EISHOCKEY: Chris DiDomenico: Böser Leitwolf unter Langnaus Tigern

Die SCL Tigers verdanken Chris DiDomenico (26) den ersten Saisonsieg. Er hat alles, um eine sündenfreie Version von Todd Elik und ein charismatischer Star zu werden.

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Der neue Langnau-Star Chris DiDomenco mit seiner kanadischen Freundin Paula Kalini. (Bild: Keystone/Marcel Bieri)

Der neue Langnau-Star Chris DiDomenco mit seiner kanadischen Freundin Paula Kalini. (Bild: Keystone/Marcel Bieri)

KLAUS ZAUGG

Chris DiDomenico kann ein Spiel durch Genie, Unberechenbarkeit und Mut alleine entscheiden. Dazu sind nur wenige Spieler in der Lage. Beim 3:1 gegen Lausanne vom Dienstagabend assistierte der Kanadier zum 1:0, buchte das 2:0 und mit einem «Buebetrickli» das 3:0. Gegen Weltklassegoalie Cristobal Huet. Sag mir, wie Chris DiDomenico spielt und ich sage dir, wie es um Langnau steht...

So viel Hollywood war in Langnau wahrscheinlich noch nie. Und das will schon etwas heissen. Die Emmentaler hatten mit Todd Elik schliesslich schon den ultimativen Rock’n’Roller. Chris DiDomenico ist ein Todd Elik ohne Sünde, ohne Promille, ohne Eskapaden neben dem Eis. Was bei Todd Elik das Böse, das ist beim sanften Rock’n’Roller Chris DiDomenico die Romantik. Eine Love-Story. Zurzeit weilt seine Freundin in Langnau. Was ja noch nichts Besonderes wäre. Schliesslich folgen Freundinnen und Gattinnen ihren Helden, wohin sie auch ziehen, manche gar bis nach Sibirien.

Eine kluge, schöne Frau in Langnau

Aber bei Paula Kalini ist es schon ein wenig anders. Sie hat viele Termine und ihre eigene Karriere. Sie ist in Kanada ein gefragtes Model, sie hat in New York eine weltberühmte Schauspielschule erfolgreich absolviert, sie tritt in Kanada bereits in Werbespots auf, und sie ist jetzt daran, ihre Schauspielkarriere in die Gänge zu bringen. Eine kluge, emanzipierte, starke, schöne Frau. So ein Wesen verirrt sich eigentlich nicht nach Langnau. Die letzte echten Filmschauspielerinnen in Langnau dürften in den späten 1950er Jahren Margrit Rainer und Margrit Winter gewesen sein. Die Hauptdarstellerinnen im Kultfilm «Die Käserei in der Vehfreude» in den Rollen von Eisi, der Hexe vom Dürlufthof, und der Musterbäuerin Bethi vom Nägeliboden. Solche Rolle würde eher nicht zu Chris DiDomenicos Freundin passen.

Paula Kalinis Eltern stammen aus der Ukraine, aufgewachsen ist sie in Toronto. Wie Chris DiDomenico. Sie spricht Ukrainisch, Russisch, Polnisch und Englisch. Sie war mit dem Tennis-Star Milos Raonic liiert, Kanadas Antwort auf Roger Federer. Und unseren Roger Federer hat sie auch kennen gelernt. Wenn sie von ihm schwärmt, leuchten ihre Augen fast so (aber nur fast), wie wenn sie von Langnaus Hockey-Feuerkopf spricht. Mit der Tennis-Szene ist sie vertraut, weil sie selber spielte. Sie brachte es immerhin bis zur Nummer 5 der kanadischen Tennis-Frauen.

Es begann im Bahnhof von Bern

Wie kommt es, dass sie und Chris DiDomenico ein Paar geworden sind? Geld, Glamour und Ruhm sind es offensichtlich nicht. Davon würde sie in New York, Los Angeles oder Toronto mehr finden. Es muss Liebe sein. Sie sagt: «Ja, so ist es. Unsere Liebe hat im Berner Hauptbahnhof begonnen.» Und sie beginnt zu erzählen, während ihr Freund ab und zu eine Bemerkung einstreut und nickt. Wer hier die Hosen anhat, ist gut zu erkennen. Man sei sich in Toronto zufällig über den Weg gelaufen und habe die Telefonnummer ausgetauscht. «Wir sind in Kontakt geblieben, wir haben oft telefoniert, und irgendwann wollte ich es wissen.» Sie habe im August 2014 einen Flug in die Schweiz gebucht, um Chris DiDomenico in Langnau zu besuchen. «Er hat mich am Hauptbahnhof in Bern angeholt.»

