Die Uefa hat entschieden: Der serbische und der albanische Verband müssen je 120 000 Franken Busse zahlen. Punkte kriegt niemand. Wir klären die wichtigsten Fragen.
Als im EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien eine Drohne, an der eine Flagge «Grossalbaniens» befestigt ist, über das Stadion kreist, eskaliert die Lage. Albanische Spieler attackieren Stefan Mitrovic, der die Flagge zu Boden reisst. In der Folge stürmen Zuschauer den Platz, schlagen auf die albanischen Fussballer ein, die sich in die Stadionkatakomben retten. Laut Burim Kukeli werden die Albaner dort auch vom Sicherheitspersonal angegriffen (siehe Nachgefragt). Der englische Schiedsrichter Martin Atkinson unterbricht die Partie, will nach Absprache mit dem Uefa-Delegierten das Stadion räumen lassen und das Spiel dann wieder aufnehmen. Die albanische Nationalmannschaft weigert sich jedoch. Die Partie wird daraufhin abgebrochen.
Das Spiel geht 3:0 Forfait zu Gunsten von Serbien aus, den Serben werden aber drei Punkte abgezogen. Beide Verbände werden mit einer Busse von 120 000 Franken bestraft. Zudem muss Serbien die beiden nächsten Heimspiele der EM-Qualifikation ohne Zuschauer bestreiten. Die Verbände können Berufung einlegen.
«Der Entscheid ist merkwürdig und inakzeptabel. Der albanische Verband wird Rekurs einlegen, um drei Punkte für einen Sieg zu erhalten», sagt Ilir Shulku, der Sekretär des albanischen Verbandes. Auch Serbiens Nationaltrainer Dick Advocaat zeigte sich mit dem Urteil nicht zufrieden: «Die Entscheidung ist eigenartig. Für die Albaner ist es gut gelaufen. Sie wollten nicht weiterspielen. Ich habe den Eindruck, dass jemand nicht möchte, dass Serbien an der EM teilnimmt.»
Die ausgesprochenen Strafen sind äusserst fragwürdig. Warum wird der serbische Verband mit einem 3:0 belohnt, von dem er wegen des Punkteabzugs gleichwohl nichts hat? Was haben sich die albanischen Fussballer zuschulden kommen lassen, um das Spiel 0:3 zu verlieren? Die Uefa hätte härter durchgreifen müssen, den Gastgeber Serbien, dessen Sicherheitspersonal auf albanische Spieler eingeprügelt hat, gar von der EM-Qualifikation ausschliessen können. Denn die Serben stehen seit einem Vorfall im Oktober 2010, als Hooligans in Italien randaliert hatten, bereits unter Beobachtung.
Die Uefa hat in Absprache mit den Verbänden keine Gästefans zugelassen. Aber sie hat es verpasst, die brisante Paarung bereits vor der Auslosung zu verhindern. Bei anderen heiklen Duellen macht sie das nämlich. Russland konnte nicht auf Georgien treffen. Auch die Paarungen Aserbaidschan - Armenien und Spanien - Georgien hat sie vorsorglich verhindert.
Die Uefa kann nicht verhindern, dass der «Fussballkrieg» zwischen Serbien und Albanien politisch ausgeschlachtet wird. Nirgendwo in Europa ist die Symbiose Fussball und Nationalismus so verhärtet wie auf dem politischen Minenfeld Balkan. Selbst drakonischere Strafen – etwa der Ausschluss beider Länder aus der Europameisterschaft 2016 – können eine in Jahrzehnten gewachsene Feindschaft nicht beenden, eher noch vertiefen.
Die Uefa hat sich bislang nicht zum Rückspiel geäussert, das am 8. Oktober 2015 in Albanien stattfinden soll. Ein Spiel auf neutralem Terrain erscheint am Vernünftigsten, doch welches Land möchte die grossen Sicherheitsvorkehrungen, die das Duell mit sich bringt, freiwillig auf sich nehmen? Und ist es fair, dass die Albaner nach Belgrad reisen mussten, die Serben aber nicht nach Tirana? Auch nach dem Uefa-Urteil bleiben noch viele Fragen offen.
Serbien - Albanien 3:0 Forfait.
* Serbien wurden von der Uefa drei Punkte abgezogen. Gegen das Urteil können Serbien und Albanien Berufung einlegen.