Europameisterschaft
Das EM-Aus ist nur logisch: Die Schweiz hat den Zug im Frauenfussball verpasst

Das Schweizer Nationalteam scheidet mit einem 1:4 gegen die Niederlande aus dem Turnier aus. Dieses Ergebnis ist irgendwie logisch, weil in anderen Länder deutlich mehr in den Frauenfussball investiert wird als in der Schweiz.

Raphael Gutzwiller, Sheffield
Raphael Gutzwiller, Sheffield
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Die Sensation bleibt aus: Die Schweizer Nati verabschiedet sich nach den Gruppenspielen von der EM.

Die Sensation bleibt aus: Die Schweizer Nati verabschiedet sich nach den Gruppenspielen von der EM.

Andrew Yates / EPA

Die Europameisterschaft 2022 ist für das Schweizer Nationalteam zu Ende. Gegen Titelverteidiger Niederlande bleibt die Sensation aus, die Schweiz verliert trotz einer lange guten Leistung am Ende etwas zu hoch mit 1:4. Damit scheidet die Schweiz schliesslich mit nur einem gewonnenen Punkt aus dem Turnier aus.

Dass es in der Gruppe mit dem Olympiafinalisten Schweden und amtierenden Europameister Niederlande sehr schwer werden würde, war bereits nach der Auslosung dieser Gruppe C klar. Die Schweiz ist als Aussenseiter nach England gereist, in der Hoffnung irgendwie die Sensation schaffen zu können. Diese Sensation blieb aus, obwohl die Schweiz in den beiden Partien gegen Schweden und der Niederlande eine gute Visitenkarte abgegeben hat. Gegen Schweden schnupperte sie am Punktgewinn, verlor mit ein wenig Pech mit 1:2.

Jubel bei Ramona Bachmann (links) und Torschützin Géraldine Reuteler nach dem 1:1.

Jubel bei Ramona Bachmann (links) und Torschützin Géraldine Reuteler nach dem 1:1.

Salvatore Di Nolfi / Keystone

Noch besser war lange der Auftritt am Sonntag gegen die Niederlande. Es gab eine Phase in dieser Partie, in der die Schweiz den Führungstreffer hätte erzielen sollen. In der 57. Minute vergab Coumba Sow alleinstehend vor dem holländischen Tor zum 2:1. Hätte sie getroffen, wäre der EM-Traum vielleicht weiter gegangen. In jener Phase, nach dem Ausgleich durch Géraldine Reuteler, lag das Momentum auf der Schweizer Seite. Doch es verstrich ohne Führungstor. Bis zum 1:2 nach 84 Minuten schnupperte die Schweiz noch an der Sensation, ehe nach einem Fehler von Gaëlle Thalmann Leuchter zur holländischen Führung traf. In der Nachspielzeit legten die Oranje zwei weitere Treffer zur zu hohen Niederlage aus Schweizer Sicht nach.

Nach dieser Europameisterschaft kann dem Nationalteam in den Duellen mit den Topteams keinen Vorwurf gemacht werden. Sie haben alles gegeben, gekämpft, gerackert und phasenweise ansehnlichen Fussball gespielt. In Erinnerung bleibt aber auch das enttäuschende Auftaktspiel gegen das für Russland nachnominierte Portugal. Nach einer frühen 2:0-Führung endete jene Partie mit einem Remis. Dieses Resultat muss Nationaltrainer Nils Nielsen auf seine Kappe nehmen, weil er zu lange untätig geblieben war und nicht gewechselt hatte. So reist das Schweizer Team am Montag ohne einen Sieg von der EM nach Hause zurück.

Ratlose Gesichter beim Schweizer Nationalteam im ersten Gruppenspiel gegen Portugal.

Ratlose Gesichter beim Schweizer Nationalteam im ersten Gruppenspiel gegen Portugal.

Salvatore Di Nolfi / Keystone

Wer das grosse Bild des Schweizer Frauenfussballs aufmacht, darf ob der enttäuschenden Punkteausbeute wenig überrascht sein. Um bei diesen Gegnern die Sensation zu schaffen, hätte alles perfekt laufen müssen. Doch die EM 2022 wird für die Schweiz garantiert nicht als perfektes Turnier in die Geschichte eingehen. Nicht nur auf dem Feld, auch daneben lief einiges schief. Wegen zu schlechter Platzverhältnisse musste der Trainingsplatz gewechselt werden und während des Turniers wurden mehrere Akteurinnen von einem Magen-Darm-Virus befallen. Dazu kam die Tatsache, dass die Führungsspielerinnen Lia Wälti und Ana-Maria Crnogorcevic in der Vorbereitung angeschlagen gewesen waren. Jene Situationen hallten wohl auf dem Platz nach, als gegen die Topteams in den Schlussminuten die Kraft ausging.

Logisch ist das Ergebnis auch, wenn man sich die Stärkeverhältnisse der Nationen versinnbildlich. Auf Länder wie Schweden oder die Niederlande hat die Schweiz einen meilenweiten Rückstand, was Gleichberechtigung im Fussball angeht. Und selbst Nationen wie Portugal, die einst deutlich hinter der Schweiz rangierten, haben dank guter Nachwuchsarbeit aufgeholt.

Nationaltrainer Nils Nielsen.

Nationaltrainer Nils Nielsen.

Freshfocus

In ganz Europa wird fleissig in den Fussball der Frauen investiert – ausser in der Schweiz. In den Klubs haben die Frauen immer noch ein erbärmliches Standing, von Professionalisierung kann kaum eine Rede sein. Auch in der Förderung des Nachwuchses ist der Unterschied zwischen Jungs und Mädchen noch immer riesig. Solche Probleme spiegeln sich direkt in England auf dem Rasen wider.

Dabei nimmt auch hierzulande das Interesse am Frauenfussball zu. An dieser EM gab es Public Viewings und bei Länderspielen, Champions-League-Partien oder Cupfinals kommen die Massen in Scharen. Der Schweizer Fussball tut gut daran, diesen Zug nicht noch mehr zu verpassen.