Peter Achermann, Präsident des Innerschweizer Schwingerverbands, zieht nach dem grossen Fest Bilanz.
Sie waren in unmittelbarer Nähe des Sägemehlrings während des Schlussgangs. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Joel Wicki geschlagen war?
Peter Achermann: Es war brutal für uns, für das ganze Team. Auf der Zielgeraden wurden wir noch abgefangen. Ich war überzeugt, wenn Joel die ersten drei bis vier Minuten übersteht, liegen die Vorteile auf seiner Seite. Doch Stucki hat alles richtig gemacht, er hat im perfekten Moment durchgezogen. Und dann wirken extreme Kräfte auf dich ein, da bist du machtlos. Es ist leider ein Déjà-vu für uns. Wie 1989 in Stans, als Geni Hasler im Schlussgang verlor und Erstgekrönter wurde.
Bereits am Sonntag wurden Stimmen laut, wonach Wicki im Schlussgang gar nicht am Boden gewesen sei. Was sagen Sie dazu?
Ehrlich gesagt, habe ich die Bilder noch gar nicht gesehen. Das habe ich mir erspart. Es gibt während eines Festes viele schwierige Situationen für die Kampfrichter. Man muss aber betonen, dass die drei Kampfrichter den Entscheid immer gemeinsam fällen. In unserem Team war der Entscheid nach dem Schlussgang jedenfalls kein Thema. Auch Joel selbst hörte ich nichts dazu sagen.
Das Fest ist als grösstes Eidgenössisches in die Geschichte eingegangen, die Organisation war perfekt. Der Königstitel blieb den Innerschweizern aber erneut verwehrt. Was überwiegt am Tag danach? Freude oder Wehmut?
Ich machte mir im Vorfeld viele Gedanken. Über die Organisation, über das Wetter, über das sportliche Abschneiden. Das OK hat sich die Maximalnote verdient, das war eine Riesenleistung. Natürlich wäre es eine tolle Geschichte gewesen, wenn wir am eigenen Eidgenössischen, als Gastgeber, den Titel gewonnen hätten. Ich bin überzeugt: Wenn wir ein, zwei Nächte darüber schlafen, wird die Freude grösser sein.
Muss der Innerschweizer Schwingerverband etwas optimieren, um dem Königstitel näherzukommen, oder braucht es schlicht Wettkampfglück?
Es braucht beides. Wir sind bestrebt, immer die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen, um diesem Ziel näherzukommen. Aber wenn wir nochmals die Leistung von Joel Wicki betrachten: Das war einfach hervorragend, das war Schwingsport vom Feinsten. Er machte eigentlich alles richtig. Doch das Wettkampfglück fehlte ganz am Schluss.
13 Kränze gingen in die Innerschweiz, das ist einer weniger als vor drei Jahren in Estavayer. Zufrieden?
Diesbezüglich haben wir das Ziel nicht erreicht. Wir wollten derjenige Teilverband mit den meisten Kränzen sein, jetzt stehen wir hinter den Bernern. Es gab teilweise sehr harte Paarungen um das begehrte Eichenlaub, aber das gehört eben auch dazu. Positiv ist sicher, dass wir mit Joel Wicki, Marcel Bieri, Martin Zimmermann, Lutz Scheuber und Michael Gwerder fünf Neukranzer haben. Der Kranzgewinn von Scheuber freut mich besonders. Bei den letzten beiden Eidgenössischen fehlte ihm jeweils ein Viertelpunkt. Jetzt hat er es geschafft. Das gönnt ihm wohl jeder.
Bei unserem letzten Interview sagten Sie, die Innerschweizer seien in der Breite besser aufgestellt als die Berner. Auch vor diesem Fest sahen viele Experten die Innerschweiz in der Pole-Position. Sind die Berner schlicht abgezockter?
Nehmen wir den Brünig als Beispiel. Wir dominierten, holten den Sieg und am meisten Kränze. Klar: Wir haben mit unserem Team einen perfekten Tag eingezogen. Aber wahrscheinlich haben wir die Berner dort ein wenig wachgerüttelt. Dieses Fest haben sie sicher sehr genau analysiert und offenbar auch die richtigen Schlüsse gezogen.
Pirmin Reichmuth war schon am Samstagmorgen aus dem Rennen. Wie erlebten Sie das?
Über die Qualitäten von Pirmin Reichmuth brauchen wir nicht zu diskutieren, er ist einer der besten Schwinger im Land. Er kam mit dem Druck nicht zurecht. Nach der Niederlage bekommt er Dominik Roth zugeteilt. Roth gibt alles, er weiss, dass ein Gestellter ein Riesenerfolg wäre. Das war enorm schwierig für Reichmuth. Am Sonntag hat er aber allen gezeigt, was er wirklich drauf hat. Pirmin ist eine grosse Bereicherung für den Schwingsport.
Benji von Ah, Andi Imhof, Lutz Scheuber oder auch Andreas Ulrich sind alle über 30 Jahre alt. Erwarten Sie viele Rücktritte nach dieser Saison?
Bis jetzt ist mir nichts bekannt. Aber die Konstellation ist sehr verlockend, um weiterzumachen. In den nächsten vier Jahren haben wir vier eidgenössische Anlässe: Jubiläumsschwinget Appenzell 2020, Kilchberger 2021, Eidgenössisches 2022 und Unspunnen 2023. Ich freue mich sehr auf diese Feste, das sind ja immer auch Revanche-Kämpfe.
Der Urner Peter Achermann (50) ist Präsident des Innerschweizer Schwingerverbands (ISV). Im Eidgenössischen Schwingerverband (ESV) amtet er als Ressortleiter Finanzen und ist Mitglied des Zentralvorstands.
Ehre, wem Ehre gebührt: Joel Wicki wird am Dienstagabend um 19 Uhr in seinem Heimatdorf Sörenberg empfangen. Organisiert wird der Empfang für den Erstgekrönten von der Gemeinde Flühli und vom Entlebucher Schwingerverband. In Cham gibt es einen Empfang für Lokalmatador Pirmin Reichmuth. Der Anlass findet am Dienstag um 18.30 Uhr vor der Schwingerhalle beim Mandelhof statt. Um zirka 19 Uhr bewegt sich der Tross Richtung Hirsgarten. Um 19.30 Uhr werden die Ob- und Nidwaldner Kranzgewinner Benji von Ah, Marcel Mathis, Lutz Scheuber und Martin Zimmermann in Büren NW geehrt. Der Schwingklub Rottal empfängt ebenfalls um 19.30 Uhr im Dorfzentrum Ruswil Sven Schurtenberger. Erst am Freitag wird der Kranzgewinn von Andi Imhof gefeiert. Um 19 Uhr startet der Empfang beim Kirchenplatz in Bürglen. Bereits am Montag wurde Marcel Bieri geehrt. (jvf)