Interview
FCL-Trainer Thomas Häberli setzt ein vorsichtiges Saisonziel

FCL-Trainer Thomas Häberli (45) erklärt vor dem Saisonstart am Samstag (19 Uhr) auswärts gegen den FC St. Gallen seine Führungsphilosophie.

Daniel Wyrsch
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Thomas Häberli auf der Stehplatzrampe der Swisspor-Arena. (Bild: Corinne Glanzmann, Luzern, 17. Juli 2019)

Thomas Häberli auf der Stehplatzrampe der Swisspor-Arena. (Bild: Corinne Glanzmann, Luzern, 17. Juli 2019)

Erstmals konnten Sie als Cheftrainer eine Profimannschaft auf die neue Saison vorbereiten. Wie ist das gewesen?

Thomas Häberli: Wir sind sehr gut durch diese fünf Wochen der Vorbereitung gekommen, konnten das vollständige Programm durchziehen. Das gibt es selten, in den letzten Jahren habe ich das so nie erlebt, als ich beim FC Basel in einer anderen Rolle dabei gewesen bin. Wir arbeiteten hart, sind ans Limit gegangen, obwohl wir daneben fünf Testspiele bestritten.

Sie erklärten nach dem letzten Testmatch am Freitag gegen Eintracht Frankfurt, dass das Team noch einige Tage Erholung brauche, um am Samstag in St. Gallen mit Frische in die Saison zu starten. Ist diese Regenerationsphase nun abgeschlossen?

Ja, von Samstag bis Montag hatten die Spieler eine fussballerische Pause. Die meisten anderen Teams hätten diese Regeneration wohl bereits vor dem Uhrencup mit den beiden letzten Testpartien gegen Crystal Palace und Eintracht Frankfurt gemacht, wir verzichteten bewusst darauf. Dafür werden wir zum Saisonstart bereit sein. Wir wissen, dass wir intensive Wochen vor uns haben, sind aber gut vorbereitet.

Der FCL verlor Stammspieler Ruben Vargas an Augsburg und holte Torhüter Marius Müller von RB Leipzig sowie Offensivmann Francesco Margiotta aus Lausanne. Wie schätzen Sie die Mannschaft ein, ist sie stärker, auf einem ähnlichen Niveau oder etwas schwächer als in der vergangenen Saison?

Im Moment haben wir Ruben sicher noch nicht ersetzt, ein neuer Spieler auf seiner Position sollte in den nächsten Wochen noch zu uns stossen. Doch wird dieser noch etwas Eingewöhnungszeit benötigen. Der Verlust von Ruben Vargas tut uns derzeit weh. Als Ersatz für Tomi Juric verpflichteten wir Francesco Margiotta, wobei er für mich eine Verstärkung ist. Das gilt auch für Stefan Knezevic, der nach seinem Kreuzbandriss ins Team zurückgekehrt ist, aber noch etwas Zeit braucht. 16, 17 gestandene Profis wollen wir haben. Dazu die fünf Jungen die nachstossen und ihre Sache bis jetzt sehr gut gemacht haben.

Die Kaderspieler sind gefordert.

Wir brauchen mindestens alle 16, 17 gestandenen Profis. Bis zum 18. August haben wir jeden dritten oder vierten Tag ein Pflichtspiel, falls wir unsere Erstrundenbegegnung in der Europa-League-Qualifikation überstehen. Die nächsten vier Wochen können wir wohl nicht mehr oft trainieren.

Neu ist Pascal Schürpf vom Vizecaptain zum Captain aufgestiegen, und Idriz Voca ist neuer Stellvertreter. Warum ist Christian Schneuwly als Captain abgesetzt worden?

Offiziell war eigentlich Claudio Lustenberger Captain gewesen, er hat seinen Rücktritt erklärt. Wir haben das Captainamt neu vergeben, mit Christian Schneuwly ist das so abgesprochen. Für ihn war diese Veränderung keine Sache. Die Captain-Hierarchie sieht nun so aus: Wie erwähnt zuerst Schürpf, dann Voca und an dritter Position Knezevic. Im Spielerrat sind zudem Schneuwly und Christian Schwegler plus Marius Müller. Pascal Schürpf hat das Amt gerne angenommen. Ich bin froh, um diese Lösung. Wichtig ist auch, dass wir die jungen Idriz und Stefan mit in die Verantwortung nehmen konnten.

Im Tor hätten Sie es sich von der Hierarchie her mit David Zibung und den jungen Simon Enzler und Loïc Jacot ebenfalls einfacher machen können, als Marius Müller als Nummer 1 zu verpflichten.

Auch bei den Torhütern zählt die bestmögliche sportliche Lösung. Die Rolle von David Zibung ist schon länger bekannt, im Normalfall wäre er auch in der vergangenen Saison nicht mehr zum Einsatz gekommen. Als wir ihn brauchten, machte er seinen Job im Tor hervorragend. Auf die neue Saison hin haben wir versucht, besser zu planen. Nun steht einer im Tor, einer sitzt auf der Bank, und einer oder vielleicht sogar zwei Goalies sind auf der Tribüne. So ist der Fussball.

Sind vier Torhüter nicht zu viel?

Für Loïc oder Simon wollen wir eine gute Lösung finden. Wir haben noch bis Ende August Zeit, um für einen der beiden eine Win-win-Situation auf Leihbasis zu schaffen.