Auf dem Eis ein böser Kerl

Es war Liebe auf den ersten Blick. Seither sind die beiden ein Paar – und doch unabhängig. Sie sagt: «Ich habe meine Karriere, Chris hat seine.» Er sagt: «Wir unterstützen uns gegenseitig.» Offensichtlich ist sie heftig in den liebenswerten Jungen mit dem versteckten feurigen Temperament verliebt und verwöhnt ihn. Auf die Frage, wer denn beispielsweise die Wäsche besorge, wenn sie in Langnau weilt, antwortet sie: «Chris, sage es.» Und er, ein bisschen verlegen: «Na, ja, sie.»

Der erste Gedanke bei diesem glamourösen Hockey-Liebespaar: «The Beauty and the Beast.» Die Schöne und das Biest. Denn Chris DiDomenico ist auf dem Eis ein wilder, aus gegnerischer Sicht oft gar ein böser Kerl. Ein Biest eben. Aber wenn er vom Eis kommt, verwandelt er sich in einen schüchternen jungen Mann, der nur leise spricht und beim Gespräch oft scheu zu Boden blickt. Müsste jemand in einem solchen Moment seinen Beruf erraten, so würde irgendein Dienstleistungsjob genannt. Aushilfe im Coop, Küchenbursche im «Hirschen» oder vielleicht ein etwas verschrobener Sekundarlehrer. Vielleicht hängt seine sanfte Art neben dem Eis auch ein wenig damit zusammen, dass er nicht aus einer Hockeyfamilie und nicht aus der rauen Prärie stammt. Sein Vater baut als Ingenieur Brücken und hat mit Hockey nichts am Hut.

Smart, zäh und vielseitig

Der kanadische Leitwolf der SCL Tigers passt exakt zum Klischee, wonach wilde Spieler neben dem Eis freundlich, ja handzahm sind. Nur Todd Elik war auch neben dem Eis nicht kontrollierbar und die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Chris DiDomenico hat von Todd Elik gehört. «Dem Vernehmen nach ein harter Trinker. Aber das interessiert mich nicht.» Er wolle so oder so kein neuer Todd Elik sein und sagt nicht ohne Ironie: «Ich arbeite am meiner eigenen Legende…»

Er hat durchaus eine Erklärung, warum er auf dem Eis eine so kurze Zündschnur hat und neben dem Eis so umgänglich ist. Eishockey sei einfach seine Leidenschaft, wenn es darum gehe, ein Spiel zu gewinnen, könne ihn nichts und niemand bremsen. Für sein Team gebe er alles.

Es ist ein wichtiges Jahr für DiDomenico. Einst stand er vor einer grossen NHKL-Karriere. Der läuferisch eher limitierte, aber smarte, zähe und vielseitige Stürmer (spielt Flügel und Center) war er einer der besten kanadischen Junioren, gehörte zum kanadischen U-20-Weltmeisterteam (2008/09) wo er auf Augenhöhe mit heutigen NHL-Stars wie P.K. Suban, Jordan Eberle und John Tavares spielte. Aber nach einer schweren Verletzung war lange Zeit nicht klar, ob er überhaupt je wieder beschwerdefrei würde gehen können.

Vertrag läuft nur eine Saison

Fast zwei Jahre dauerte es, bis er wieder sein bestes Eishockey spielen konnte. Über Italien ist er in die Schweiz gekommen, und in dieser Saison wird sich in Langnau entscheiden, ob er auch in der NLA eine grosse Nummer werden kann. Sein Vertrag läuft Ende Saison aus. Angebote von Topteams dürften nicht ausbleiben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er einmal für Zug stürmen wird. Wie einst Todd Elik.

Seine Freundin hat nichts dagegen, wenn es auf dem Eis hoch zu und hergeht und ordentlich rumpelt. Sie mag das raue Spiel, schränkt aber ein: «Ich mag es nur nicht, wenn Chris Schrammen im Gesicht davonträgt.» Paula Kalini bleibt vorerst für ein paar Wochen in Langnau. Das Datum für den Rückflug nach Toronto lässt sie offen.