10 Jahre ist das letzte Spiel des FC Luzern auf der Allmend her. Der 5:0-Sieg in der Barrage gegen Lugano sorgte für ein Happy End. Fast wäre es aber zu einem Spielabbruch gekommen. Ex-Präsident Walter Stierli erinnert sich.
Es ist eines jener Spiele, die wohl keiner, der im Stadion mit dabei war, je vergessen wird. Unvergessen die Sekunden nach dem Schlusspfiff, als der Countdown heruntergezählt wurde, ehe die 12500 Zuschauer im ausverkauften Stadion den Platz stürmten – und sogar mitnahmen, was niet- und nagelfest war: die ausgegilbten hellblauen Stühle der Lumag-Tribüne, die farbigen Holzlatten der veralteten Haupttribüne oder ein Stück des Rasens, auf dem sich so viele legendäre Geschichten rund um den FC Luzern abgespielt hatten.
Passend dazu wurde am 13. Juni 2009 im letzten Spiel auf der Allmend nochmals eine Geschichte geschrieben, wie es sie fast nur beim FC Luzern geben kann. Es ging nicht um einen Meistertitel, wie 20 Jahre zuvor, sondern lediglich um den Ligaerhalt. Ex-FCL-Präsident Walter Stierli sagt:
«Ich hoffe, dass wir solche Geschichten irgendwann wieder erleben dürfen.»
Mit «solche Geschichten» meint er das unglaubliche Fussballfest rund um den 5:0-Sieg in der Barrage gegen den FC Lugano. Ein Fussballfest, bei dem der an diesem Tag prächtig aufgelegte Davide Chiumiento Mann des Spiels wurde, von unserer Zeitung erhielt er verdient die Note 6. Ein Fussballfest aber auch, das vor allem deshalb möglich wurde, weil Präsident Walter Stierli im richtigen Moment eingegriffen hatte. Ein Moment, in dem Freude und Enttäuschung so nahe beieinander lagen. Gerade hatte Michel Renggli mit einem Freistoss für das so wichtige Luzerner 1:0 gesorgt – ehe es zum Schock kam.
In jenem emotionalen Jubel meinte ein Unverbesserlicher in der Fankurve auf der Gegengerade, er müsse einen Knallkörper zünden. Dieser detonierte direkt neben Schiedsrichterassistent Christoph Erhard, welcher daraufhin ins Wanken geriet und sich ans Ohr griff: Ein Tinnitus – ein lautes Pfeifen. Hätte Schiedsrichter Cyril Zimmermann den Match in diesem Moment abgebrochen, es hätte sich niemand beschweren dürfen. Und Zimmermann signalisierte sofort: Sollte Erhard nicht weitermachen können, ist Schluss. Zum Glück arbitrierte Erhard weiter.
Was folgte, war jener Auftritt von Präsident Stierli, den ihn in der Luzerner Fanszene unvergessen machte. Stierli erhob sich von der Haupttribüne, stürmte auf den Platz und postierte sich vor den Luzerner Fans. Schon Pressesprecher Stefan Bucher hatte versucht, die Fans zu beruhigen. Dann kam Stierli und schrie emotional aufgewühlt ins Mikrofon:
«Macht unserer Mannschaft das Spiel nicht kaputt!»
Und wie zur Kontrolle blieb er sogleich das ganze Spiel vor der Fankurve stehen.
«Ich habe intuitiv gehandelt», sagt Stierli heute. «Ich wusste, dass ich irgendwie reagieren musste, weil eine Forfait-Niederlage eine Katastrophe gewesen wäre. Es ging um die Existenz des Vereins.» Denn wie Stierli nun erwähnt, ging es dabei auch um das neue Stadion. Zwar waren beide Volksabstimmungen mit jeweils 55 Prozent der Stimmen schon gewonnen, doch:
«Es waren noch nicht alle Verträge unterzeichnet. Ein Spielabbruch, der zum Abstieg geführt hätte, hätte diese Verträge gefährdet. Der ganze Goodwill und die Vorfreude in der Bevölkerung wären weg gewesen.»
Zudem hätte ein Spielabbruch an jenem 13. Juni 2009 zu grösseren Ausschreitungen bei den Luzerner Fans führen können. «Der Grossteil der Fans hat sich über den Böller aufgeregt. Wenn wir deshalb abgestiegen wären, hätte das innerhalb der Kurve Auseinandersetzungen gegeben. Denn jeder im Stadion hat gesehen, dass unsere Mannschaft viel besser war als Lugano.»
Mit Stierli, der sich vor der Fankurve stehend starken Sonnenbrand holte, von den Fans aber immerhin mit Bier versorgt wurde, verfolgte ein enthusiastisches Publikum die weiteren
75 Spielminuten, in denen der FCL die Tessiner an die Wand spielte. Am Ende resultierte ein 5:0-Heimsieg, und dies nur gerade drei Tage nach einer enttäuschenden 0:1-Niederlage im Hinspiel in Lugano, in dem man noch höher hätte verlieren können. «Wie es unsere Mannschaft innert weniger Tage fertigbrachte, sich aufzurappeln und auf den Punkt bereit zu sein, war unglaublich», so Stierli. Nicht nur in der Barrage, auch in der gesamten Saison hatte der FCL eine Aufholjagd hingelegt. In den ersten 12 Spielen hatte der FCL nur gerade 2 Pünktchen geholt, doch in der Rückrunde unter «Retter» Rolf Fringer schaffte es der FCL noch in die Barrage.
Nach jenem grossartigen 5:0-Sieg war die Allmend definitiv Geschichte. «Klar habe auch ich nostalgische Gefühle, wenn ich an das alte Stadion zurückdenke», sagt Stierli. «Aber der Verband machte uns grossen Druck, die Tribünen waren in einem himmeltraurigen Zustand. Deshalb mussten wir etwas machen. Das neue Stadion sorgte für eine Aufbruchstimmung.»
Nach zwei sportlich erfolgreichen Jahren im Emmenbrücker Gersag spielt der FCL seit 2011 in der Swisspor Arena. Von der alten Allmend bleiben die Erinnerungen – wie jene an den 13. Juni 2009.