NACHRUF: Stark und doch zerbrechlich: Gute Reise, lieber Duri

Eishockey-Reporter Nicola Berger zum Tod von Duri Camichel

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Duri Camichel 2009 als NLA-Spieler im Dress des EV Zug. (Bild: EQ)

Duri Camichel 2009 als NLA-Spieler im Dress des EV Zug. (Bild: EQ)

Früher Nachmittag in der Prager O2-Arena, der Spielstätte der Eishockey-Weltmeisterschaft 2015. Es macht sich die Nachricht breit, der frühere EVZ-Captain Duri Camichel (32) sei verstorben, bei einem Autounfall in Costa Rica, gemeinsam mit Harry Andereggen (54), dem Personaltrainer von Mark Streit und engsten Freund Camichels.

Die erste Reaktion:Unglaube und ein fürchterliches Gefühl im Magen. Den Nationalspielern ergeht es nicht besser, es fliessen Tränen. Der EVZ-Verteidiger Robin Grossmann sagt später: «Die Eishockeyfamilie ist klein. Jeder war auf irgendeine Weise mit den beiden verbunden.»

Kurz darauf bestätigtder Eishockeyverband den Schicksalsschlag. Ohnmacht. Schmerz. Gedanken an Duris Mutter, die vor neun Jahren bereits ihren Ehemann Werner, den Bob-Olympiasieger von 1972, an den Krebs verlor. Und natürlich die Frage: Was bleibt von Duri Camichel? Dem Eishockeyspieler, dem Menschen?

Ich habe Camichel sechs Jahre lang begleitet, journalistisch, bis zu seinem abrupten Karriereende im Januar 2014 bei den Rapperswil-Jona Lakers. Als er beim EVZ mit der Berichterstattung einmal nicht einverstanden war, forderte er mich auf, zwei Karton Bier in die Garderobe zu bringen – danach waren die Differenzen vergessen. So war Duri: immer ehrlich, immer direkt, nie nachtragend. Und aus einem eigenen Holz geschnitzt. Er war dem EVZ ein würdiger Captain, fünf Jahre lang, ein Anführer mit grossem Herzen, der für sein Team alles tat und Kritik oft auf sich kanalisierte. Mit Ungerechtigkeit tat er sich schwer, schon auf dem Eis, wo er sich nicht selten mit Schiedsrichtern anlegte. Und auch jenseits der «Scheinwelt Profi-Eishockey», wie er sein Arbeitsumfeld einmal bei einem Mittagessen in Rapperswil umriss.

Camichel dachte überden Rand der Werbebande hinaus, er beschäftigte sich mit sozialen Fragen, mit den Problemen der Welt, man konnte mit ihm stundenlang philosophieren. Doch so stark er auf dem Eis wirkte, als unermüdlicher Vorkämpfer, der Checks austeilte, so fragil war er daneben. Er dachte viel nach, vielleicht manchmal zu viel, weil es ihm zu schaffen machte, wie egoistisch Menschen denken und handeln können. Camichel verstand das nie, und er begann, sich zu verändern. Er hatte als Eishockeyprofi viel Geld verdient, aber irgendwann löste er sich von den gängigen Konventionen: Er interessierte sich nicht mehr für Besitz, finanzielle Sicherheit oder Konsum, sondern für die Kulturen und Gebräuche der indigenen Völker im Amazonas-Gebiet von Peru.

Er brach darauf viele Brücken ab, zum alten Leben in der Schweiz sogar fast alle, was viele Weggefährten schmerzte, weil sie sich um das Wohlergehen ihres alten Freundes sorgten. Camichel aber ging den Weg konsequent, er glaubte, in Südamerika Glück und Erfüllung zu finden. Zu Hause hofften Freunde und Familie, dass Camichel zurückkehren würde, irgendwann, und dass dann alles wieder so sein würde wie früher.

In Costa Rica auf dem Weg nach Puerto Limon prallte das Auto von Camichel und Andereggen mit einem Lastwagen zusammen. Der Streifzug der beiden Freunde geht nun woanders weiter. Man kann nur hoffen, dass sich Camichels Wünsche und Begehren verwirklichen, auf der anderen Seite. Gute Reise, lieber Duri.