Eishockey-Experte Klaus Zaugg zur Entlassung von Kossmann beim Schlusslicht Ambri-Piotta.
Eishockey in Ambri. Eine Szene wie aus Hockey-Hollywood. Drei Männer treffen sich unter Wahrung grösster Geheimhaltung am Sonntagnachmittag im Tessin. In Melide. In einem Sitzungszimmer am Hauptsitz von Filippo Lombardis Medien-Firma. Am Tisch: Ambris Präsident Lombardi als Vorsitzender, Sportchef Ivano Zanatta und Trainer Hans Kossmann. Sie einigen sich rasch auf eine sofortige Beendigung der Zusammenarbeit. Der Trainer ist gefeuert. Bloss schade, dass die Sitzung nicht live im Lokalfernsehen übertragen worden ist. Kossmann, der den Sinn für Humor nicht verloren hat, sagt: «So viel ich weiss, war es wirklich in einem Sitzungszimmer und nicht in einem Studio, und es gibt auch keine Video-Aufzeichnung von der Sitzung.»
Die Trainerentlassung wird erst einmal verheimlicht. Lombardi spricht seinem Trainer wider besseren Wissens noch nach der Entlassung am Sonntagabend im staatstragenden Tessiner Fernsehen das Vertrauen aus. Verkündet wurde die Entlassung erst gestern Vormittag. Kossmann nimmt Ambris Vorsitzenden in Schutz. «Er wollte es zuerst noch der Mannschaft sagen, und das war halt erst am Montag möglich.»
Es gibt verschiedene Formen der Trainerentlassungen. Notwendige, wie die von Scott Beattie in Langnau und Doug Shedden in Lugano. Schmerzliche, wie die von Kevin Schläpfer in Biel. Und billige, wie die von Kossmann. Ambri hat sich soeben die billigste Trainerentlassung seiner Geschichte geleistet. Billig, weil sie nichts kostet. Billig, weil es dazu keine Notwendigkeit gibt. Es ist ein Personalentscheid, der der besonderen Kultur Ambris geschuldet ist. CVP-Ständerat Filippo Lombardi ist ein charismatisches «Animal Politique», diese Trainerentlassung sei ihm gerade im Wissen um die besonderen Verhältnisse in der lateinischen Sportkultur verziehen. Aber unverzeihlich ist, dass er nach wie vor am überforderten Sportchef Zanatta festhält.
Kossmann hat keine Fehler gemacht, die seine Amtsabsetzung rechtfertigen würden. Ambri ist zwar Tabellenletzter und hat die letzten sechs Spiele verloren. In dieser Saison waren es zu viele knappe Partien (14 von 24). Aber nicht, weil Kossmann die Mannschaft geschlossen gegen sich hatte oder weil er mangels Autorität nicht dazu in der Lage war, das richtige taktische Konzept zu finden. Er ist das Opfer der Mangelwirtschaft geworden, die auch Sportchef Zanatta zu verantworten hat. Zu wenig Talent, zu wenig leistungsfähiges ausländisches Personal und Torhüter, die im entscheidenden Moment danebengreifen.
Kossmann ist ein Opfer seiner eigenen Tüchtigkeit geworden. Er hat aus wenig Talent zu viel herausgeholt und so unrealistische Erwartungen geweckt. Ambri hat bis ins neue Jahr um die Playoffs gespielt. Eigentlich ein Hockeywunder. Aber die Führung glaubt, es müsste mehr möglich sein. Knappe Niederlagen können auch gegen den Trainer ausgelegt werden. Der neue Trainer Gordie Dwyer (39) wird den Ligaerhalt sichern. Er hat zuletzt für das KHL-Team Zagreb gearbeitet. Unter ihm wird in Ambri alles bleiben, wie es ist – es sei denn, es gelingt, alle vier Ausländerpositionen erstklassig zu besetzen.
Warum ist also wider besseres Wissen der Trainer doch gefeuert worden? Weil die Versuchung einfach zu gross und die Entlassung zu einfach geworden ist. Kossmanns Vertrag läuft aus, er kostet nur noch drei Monatsgehälter. Die Fans sind ungeduldig. Der Präsident hätte seinem aufgebrachten Fussvolk erklären können, dass mehr nicht möglich ist. Aber diese Konfrontation mit der Wirklichkeit scheut Populist Lombardi. Es wäre nicht klug, die Leute zu entmutigen, die auch nächste Saison ihre Eintrittskarten kaufen sollen. Ein Präsident in Ambri muss immer auch ein guter Verkäufer sein, ein «Hoffnungshändler». Die Hoffnung, dass nächste Saison alles besser wird, ist der Sauerstoff der Leventiner Hockeykultur. Illusionen in Zeiten der Trainerentlassung.
Klaus Zaugg, Eishockey-Experte