Mit Ihrem Vorgänger René Weiler belegte der FCL im Winter Platz 5, danach folgten drei Niederlagen und Sie übernahmen, beendeten die Saison auf Rang 5. Haben Sie sich für die bevorstehende Spielzeit eine Platzierung zum Ziel gesetzt?

Die Modus-Rückkehr zur Barrage in der Vorsaison hat einiges verändert. Zwei Runden vor Schluss hatten wir uns einen Platz abseits der Barrage gesichert. Unser Ziel wird es wieder sein, nichts mit der Barrage zu tun zu haben. Zudem wollen wir Konstanz in die Mannschaft bringen, damit wir in Ruhe arbeiten können. International und im Cup möchten wir möglichst viele Spiele bestreiten und so weit kommen wie nur irgend möglich.

Was sind für Sie die wichtigsten Aufgaben als Trainer?

Für mich sind drei Sachen entscheidend: Du musst die Spiele gewinnen, die Spieler weiterentwickeln. Und du musst ein Teamgefüge plus einen Staff haben, der mitlebt. Dabei sind auch die Leute wichtig, die für das Material verantwortlich sind und die Kleider waschen – auch der Platzwart gehört für mich zum Staff. Als Cheftrainer muss ich Aufträge verteilen, das ist ein kleines Management. Dazu gehört aber auch strategisches Denken, um die Mannschaft zusammenzustellen. Du brauchst Energie am Spieltag, um diese Kraft auf die Spieler zu übertragen. Es ist ein Rundum-Job, ein 360-Grad-Feld, eine sehr heterogene Aufgabe.

Nutzen Sie die Möglichkeit des Delegierens?

Ja, sofern das Gegenüber fähig ist, die Aufgabe auszuführen. Mein Ziel ist aber, die Spieler zur Selbststeuerung anzuleiten – denn damit habe ich die grösste Hebelwirkung auf den Spieler und somit auf die Mannschaft.

Sind Sie zufrieden mit der Einstellung der FCL-Profis?

Beim FC Luzern existiert eine sehr gute Arbeitskultur. Das ist sehr wichtig, weil das ein zentraler Punkt ist. Das heisst, dass man selbstwirksam an sich arbeitet. Es ist das Grösste, wenn man aus seinem Innern heraus den Antrieb hat. Dieses Gen kann man auch einkaufen, darauf müssen wir bei der Rekrutierung achten, damit wir solche Spieler holen, die diesen Selbstantrieb mitbringen. Diese Mentalität zu entwickeln, ist ein langer Prozess – und diese Zeit haben wir meist nicht.

Ihre Frau und Kinder waren im Frühling während der Länderspielpause Zuschauer an einem Training. Anschliessend machten Sie mit Ihren Angehörigen Fotos. Sind Sie ein Familienmensch?

Ich denke, für jeden Menschen ist die Familie zentral. So ist es auch bei mir, ich möchte das auch leben. Manchmal sind es zwar Floskeln, aber das Ziel ist, so zu leben. Manchmal habe ich mehr Zeit, manchmal weniger. Zu Hause muss man Ruhe haben, um einen solchen Job ausüben zu können. Das habe ich, darum bin ich glücklich.

Sie sind Luzerner, ein FCL-Trainer steht während der Meisterschaft ständig unter Beobachtung. Wie ist das für die Frau und die Kinder?

Ich hatte meine Familie vorgewarnt, bevor ich diese Aufgabe übernahm. Sie müssen damit umgehen können, früher oder später wird es Momente geben, die nicht ganz einfach sein werden. Als Trainer wirst du entweder entlassen oder du gehst eine Stufe weiter nach oben. Das ist meistens der Weg, um einen Vertrag aufzulösen. Für mich ist es viel einfacher, damit umzugehen, als für die Angehörigen und das Umfeld, weil Aussenstehende das Vorgehen meist persönlich nehmen.

Kein Grund zur Besorgnis, Sie sind bis jetzt gut unterwegs.

Im Moment ist es sicher kein Thema, aber wenn du gut darauf vorbereitet bist, dann gehst du am Tag X einfacher damit um. Es geht um die Funktion nicht um die Person.

Wie lebt es sich als bekannte Person in der kleinen Seetaler Gemeinde Ballwil mit 2800 Einwohnern?

Ich kenne nichts anderes, lebte bis auf eine Ausnahme immer in Ballwil. Obwohl ich in Bern und Basel arbeitete und nicht oft zu Hause war, kenne ich die Leute aus dem Dorf. Ich bin auch hin und wieder an einer Gemeindeversammlung. Wir sind integriert, die Kinder gehen in Ballwil zur Schule, ich nehme an den Elternabenden teil. Fussball spielen die Kinder in Eschenbach. Die Leute wissen meistens, was ich mache, aber ich weiss es von ihnen nicht. Ich muss dann fragen: Und was machst du? Wie geht es dir?

Mit 15 Jahren standen Sie zuoberst auf der Gegentribüne im Allmendstadion inmitten der Fans, als der FCL 1989 Meister geworden ist. Zwar hat es als Profi nie geklappt, für Luzern zu spielen, stattdessen standen Sie früher bei Lausanne, Basel und YB unter Vertrag. Ist es etwas Spezielles, als Luzerner hier Cheftrainer zu sein?

Für mich ist es etwas Besonderes, Coach beim FC Luzern zu sein. Der FCL bedeutet für mich Leidenschaft und Herzblut, das macht die sonst schon spannende Aufgabe noch reizvoller.