Die Englischen Fans singen in der Hoffnung auf den ersten Titel seit 1966 wieder ihr berühmtes Lied. Im Wembley wollen Englands Frauen im Duell mit Deutschland ihre Fussball-Geschichte neu schreiben.
Mit der Hacke ins Glück: Es ist ein absolutes Traumtor, das Alessia Russo im EM-Halbfinal gegen Schweden gelingt. Danach singen sie wieder, die englischen Fans. «Football is coming home», der Fussball kommt nach Hause. Es ist jenes Lied, das englische Fussballfans immer dann anstimmen, wenn der Traum vom Titel für das Mutterland des Fussballs wieder grösser wird.
Die Sehnsucht nach diesem Titel ist riesig. Ob er bei den Frauen oder Männer kommt, das spielt längst keine Rolle mehr. Das zeigt die Schlagzeile der «Daily Telegraph» dieser Tage: «Englands Frauen könnten den Fussball in diesem Land diese Woche für immer verändern.» Gemeint ist damit nicht nur, dass sie den Frauenfussball auf ein höheres Level heben können, sondern vor allem, dass England erstmals seit 1966 wieder einen Titel holen könnte. Damals siegten die Männer im WM-Final im Wembley gegen Deutschland. Seither wartet England. Nun, ein Jahr nach der Niederlage des Männer-Nationalteams im Wembley gegen Italien soll es bei den Frauen endlich klappen. Im Wembley gegen Erzfeind Deutschland.
Seit dem Start der Heim-EM ist die Begeisterung für die «Lionesses» im Gastgeberland laufend gestiegen, gleichzeitig spielt das Team immer besser. Vom für die Spielerinnen ungewohnt grossen Druck ist wenig zu sehen. Mit einem Torverhältnis von 20:1 sind die Engländerinnen ins Final gestürmt.
Ausgelassen ist die Atmosphäre nach dem 4:0-Erfolg im Halbfinal gegen Schweden. Die Spielerinnen lassen sich in Sheffield noch eine gute halbe Stunde lang nach Abpfiff feiern. Sie singen «Football Is Coming Home» und «Sweet Caroline», jenes Stimmung verbreitende Lied, das an der Männer-EM 2021 zur neuen Fussballhymne aufgestiegen ist. Und sie schreien zum Hit «Freed From Desire» statt den Namen des Nordiren Will Grigg nun «Beth Mead’s On Fire». Beth Mead ist die überragende Spielerin dieser EM. Die Arsenal-Spielerin hat in fünf Partien sechs Tore erzielt und fünf Assists gegeben.
Dass Beth Mead und die anderen Topspielerinnen wie Ellen White, Lucy Bronze und Georgia Stanway so überragend spielen, hat viel mit der Trainerin zu tun. Sarina Wiegman folgte 2021 auf den glücklosen Ex-Nationalspieler Phil Neville. Die Niederländerin hatte zuvor mit ihrem Heimatland 2017 den Europameistertitel geholt, dasselbe kann sie nun auch mit England schaffen.
Die 52-Jährige, die an der EM bisher stets auf dieselbe Startelf setzt, hat das Team in allen Belangen verbessert. Defensiv ist das Team solide, in der Offensive kreativ. Die Engländerinnen, die wie bisher am Triumph genau wie das Männer-Team immer vorbeigeschrammt sind, reitet nun auf der Erfolgswelle. Seit 19 Spielen sind sie ungeschlagen und haben dabei 104 Tore erzielt.
Der Respekt der englischen Prominenz ist den «Lionesses» gewiss. Prinz William, Präsident des englischen Fussballverbandes, twitterte: «Das ganze Land ist so stolz auf alles, was ihr erreicht. Wir glauben an euch und werden euch bis zum Ende unterstützen.» Und David Beckham schrieb: «Ihr seid für alle eine Inspiration. Ihr spielt ein unglaubliches Turnier. Es ist so erhebend und aufregend.»
Die Krönung dieser perfekten EM, das auch in Sachen Zuschauerzahlen alle Rekorde bricht, wäre der langersehnte Titel. Das Wembley-Stadion ist natürlich restlos ausverkauft.