FUSSBALL: Das Duell des Jahres ist eines mit Pep

Am Mittwoch (20.45 Uhr) kommt es im Champions-League-Halbfinal zu einem mehr als aussergewöhnlichen Duell: Pep Guardiola trifft mit dem FC Bayern auf seinen Ex-Club Barcelona.

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Der beste Trainer der Welt, wie Barcelonas Trainer Luis Enrique Bayern-Coach Pep Guardiola bezeichnet, dirigiert am Mittwoch in seiner katalanischen Heimat. (Bild: AP/Matthias Schrader)

Der beste Trainer der Welt, wie Barcelonas Trainer Luis Enrique Bayern-Coach Pep Guardiola bezeichnet, dirigiert am Mittwoch in seiner katalanischen Heimat. (Bild: AP/Matthias Schrader)

Jürgen Knappenberger

Superlative gehören zum Fussball wie der Elfmeterpunkt. Jeder dritte Kick ist das Spiel des Jahres, jeder Durchschnittsdribbler der neue Messi und jedes Zitat ausserhalb der Floskel-Norm der Aufreger des Monats. Aber das, was am kommenden Mittwoch in Barcelona passieren wird, ist ohne den Hauch einer Übertreibung eine der bemerkenswertesten Begegnungen der letzten Jahre: Pep Guardiola trifft auf den FC Barcelona. Auf seinen Club. In seiner Stadt.

Es ist das erste Mal, dass sich Verein und Vereins-Ikone gegenüberstehen. Der verlorene Sohn kehrt zurück als Gegner. «Pep gegen Guardiola» titelte der Boulevard. Besser kann man es nicht formulieren. «Das ist Zuhause», schwärmt der Katalane über Barca. Als 13-Jähriger kam er zu diesem Club, elf Jahre war er Profi dort, vier Jahre Trainer. Allein in diesen vier Jahren, von 2008 bis 2012, holte er 14 (!) Titel. «Das erste Mal als Gegner nach Barcelona zu kommen, ist natürlich etwas Besonderes», sagt der 44-Jährige, «diese Rückkehr wird sehr emotional für mich.»

Barca blüht unter Enrique auf

Nicht nur für ihn. Auch für den Verein, die Fans und die Barca-Spieler, zu denen Guardiola ein mehr als inniges Verhältnis hatte. Die Ehrfurcht vor dem Ex begegnet einem an allen Ecken. So erzählt man sich in Barcelona, dass sich bisher niemand getraut habe, das kleine Büro zu übernehmen, das Guardiola im Stadion hatte. Nicht einmal die Möbel zu verschieben, habe man gewagt. Und hätte diese Partie vor einem Jahr stattgefunden, würde die Begegnung am Mittwoch sicher noch einen Tick wehmütiger ausfallen. Zu gross schien die Lücke, die Guardiola nach seinem Abgang hinterlassen hat. Wobei Lücke die Untertreibung des Jahrhunderts ist. Es war eine Schlucht, gegen die der Grand Canyon nur ein kleiner Spalt in der Landschaft ist. Guardiola war das Herz von Barca. Das Hirn. Die Philosophie. Guardiola war Barca.

Dass die Wehmut das Wiedersehen nicht völlig überlagert, liegt ausgerechnet an einem guten Freund des Coaches: Luis Enrique, mittlerweile selbst Trainer des Clubs, bereits der Dritte nach Guardiola. Aber die beiden verbindet viel mehr. Sie haben bei Barca und in Spaniens Nationalelf zusammengespielt, sie haben Barca B, das Nachwuchsteam des Clubs, gemeinsam gecoacht. Sie sind Freunde geworden und geblieben.

Nun macht der Kumpel dort weiter, wo Guardiola vor drei Jahren aufgehört hat. Enriques Zwischenbilanz: Tabellenführer der Primera Division, Champions-League-Halbfinalist, Finalist der Copa del Rey. Das kann sich sehen lassen. Findet auch Eric Abidal. Der ehemalige Barca-Verteidiger geht sogar einen Schritt weiter: «Ich bin mir bewusst, was Pep in Barcelona erreicht hat, und er hat auch mit Bayern eine Menge erreicht aber ich glaube, dass Barcelona besser als zuvor ist.»

Statistisch gesehen hat Abidal schon einmal Recht. Enrique hat 45 Siege in 53 Spielen. Macht 2,60 Punkte pro Spiel. Guardiola kommt auf 2,36. Aber nicht nur der Blick auf die Zahlen veranlasst Menschen wie Abidal zu ihren Einschätzungen. Denn Luis Enrique hat sich von anfänglichen Schwierigkeiten nicht beeindrucken lassen. Er sei zu streng und rotiere zu viel, lauteten die Vorwürfe. Doch der 44-Jährige schaffte es gegen alle Widerstände, Barca wiederzubeleben. Oder zumindest deutlich aufzufrischen. Die Mannschaft spielt unter ihm direkter und schneller als früher. Und Barcas Halbgott Lionel Messi blüht dank der neuen spielerischen Freiheiten, die ihm Enrique gewährt, spürbar auf. Wobei das Leben als Offensivkraft im Fussball auch deutlich angenehmer ist, wenn die Mitstreiter Luis Suarez und Neymar heissen.

Guardiola hat sich weiterentwickelt

Guardiola selbst steckt bei vielen immer noch in der Tiki-Taka-Ballgeschiebe-Schublade zu Unrecht. Auch er hat sich seit seinem Abschied aus Barcelona verändert und weiterentwickelt. Das wurde spätestens beim Pokalfinal 2014 gegen Dortmund (2:0 nach Verlängerung) deutlich, am Ende seiner ersten Saison bei den Bayern. Da bewies der Katalane zum ersten Mal eindrucksvoll, dass er von seiner Lieblingsphilosophie völlig abrücken kann, wenn es nötig ist. Dass er und seine Spieler flexibel sind. Dass er den Gegner völlig überrumpeln kann mit einem taktischen Kniff. Und in dieser Saison hat er sich in dieser Hinsicht sogar noch einmal selbst übertroffen. Der FC Bayern spielt an seinen besten Tagen so variabel, dass Positionen und Taktik im Spiel verwischen und fliessend ineinander übergehen. Jeder Spieler ist so rundum geschult, dass er auf den unterschiedlichsten Positionen eingesetzt werden kann, ohne dass das Spiel der Bayern holpert.

So gesehen hat die Trennung Guardiola Barca beiden gut getan. Dem Trainer und dem Verein. Die Zuneigung ist aber noch immer so gross, dass man sich vor dem Duell gegenseitig Honig ums Maul schmiert. «Barcelona sind die Besten», sagt Guardiola pauschal. Und wenn man berücksichtigt, dass er in diesen zwei Duellen auf die verletzten Arjen Robben, David Alaba, Holger Bad-stuber und vielleicht auch Robert Lewandowski und Franck Ribery verzichten muss, mag man ihm Recht geben. Doch Luis Enrique kontert: «Der FC Bayern hat den besten Trainer.» Bester Trainer gegen bestes Team. Bayern gegen Barca. Pep gegen Guardiola. Es wird das Duell des Jahres. Ohne Übertreibung.