FUSSBALL: Thiesson: Aus dem Teufelskreis

Jérôme Thiesson (28) ist in der Form seines Lebens. Der bescheidene FCL-Spieler erklärt, warum es ihm so gut läuft, und wie er mit öffentlicher Kritik umgeht.

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Befindet sich im Moment in Topform: Luzerns Jérôme Thiesson (links), hier am Sonntag im Zweikampf mit Zürichs Philippe Koch. (Bild: Keystone)

Befindet sich im Moment in Topform: Luzerns Jérôme Thiesson (links), hier am Sonntag im Zweikampf mit Zürichs Philippe Koch. (Bild: Keystone)

Interview Daniel Wyrsch

Jérôme Thiesson, schon im 3:3 ausgegangenen Heimspiel vor zwei Wochen gegen GC gehörten sie zu den Besten, am Sonntag beim 1:0-Heimsieg gegen den FC Zürich waren sie über 90 Minuten der beste Spieler auf dem Platz. Wie sind Sie in diese hervorragende Form gekommen?

Jérôme Thiesson: Ich weiss es nicht (überlegt). Es hilft natürlich, wenn es der Mannschaft läuft. Wir freuen uns, diese erfolgreiche Zeit zu haben. Ich finde, man soll den Erfolg gar nicht zu sehr hinterfragen. Ziel muss es sein, so lange wie möglich die gute Verfassung zu behalten.

Sie sprechen mit anderen Worten vom Selbstvertrauen, das bei der positiven Ausbeute von 18 Punkten aus zehn Spielen sicher vorhanden ist. Wie gross ist der Anteil der Konditionstrainer Christian Schmidt und Norbert Fischer, deren Arbeit in Luzern immer wieder gelobt wird?

Thiesson: Ich bin überzeugt, dass die körperliche Verfassung wichtig ist. Mich hatten schon in Bellinzona und dann auch in Luzern oftmals Muskelkrämpfe geplagt. Das ist heute nicht mehr der Fall. Christian Schmidt und Norbert Fischer machen beim FCL wirklich einen super Job, ich fühle mich physisch sehr fit, benötige bedeutend weniger Zeit zum Regenerieren und kann mich auf dem Platz anderen Dingen widmen als meinem Körper.

Das hat man im Spiel gegen Ihren Ausbildungsklub FCZ gesehen, Sie sorgten als stürmender Rechtsverteidiger immer wieder für gefährliche Offensivaktionen. Es war auch schon anders: Spürten Sie, dass Sie in Luzern bei den Medien und beim Publikum umstritten gewesen sind?

Thiesson: Es wäre gelogen, wenn ich jetzt behaupten würde, dass ich diese Reaktionen nicht mitbekommen hätte. Als Spieler befindet man sich in einem Teufelskreis, wenn man bei der Presse und bei den Zuschauern unten durch ist. In solchen Fällen muss man die öffentliche Kritik ernst nehmen, aber sicher nicht zu ernst. Oft wird dramatisiert – auch jetzt im Erfolgsfall. Für mich lautet das Rezept: Emotional weder in den Himmel noch in die Hölle mitgehen, sondern möglichst immer in der eigenen Mitte die Balance behalten und am Boden bleiben.

Immerhin schafften Sie es unter allen vier FCL-Trainern Murat Yakin, Ryszard Komornicki, Carlos Bernegger und Markus Babbel praktisch immer, den Stammplatz zu behalten.

Thiesson: Schon in Bellinzona, damals in der Super League, war es so gewesen. Bei den Trainern war ich nie unten durch gewesen, diese Bestätigung hat mir persönlich immer sehr gut getan.

Sie wären nicht der erste FCL-Spieler, der in der Gunst der Fans lange unten war, um dann einen grossen Sprung nach oben in der Beliebtheitsskala zu machen. Können Sie sich vorstellen, zu einer Teamstütze wie Dario Lezcano aufzusteigen?

Thiesson: Ich glaube, als Offensivspieler, wie Dario Lezcano einer ist, kann man viel mehr brillieren. Ob als Aussenverteidiger oder als Mittelfeldspieler bleibe ich in erster Linie immer den defensiven Aufgaben verpflichtet, da ist es schon ein gutes Zeichen, wenn ich nicht auffalle. Aber selbstverständlich ist es schön, wenn einem die Flanke zum entscheidenden Tor wie gegen den FCZ gelingt. Für mich geht es jetzt einfach darum, meine letzten Leistungen zu bestätigen. Ich weiss, wie schnell es auch in die andere Richtung gehen kann.

Was ist mit diesem FCL in dieser Saison möglich?

Thiesson: Sehr viel, aber auch sehr wenig. Ich meine: Wir erlebten gegen den FCZ, der in der Tabelle weit unten steht, was für eine harte Arbeit es braucht, um zu siegen. Wenn wir in jedem Spiel unsere bestmögliche Leistung aus uns herauskitzeln, dann können wir jeden Gegner bezwingen.

Wie haben Sie die anderthalb Freitage nach dem Match vom Sonntag verbracht?

Thiesson: Am Sonntagabend bin ich mit meiner Frau essen und später ins Kino gegangen. Am Montag standen bereits wieder Pflege und Physiotherapie auf dem Programm. Die englische Woche hat Spuren hinterlassen. Im Heimspiel am nächsten Samstag gegen Lugano muss ich wieder fit sein, da wollen wir erneut etwas reissen!