Der Qualifikationssieger eliminiert den Titelverteidiger. Trotz zwei Niederlagen gegen den SC Bern hat der EV Zug rechtzeitig wieder in die Spur gefunden und den Belastungstest bestanden.
1:0-Sieg. Der EV Zug steht im Halbfinal und schickt den amtierenden Meister und Cup-Sieger in die Ferien. Für Zug ist es die zehnte Halbfinal-Qualifikation in den letzten 20 Jahren. Doch das Erreichen der Top 4 ist nach dem Qualifikationssieg nur ein Etappenziel auf der Mission Titelgewinn.
Für die meisten Hockey-Fans war die Ausgangslage klar: Der SC Bern ist heuer nicht konkurrenzfähig genug, den EVZ-Express aufzuhalten. Die Serie sei nur von kurzer Dauer, sozusagen ein Selbstläufer, lautete der Tenor. Doch Trainer Dan Tangnes liess sich von 63 Punkten Unterschied während der Regular Season nicht blenden und impfte seinen Spielern ein: «Erwartet sieben Spiele.»
Eine «Belle» (Serie über sieben Spiele) konnte Zug vermeiden, doch das Duell gegen die Hauptstädter war ein hartes Stück Arbeit. Der spielerisch limitierte, aber mit allen Bandagen kämpfende SCB war dem Titelanwärter – eher überraschend – über weite Strecken ebenbürtig. Tangnes’ Vorgabe, sich auf die eigenen Fähigkeiten zu fokussieren und keine Energie auf Nebenschauplätze zu verschwenden, verhallte nicht ungehört. Schliesslich haben die spielerische Klasse und das Talent des EVZ der Routine und grossen Playoff-Erfahrung des SCB den Garaus gemacht.
Auch wenn es kein Spieler direkt und offen zugeben mag: Nach den schmerzvollen Finalniederlagen gegen den SCB (2017, 2019) kommt der Triumph über den Serienmeister einer Revanche sowie einer Genugtuung gleich, obschon es sich nur um eine Viertelfinal-Serie handelte. «Es tut immer noch weh, wenn ich zurückdenke. Mir macht es aber Spass, dass wir die Gelegenheit haben, uns zu revanchieren», meinte Stürmer Lino Martschini vor dem Playoff-Start. Die geglückte Revanche ist etwas Balsam für die Zuger Hockey-Seele.
Der SC Bern hat sich über Wert verkauft. Er fühlte sich in der Rolle des Underdogs gut aufgehoben und verlangte dem EV Zug in dieser Serie alles ab. Doch die Zuger haben sich durch psychologische Mätzchen nur selten beirren oder einschüchtern lassen. Zug kann auch Playoff-Härte und stellte sich den wuchtigen Bernern entschlossen entgegen.
Aus Zuger Sicht waren die Spiele geprägt von Hochs und Tiefs. Es spricht für den Charakter der Mannschaft, dass sie nach beiden 2:6-Niederlagen zurück in die Spur gefunden hat. Als das Pendel zu Gunsten der Berner hätte ausschlagen können, haben die Leistungsträger geliefert – und die Mitläufer einen soliden Job gemacht. Die Serie hat aber auch schonungslos die Schwächen zum Vorschein gebracht: Die Absicherung in der Defensive hat teilweise überhaupt nicht gestimmt. Es fehlte an Struktur und Organisation. Doch die Zuger waren lernfähig.
Dass der EVZ einen Umweg über sechs Spiele nehmen musste, ist kein Nachteil. Er hat vor Augen geführt bekommen, dass in den Playoffs Feinheiten den Unterschied ausmachen. Es rächt sich sofort, wenn bei mehreren Spielern einige Prozente fehlen punkto Konzentration und Leistung. Es ist ein schmaler Grat zwischen Sein oder Nichtsein. Doch der Einzug in den Halbfinal kann die Handbremse lösen und das ohnehin grosse Selbstvertrauen in der Mannschaft stärken. Ein Teil des Drucks ist jedenfalls abgefallen.
Nun warten die Rapperswil-Jona Lakers auf den EV Zug. Sie reiten auf einer Erfolgswelle und sind nach der sensationellen Halbfinal-Qualifikation euphorisiert. Jeder weitere Sieg ist eine Zugabe und eine Verlängerung der unglaublichen Erfolgsstory. Die Lakers opfern sich füreinander auf und haben in den fünf Viertelfinal-Spielen gegen den HC Lugano unfassbare 163 Schüsse geblockt. Doch ohne dem Zehnplatzierten der Qualifikation die Qualitäten abzusprechen: Für den EV Zug darf dieser Gegner nur eine Durchgangsstation auf seiner Mission sein.