Die Europameisterschaft 2022 ist für die Schweiz zu Ende. Nun stellt sich die Trainerfrage. Auch weil Nils Nielsens Vertrag Ende Jahr ausläuft.
Richtig verdaut ist das Ausscheiden an diesem Montagmorgen noch nicht. Doch der Car ist vollgepackt, das Nationalteam der Frauen bereit für den Heimflug nach Zürich. Nach der am Ende zu hohen 1:4-Niederlage gegen die Niederlande ist die EM 2022 in England für das Schweizer Team Geschichte.
Bei diesen letzten Mediengesprächen im Garten des Teamhotels herrscht eine Atmosphäre zwischen Enttäuschung und Stolz. Enttäuscht darüber, den Coup verpasst zu haben, stolz darauf, sich gegen Schweden und die Niederlande von der besten Seite präsentiert zu haben. Bei Trainer Nils Nielsen überwiegt die Enttäuschung: «Wir sind hierhergekommen, um ein Topresultat zu erzielen. Das haben wir nicht geschafft.»
Das hochgesteckte Ziel hat Nielsen mit seinem Team verpasst. In den letzten Wochen musste er erstmals seit seinem Amtsantritt zu Beginn des Jahres 2019 in der Öffentlichkeit mit Gegenwind klarkommen, Nielsen ist nicht mehr unumstritten. Insbesondere nach seinen Coachingfehlern bei der verspielten 2:0-Führung gegen Portugal im ersten Gruppenspiel, die er nach der Partie sogleich auf sich nahm, kamen Zweifel auf.
Deshalb stellt sich nach dem EM-Aus die Frage nach der Zukunft auf der Trainerposition, zumal Nielsens Vertrag Ende Jahr ausläuft. Geht der Schweizer Fussballverband den Weg mit dem Dänen weiter oder gibt es eine andere Lösung? Nielsen selber sagt: «Wir evaluieren immer wieder, ob es der richtige Weg ist.
Die Spielerinnen haben sich an dieser EM unter schwierigen Bedingungen wirklich gut als Team präsentiert. Wenn ich in diesem Team ein Plus sein kann, dann geht es weiter. Aber wenn ich kein Plus mehr bin und die beste Lösung für das Team etwas anderes ist, dann ist es für mich völlig in Ordnung. Denn egal was passiert, es wird das Beste für das Team sein.»
Die Zukunft Nielsens scheint also noch offen. Seine Chefin, Tatjana Haenni, die Direktorin des Frauenfussballs, lobt die Leistung an diesem Turnier. «Aus meiner Sicht war die Leistung des gesamten Trainerstaffs an diesem Turnier ausgezeichnet», so Haenni.
Nielsen gilt als Gegenstück zu seiner Vorgängerin, der heutigen deutschen Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Diese war für eiserne Disziplin bekannt, Bettruhe um 22 Uhr inklusive. Nils Nielsen ist anders, lockerer, nahbarer.
Haenni sagt, das sei die richtige Art für das Schweizer Team. «Ich bin der Meinung, dass diese Art, alle einzubeziehen, der richtige Führungsstil ist. Auch die jüngere Generation der Spielerinnen will, dass man kommuniziert und sie an Überlegungen teilhaben lässt. Der militärische Führungsstil ist aus der Zeit gefallen.» Deshalb sagt sie in Bezug auf die Zukunft: «Sollte Nielsen einmal nicht mehr Trainer sein, sollte sein Nachfolger es ein ähnlicher Typ sein.»
Auch im Team ist Nielsen beliebt. Captain Lia Wälti sagt am Tag nach dem EM-Aus: «Ich empfinde die Zusammenarbeit mit Nils als sehr angenehm. Er hat einen Führungsstil, in dem er mit uns eine Lösung zum Ziel finden möchte. Sein Stil ist es, dass wir Einfluss haben können. Das schätze ich sehr.»
Zwar habe es etwa im Portugal-Spiel Situationen gegeben, in denen sich das Trainerteam und die Spielerinnen auf dem Feld nicht einig waren. «Aber das ist normal, wir haben solche Dinge wieder ausdiskutiert und analysiert.»
Die Schweiz hat 2022 noch kein Länderspiel gewonnen. Dennoch hebt Captain Wälti das Positive hervor. Die Spiele gegen Schweden und die Niederlande «haben uns ein gutes Gefühl gegeben. Wir haben gemerkt, dass wir gegen diese Topnationen mithalten können.» Dieses Gefühl brauchen die Schweizerinnen ab September wieder, wollen sie sich für die WM in Australien und Neuseeland 2023 qualifizieren. In der Qualifikation steht die Schweiz unter Druck, wieder bessere Resultate abzuliefern.
Weil bald das nächste Turnier ansteht, bleibt der grosse Umbruch noch aus. Doch die Genferin Sandy Maendly, die an der EM in allen drei Gruppenspielen in der Startelf stand, und die gross gewachsene Innenverteidigerin Rahel Kiwic treten aus dem Nationalteam zurück.