Hühnerhaut-Atmosphäre herrscht am Mittwochabend nach dem 2:0-Sieg des FC Luzern über den Tabellendritten FC St. Gallen. Die FCL-Fans feiern die Mannschaft und besonders Trainer Carlos Bernegger. Unter dem 44-jährigen Schweiz-Argentinier sind die Innerschweizer weiterhin ungeschlagen, aus fünf Spielen resultierten 11 Punkte, Luzern hat den Ligaerhalt so gut wie gesichert.
Die Luzerner Spieler liessen sich feiern. Der siebte Saisonsieg bedeutete, dass die Abstiegssorgen praktisch der Vergangenheit angehören. Sechs Punkte beträgt nun der Vorsprung auf Lausanne-Sport, das gestern zu Hause Sion mit 1:3 unterlag, auf das letztplatzierte Servette sind es nun schon 13 Zähler Differenz – ein in den letzten fünf Spielen kaum mehr einzuholender Rückstand für die Genfer, selbst wenn sie noch zwei Partien weniger gespielt haben. Die FCL-Fans sorgten in der Swissporarena für bisher kaum erlebte Hühnerhaut-Atmosphäre. Nach einer sehr enttäuschenden Saison wollten sie den Mann feiern, der die Wende zum Guten geschafft hat: Carlos Bernegger. Nach Murat Yakin, Ryszard Komornicki und Übergangscoach Gerardo Seoane ist der 44-jährige Schweiz-Argentinier der vierte FCL-Trainer der Saison. Unter Bernegger ist die Mannschaft innert weniger Wochen zu einer Einheit zusammengewachsen. Seine Bilanz mit Luzern ist traumhaft: Mit dem gestrigen 2:0-Heimsieg gegen St. Gallen kommt er auf drei Siege und zwei Unentschieden – in fünf Partien ist er ungeschlagen geblieben. Die Anhänger forderten mit "Carlos, Carlos"-Sprechchören den Trainer auf, vor die Kurve zu treten. Bernegger machte mit, hüpfte mit seinen Spielern und den FCL-Löwen um die Wette. Er liess sich von den Fans bejubeln wie man es von Jürgen Klopp in Dortmund kennt. Für Zuschauer, welche mit der sportlichen Situation von Luzern nicht vertraut sind, musste es ausgesehen haben, als ob der Klub soeben einen Titel gewonnen oder mindestens die Europa-League-Teilnahme gesichert hätte.
Bernegger drückte denn auch wenig später bei der Medienkonferenz auf die Euphoriebremse: "Wir haben uns noch nicht vor dem Abstieg gerettet. So lange es mathematisch nicht feststeht, dass wir den Ligaerhalt geschafft haben, muss ich dafür schauen, dass sich die Freude in Grenzen hält, es gibt keinen Anlass zu Euphorie, denn wir müssen weiter hart an unserem Ziel Klassenerhalt arbeiten." Aber natürlich ist dem Coach klar, dass die Fans nach einer bis zu seiner Ankunft in Luzern äusserst tristen Saison jetzt wieder grossen Spass haben. So gab Bernegger, dem die Fans am Herzen liegen, offen zu: "Es ist ein unglaublich gutes Gefühl. Ich habe mich hier von Anfang sehr gut gefühlt. Es herrscht eine grosse Empathie und Unterstützung des Publikums. Die Spieler haben diese Reaktion der Zuschauer verdient, es ist grossartig, wie sie sich auf jedes Spiel vorbereiten."
Zum Spiel hatte Bernegger eine klare Meinung: "Wir haben uns den Sieg verdient." Und: "Heute hat mir vor allem gefallen, wie wir den Sieg erreicht haben." Mit anderen Worten: Luzern erarbeitete sich diesen Erfolg gegen den Tabellendritten und Aufsteiger FC St. Gallen, dessen Trainer Jeff Saibene nach Spielschluss äusserst nachdenklich und konsterniert wirkte. "Aufgrund unseres enttäuschenden Auftritts in der ersten Halbzeit haben wir heute keinen Punkt verdient", stellte der Luxemburger fest. Tatsächlich waren die Ostschweizer in der ersten Halbzeit kaum präsent. Allerdings waren es sehr taktisch geprägte erste 45 Minuten gewesen und keines der beiden Teams besass gute Torchancen. Wenigstens bis zur Nachspielzeit vor der Pause, als Adrian Winter den Fulham-Leihspieler Pajtim Kasami steil anspielte. Der zuletzt von Bernegger kritisierte U-21-Nationalspieler setzte sich gegen St. Gallens Innenverteidiger Besle durch, passte von der Grundlinie zurück zur Mitte, von wo Xavier Hochstrasser mit seinem zweiten Saisontor das 1:0 für Luzern erzielte.
St. Gallen drückte nach dem Seitenwechsel vehement auf den Ausgleich. In der 50. Minute köpfelte Wüthrich an die Latte. Eine zweite hervorragende Ausgleichschance bot sich in der 66. Minute Mathys, doch sein Schuss aus wenigen Metern wehrte FCL-Goalie David Zibung gekonnt ab. Gleich zweimal kam Mathys (75.) hintereinander zu Schüssen von der Grundlinie, doch wiederum liess sich Zibung nicht düpieren. Der eingewechselte Daniel Gygax besass Luzerns erste grosse Konterchance, sein Ball aus spitzem Winkel ging in der 81. Minute nur knapp am hinteren Torpfosten vorbei. Drei Minuten später vergab Nushi St. Gallens letzte Möglichkeit, ehe Winter in der 87. Minute auf Pass des eingewechselten Alain Wiss das erlösende 2:0 gelang. Winter jubelte danach wie im Videospiel "Hitman" und formte aus seinen Fingern Revolver. Es heisst, "Hitman" gleiche mit seiner Glatze dem FCL-Trainer Bernegger.
Wie dem auch sei: Am Ende standen von den 13 373 Zuschauern die meisten und sangen das Jubellied "Steht auf, wenn ihr Luzerner seid". So begannen die Feierlichkeiten in der Swissporarena – und sie erreichten ihren Höhepunkt mit dem Halleluja auf Carlos Bernegger. Papst Franciscus I., ebenfalls ein Argentinier, wäre wohl auf seinen Landsmann neidisch geworden, wenn er im Luzerner Stadion gewesen wäre.
Daniel Wyrsch / Neue LZ
Luzern - St. Gallen 2:0 (1:0)
Swissporarena. - 13'373 Zuschauer. - SR Klossner. - Tor: 45. Hochstrasser (Kasami) 1:0. 87. Winter (Wiss) 2:0.
Luzern: Zibung; Sarr, Stahel, Puljic, Lustenberger; Renggli (76. Wiss); Winter, Kasami, Hochstrasser, Rangelov (85. Andrist); Hyka (57. Gygax).
St. Gallen: Lopar; Mutsch, Montandon, Besle, Pa Modou; Wüthrich (78. Martic), Nater, Schönenberger (52. Mathys), Nushi; Scarione; Ishak (46. Cavusevic).
Bemerkungen: Luzern ohne Lezcano (verletzt) und Muntwiler (gesperrt), St. Gallen ohne Etoundi und Janjatovic (beide verletzt). 50. Kopfball von Wüthrich an die Latte. Verwarnungen: 51. Kasami (Unsportlichkeit). 55. Pa Modou (Foul). 61. Cavusevic (Foul). 72. Nater (Unsportlichkeit).