonntag teilnimmt. Sie gesamte Familie fährt mit nach Landquart. Mutter Yvonne sagt: «Severin durfte bestimmen, wie dieses Wochenende aussehen soll. Wir werden nun am Samstag anreisen und im Hotel übernachten.» Der Jungschwinger sagt: «Ich gehe am Samstag früh ins Bett, die Anderen an die Party.» Und die Mutter fügt erklärend hinzu: «Kunz spielt am Abend.» Sie schmunzelt, das Programm scheint allen zu behagen. Die einen ziehen die Bettruhe vor, die anderen das Konzert des Luzerner Mundartsängers.

Vor allem viel Fleisch

Steiner geht einem typischen Schwinger-Beruf nach. Er ist Zimmermann im zweiten Lehrjahr. «Holz, Natur und Schwingen, das passt doch zusammen», sagt er. Zweimal in der Woche trainiert er im Schwingkeller, einmal arbeitet er an Kraft und Kondition. Es klingt alles ziemlich strukturiert, doch die Professionalität hat ganz natürliche Grenzen, spätestens bei der Ernährung. Mutter Yvonne unterdrückt ihr Schmunzeln. «Bei Severin muss es vor allem Fleisch sein. Er isst bei weitem nicht alles.»

Dem Höhepunkt seiner jungen Laufbahn blickt Steiner gelassen entgegen. Er sagt: «Das Ziel ist die Auszeichnung.» Eine andere Antwort wäre überraschend gewesen. Analog der Kränze gibt es bei den Jungschwingern Doppelzweige aus Eichenlaub. Irgendwann will er dann auch einen richtigen Kranz gewinnen, doch das ist noch weit weg. «Vielleicht im nächsten, vielleicht im übernächsten Jahr», sagt er. Auch beim Nachwuchs findet das Eidgenössische im Dreijahres-Rhythmus statt. Da nur drei Jahrgänge zur Teilnahme zugelassen sind, kann ein Schwinger nur einmal in seiner Karriere mitmachen. Man hat nur eine einzige Chance. Es macht das Fest umso spezieller.