FUSSBALL: Römer ärgern sich über Vladimir Petkovic

Der einstige Heilsbringer Vladimir Petkovic ist in Rom – zu einem guten Teil unverdient – zum Buhmann geworden. Obwohl bei Lazio seit Wochen auf dem Schleudersitz, wird ihm nun auch seine Rückkehr in die Schweiz übelgenommen. Als Nachfolger bei Lazio ist Basel-Trainer Murat Yakin im Gespräch.

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In Rom geht man davon aus, dass Lazio-Präsident Claudio Lotito den Trainer am 26. Dezember offiziell freistellen wird. (Bild: Keystone)

In Rom geht man davon aus, dass Lazio-Präsident Claudio Lotito den Trainer am 26. Dezember offiziell freistellen wird. (Bild: Keystone)

Lazio-Präsident Claudio Lotito hat von der Verpflichtung Vladimir Petkovics als neuer Schweizer Nationaltrainer durch das Communiqué des Schweizerischen Fussballverbands vernommen. Der Reinigungsunternehmer und «Putzfrauenkönig von Rom» fühlt sich deshalb anscheinend hintergangen und soll ausser sich vor Enttäuschung sein. Auch von den Römer Lokalmedien wird Petkovic Illoyalität und Doppelzüngigkeit vorgeworfen, da er seine Kontakte zum SFV immer dementiert habe. Der vor seiner Ankunft in Rom völlig unbekannte «Nobody» habe sein Traineramt bei der SS Lazio und die glorreiche Serie A «nur als Sprungbrett für höhere Weihen» benutzt, schrieb am Dienstag der in Rom erscheinende «Corriere dello Sport» in beleidigtem Ton.

Petkovic auf Schleudersitz

Die Empörung in Rom wirkt reichlich künstlich. Angesichts der enttäuschenden Resultate von Lazio in der laufenden Meisterschaft - 17 Spiele, 20 Punkte, null Auswärtssiege, Platz zehn in der Meisterschaft – befand sich der «bosnische Kroate mit Schweizer Pass», wie sich Petkovic selber bezeichnet, auf einem Schleudersitz; die gleichen Medien, welche Petkovic nun mangelnde Loyalität vorwerfen, hatten während Wochen seinen Kopf gefordert. Nach der 4:1-Auswärtsschlappe in Verona am vergangenen Wochenende war das Schicksal Petkovics endgültig besiegelt: Lotito erklärte nach dem Spiel gegenüber dem Privatsender Sky, dass es «so nicht mehr weitergeht» und dass der Verein nun einen «Ruck» brauche. Solche Sätze entsprechen im italienischen Fussballgeschäft einem Entlassungsschreiben.

Dabei war Rom dem 50-Jährigen vor weniger als einem Jahr noch zu Füssen gelegen. Die von ihm seit dem Sommer 2012 trainierte SS Lazio lag Ende Januar nach zehn Spielen ohne Niederlage in der Serie A auf Platz zwei hinter Juventus Turin, die Tifosi träumten vom ersten Titelgewinn seit dem Jahr 2000. Aus der «Billig-Lösung aus der Schweiz», aus dem zuvor in Italien so gut wie unbekannten «Petko-wer?» war ein Fussball-Messias geworden. Dank seines gewinnenden Äusseren – Petkovic wirkt wie eine Mischung aus George Clooney und Lino Ventura – war der Lazio-Trainer auch in der Römer Damenwelt nicht unbemerkt geblieben.

Held im Cupfinal

Aus dem Gewinn der Meisterschaft wurde nach einer miserablen zweiten Saisonhälfte zwar nichts; Lazio beendete die Saison 2012/2013 auf dem 7. Platz. Doch am 26. Mai hielten die Spieler und Petkovic dennoch einen Pokal in den Händen: Lazio hatte im Römer Olympiastadion vor 70'000 Tifosi den Cupfinal gewonnen, ausgerechnet gegen den verhassten Stadtrivalen AS Roma, was den Titel noch viel schöner machte. Petkovic war noch einmal der grosse Held; der sechste Pokalsieg der Vereinsgeschichte öffnete dem himmelblau-weissen Verein auch die Tür zur lukrativen Europa League, wo sich der Verein recht wacker schlug und erst in den Viertelsfinals ausschied.

Im Nachhinein erwies sich die grenzenlose Euphorie über die Trophäe freilich als grösste Hypothek für den Trainer: Petkovics Forderungen, die Mannschaft auf die neue Saison hin um eine weitere Sturmspitze und in der chronisch überforderten Verteidigung zu verstärken, verhallten beim knauserigen Vereinspräsidenten Lotito ungehört. So blieb Lazio auf die Form und die Treffer der drei Schlüsselspieler Miroslav Klose, des Brasilianers Hernanes und des Mittelfeldstrategen Stefano Mauri angewiesen. Fielen Klose und Hernanes aus und war Mauri durch den Wettskandal «Last Bet» abgelenkt, blieb Lazio stumpf. Kapitän Mauri war zwei Tage nach dem Cupsieg gar verhaftet worden und schmorte acht Tage lang hinter Gitter. Das hat auch nicht zu mehr Ruhe innerhalb der Mannschaft beigetragen.

Petkovic vor Freistellung

Und so blieb das, was der «Corriere della Sera» am Montag als «Bilanz äusserster Mittelmässigkeit» bezeichnet hat: Petkovic gewann in seinen letzten 36 Spielen mit Lazio nur gerade 42 Punkte. Dass der Trainer seinen bis Saisonende laufenden Vertrag bei Lazio erfüllen will, ehe er im Juli sein neues Amt in der Schweiz antritt, wird ihm von den Medien nun als Raffgier angekreidet. Nur: Dass Petkovic, wie von ihm selber angekündigt, am 30. Dezember in Formello wieder das Training aufnehmen wird, um die Mannschaft auf das Spiel vom 6. Januar gegen Inter Mailand vorzubereiten, kann ausgeschlossen werden. In Rom geht man davon aus, dass Lotito den Trainer am 26. Dezember offiziell freistellen wird. Ob mit oder ohne Abfindung, wird wohl ein Gericht entscheiden müssen.

Wird Murat Yakin Nachfolger?

Als heisser Anwärter für die Nachfolge wird in Rom ein weiterer Schweizer mit Migrationshintergrund gehandelt: Der Wunsch-Trainer von Lazio-Sportdirektor Igli Tare heisst Murat Yakin, derzeit Trainer des FC Basel. Der ehemalige albanische Nationalspieler Tare und Yakin haben 2001 zusammen mit dem heutigen Lazio-Goalgetter Klose beim FC Kaiserslautern gespielt und sind seither dicke Freunde; Yakin ist gar Trauzeuge seines ehemaligen Mitspielers Tare. Lazio würde Yakin am liebsten gleich sofort unter Vertrag nehmen; weil der Trainer des FC Basel aber seinen bis Saisonende im Sommer laufenden Vertrag erfüllen will, strebt man in Rom offenbar eine Interims-Lösung mit Edy Reja an. So würde sich ein Kreis schliessen: Der grosse Schweiger aus dem Friaul war bei Lazio schon 2010 bis 2012 unter Vertrag gestanden, hatte die damals völlig desolate Mannschaft wieder stabilisiert – und im Mai 2012 an Petkovic übergeben.

Vladimir Petkovic im Gespräch mit Cristian Ledesma. (Bild: Keystone)

Vladimir Petkovic im Gespräch mit Cristian Ledesma. (Bild: Keystone)