Für den EV Zug fällt am Freitag in Lugano der Startschuss zur neuen Saison. Hier eine Umschau, was dem Klub im kommenden Winter bevorstehen könnte.
nbe. Es ist September, und im Schweizer Eishockey geht es um grundsätzliche Fragen: Was zeichnet die NLA aus? Ihr Tempo? Der Zuschauerzuspruch, der nirgendwo in Europa höher ist?
Das sind fraglos schöne Qualitätsmerkmale, aber die Mehrzahl der Klubmanager von Genf bis Lugano, von Lausanne bis Davos hat als wichtigstes Alleinstellungsmerkmal etwas anderes herausdestilliert: die Ausgeglichenheit der Liga. Der EVZ-CEO Patrick Lengwiler beispielsweise sagt: «Die NLA ist darum so attraktiv, weil an jedem Abend alles passieren kann. Und weil es sogar für die Playoff-Qualifikation keine Garantien gibt.»
Die Ergebnisse der letzten Jahre unterstreichen die These: 2015 verpassten mit Kloten und Fribourg-Gottéron zwei prominente, finanzstarke Teams den Tanz der besten acht Teams. 2014 hiessen die Opfer Zug und Bern. Ein Jahr zuvor traf es Kloten, 2012 Servette und 2011 Lugano.
Die Parität sorgt für Spannung – und macht Prognosen ungemein schwierig. Was den EVZ betrifft, haben wir uns dennoch aufs Glatteis gewagt und nennen je zehn Gründe, weshalb der Klub in dieser Saison Erfolg haben kann und warum er in Schwierigkeiten geraten könnte:
Zuzug Jarkko Immonen ist der komplettere Spieler als sein Vorgänger Robbie Earl. Seine Verpflichtung macht Angriff und Abwehr besser.
Der EVZ stellte 2014/15 mit 166 Treffern den produktivsten Angriff der Liga. Weil Immonen und Peter besser als Earl und Sutter sind, erzielt Zug noch mehr Tore.
Lino Martschini wird nach Guido Lindemann (1982) und Damien Brunner (2012) der dritte Schweizer Ligatopskorer der letzten 34 Jahre.
Coach Harold Kreis und Assistent Waltteri Immonen gehörten in Deutschland respektive Finnland zu den besten Verteidigern ihrer Zeit. Dank ihres Fachwissens kassiert der EVZ die wenigsten Gegentreffer der Liga.
Der Klub beschäftigt inzwischen Technik-, Schuss- und Skatingtrainer. So viel spezifisches Training verbessert vor allem junge Akteure wie Nolan Diem, Livio Stadler oder Dominik Volejnicek.
Im Profisport diktieren schnell einmal die Emotionen das Handeln. Die Chefetage um CEO Patrick Lengwiler und den designierten Präsidenten Hans-Peter Strebel (ab dem 5. Oktober im Amt) hat jedoch nicht die Tendenz,
bei jeder Negativserie die Nerven zu verlieren.
Josh Holden erlebt seinen zweiten Frühling und drängt sich noch einmal für einen neuen Vertrag auf.
Pierre-Marc Bouchard ist abermals einer der besten Ausländer der Liga und produziert 50 Skorerpunkte.
Tobias Stephan gehört unverändert zu den besten vier Torhütern der Liga.
Der junge Verteidiger Livio Stadler entpuppt sich als Entdeckung des Winters.
Jarkko Immonen benötigt zu viel Anlaufzeit und ist zu langsam für die NLA.
Es war ein Fehler, dass der EVZ auf ein Engagement eines erfahrenen Ersatztorhüters verzichtet hat. Eine Verletzung von Tobias Stephan ruiniert die ganze Saison.
Lino Martschini ist vom Klub zum «Franchise Player» erkoren worden, um den das Team aufgebaut wird. Eine Ehre, doch die Bezeichnung wird zur Bürde, weil er sich zu viel Druck auferlegt.
Wenn es nicht läuft, pflegt der Trainer Harold Kreis seine besten Kräfte zu forcieren. Das rächt sich, weil bei Bouchard, Suri, Sondell und Co. die Batterien schon vor dem Playoff leer sind.
Josh Holden erhält im EV Zug keinen Vertrag mehr und schliesst sich einem Konkurrenten an. Das sorgt bei den Fans und in der Kabine für Unmut.
Daniel Sondell findet nie mehr zu jener Form zurück, die ihm im letzten Herbst einen neuen Zweijahresvertrag eingebracht hatte.
Zu wenig Kaderbreite im Angriff: Verletzt sich einer der Top-6-Stürmer, fehlen Kandidaten, die nachrücken können.
Harold Kreis scheitert an der kniffligen Vorgabe, attraktives und erfolgreiches Eishockey spielen zu lassen – und gleichzeitig den Nachwuchs zu fördern.
Die schwammige Definition des Saisonziels («Eine Top-Organisation sein») eignet sich für Trainer und Mannschaft als Ausrede, sollte es resultattechnisch nicht nach Wunsch laufen.
Der EVZ ist in seiner Quersumme jung, schnell, technisch begabt – aber physisch zu schwach, um ein Meisterkandidat zu sein.