Michel Rengglis Karriere geht versöhnlich zu Ende. Ausruhen ist aber nicht angesagt. Bereits heute geht der 34-Jährige seiner neuen Arbeit als U-14-Trainer nach.
In der 88. Minute ist es so weit. Als Hekuran Kryeziu an der Seitenlinie bereitsteht, um eingewechselt zu werden, weiss Michel Renggli, dass seine Karriere als Fussballer nun zu Ende ist. Alle Zuschauer stehen auf und klatschen, die ganze Mannschaft eilt zum 34-Jährigen, jeder Einzelne umarmt ihn. Der Captain geht ein letztes Mal von dem Platz, der in den letzten drei Jahren seine zweite Heimat war.
Als der 3:0-Sieg des FCL Tatsache ist, dreht er mit seinen Kindern Casey (7), Sean (5) und Chase (2), für die er nun sicher mehr Zeit hat, genüsslich eine Stadionrunde und lässt sich von den Fans auf der Stehplatztribüne feiern. Später, als er endlich auf dem Weg in die Garderobe zu seinen Mitspielern ist, strahlt er noch genau so, trägt aber nur noch ein Muskelshirt und Unterhosen. Die restlichen Kleider hat er verschenkt. «Das Wetter, das Spiel, die Stimmung heute hat einfach alles gepasst», gibt der Nidwaldner zu Protokoll. Tränen gab es keine, Renggli hatte genug Zeit, um sich auf diesen Tag vorzubereiten.
343 Spiele hat er in der Super League absolviert so viele, wie kein anderer. Sechs Jahre stand Renggli beim FCL unter Vertrag. Jahre, in denen er viele Hochs und Tiefs miterlebt hat. Erst vor einem Jahr wurde er von Trainer Carlos Bernegger zum Captain, zu seinem verlängerten Arm auf dem Platz, ernannt. Mit starken Leistungen hatte der Nidwaldner grossen Anteil am Ligaerhalt, als Lohn wurde sein Fünfjahresvertrag um eine weitere Saison verlängert. Doch in der gestern zu Ende gegangenen Spielzeit konnte er nicht mehr an seine früheren Leistungen anknüpfen und stand unter anderem wegen seines behäbigen Auftretens in der Kritik.
Der Innenbandanriss, den er sich am 22. April im Training zugezogen hatte, hat einen würdigen Karrierenabschluss nicht verhindert: Renggli war gestern der ruhende Pol im Luzerner Mittelfeld und hatte in der 78. Minute gar die Chance, seine Karriere wie FCL-Sportchef Alex Frei mit einem Freistoss-Tor zu beenden. Doch Thun-Goalie Guillaume Faivre parierte Rengglis Schuss. «Sonst hätten sie mir einen neuen Vertrag geben müssen», scherzt der künftige U-14-Trainer des FCL.
Ausruhen ist bei Renggli nun allerdings nicht angesagt. Bereits heute wird er sich ein Training der U-13-Junioren anschauen, um jene Kinder zu beobachten, die nächste Saison unter ihm trainieren werden. Einen Schnitt wird es in seinem Leben aber allemal geben. «Schon als kleiner Bub war ich dauernd auf dem Fussballplatz, nun gebe ich meine grosse Leidenschaft auf», sagt er leicht wehmütig. Wird er nun wie Alex Frei bei den Senioren zu sehen sein? «Vielleicht werde ich mit meinem Bruder beim FC Hergiswil in der 3. Liga kicken», sagt er augenzwinkernd.
Die Captainfrage beim FCL ist derweil noch offen. In der Pole-Position steht Vize-Captain Alain Wiss (23). Er habe viel von Rengglis Erfahrung profitieren können, sagt der Littauer: «Ich habe vor allem gelernt, neben dem Platz Verantwortung zu übernehmen und wachse langsam in die Captainrolle rein.»
Meister-Jubiläum Friedel Rausch (72) hat nichts von seiner Schlagfertigkeit und seinem Humor verloren. Der erfolgreichste Trainer der Vereinsgeschichte des FC Luzern mit zwei Titelgewinnen (Meister 1989, Cupsieger 1992) posierte gestern zwei Stunden vor dem Spiel für ein Bild mit Romano Simioni (79). Rausch zu seinem damaligen Chef und FCL-Präsidenten: «Romano, gibts eine Gehaltserhöhung?» Simioni mit Krücken wegen einer Bandscheibenoperation – ging darauf nicht ein, wie früher.
Rausch und Simioni waren die zentralen Figuren des einzigen Luzerner Meistertitels vor 25 Jahren. Zu diesem Jubiläum wurden sie und die damaligen Spieler sowie deren Frauen rund um den Match Luzern gegen Thun vom FCL eingeladen. Ein munteres Ehemaligen-Treffen. Die weitesten Anreisen hatten Sigi Gretarsson aus Island und Jürgen Mohr aus Trier in Deutschland.
Der geniale Spielmacher, der in den letzten Jahren nur durch Hakan Yakin beim FCL einen valablen Nachfolger bekam, hatte sich bereits am Samstagabend mit Hansi Burri und Roger Wehrli getroffen. Der Meistercaptain verzichtete auf die offizielle Feier von gestern, weil er sich von FCL-Medienchef René Baumann nicht sachgerecht kritisiert fühlte in seiner Arbeit als Kolumnist unserer Zeitung (wir berichteten in der Dienstagausgabe). Aber «Giftzahn» Wehrli hat seinen Humor inzwischen wieder gefunden. Zu Mohr meinte er: «Du warst die erste Fachkraft aus Deutschland.» Der Libero verriet dann, dass er sich zu Beginn nicht besonders gut mit dem Regisseur verstand. «Erst später fanden wir zusammen.» Zum Glück für den FCL, denn ohne das Zusammenspiel zwischen Wehrli und Mohr wäre es nicht möglich gewesen, den Titel auf die Allmend zu holen. Mohr: «Unsere Zusammenarbeit hat schliesslich ganz gut geklappt.»
Ein Gesprächsthema war auch das Fehlen von echten Führungsspielern in der aktuellen Luzerner Mannschaft. Über die Aussage von Urs Birrer, «dass uns früher Roger Wehrli in einer Schwächephase gehörig zusammenstauchte und weckte», wurde diskutiert. Das Trio stand gerade bereit für unser Bild, da erfasste der einstige Mittelfeldrenner Hansi Burri aus Sempach die Situation und meinte zu Wehrli und Mohr: «Ihr habt unter meiner Leitung gespielt.» Lautes Gelächter war die Quittung.
So gut gelaunt waren die «Meisterhelden» von 1989 auch gestern in der Swissporarena. Rausch lobte seine ehemaligen Schützlinge: «Es macht Spass, alle wieder zu treffen. Das sind alles wunderbare Kerle. Sie suchen keine Entschuldigungen, sondern haben sich immer selber an der Jacke gezogen.» Versteckt sich darin eine leise Kritik ans jetzige FCL-Team. Doch Rausch wäre nicht Rausch, wenn er nicht trotz den zuletzt wenig berauschenden Leistungen einen positiven Resultat-Tipp vor dem Match abgegeben hätte: «3:1 zum Schluss packen es unsere Jungs!»
Es wurde sogar ein 3:0. Der optimistische Friedel Rausch bekam Recht.