Der Adligenswiler Stephan Lichtsteiner (31) ist der erste Luzerner, der in einem Champions-League- Halbfinal steht. Heute Abend (20.45/SRF 2) tritt er im Hinspiel mit Juventus Turin gegen Real Madrid an. Lichtsteiner sagt: «Juventus das ist ein grossartiges Team.»
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INTERVIEW TURI BUCHER
Stephan Lichtsteiner, sind Sie einverstanden: Juventus Turin ist unter den vier übrig gebliebenen Teams mit Real Madrid, FC Barcelona und Bayern München der klare Aussenseiter.
Stephan Lichtsteiner: Wer es unter die Top 4 schafft, hat schon Grosses geleistet, ist auch fähig, den Titel zu holen. Gut, von uns wird es auf dem Papier vielleicht am wenigsten erwartet, trotzdem glaube ich fest an unsere Chance, die Champions League gewinnen zu können. Natürlich muss alles passen. Wir werden um jeden Zentimeter Rasen und bis zum Letzten kämpfen.
Was könnte für Turin sprechen, was kann Juventus gegen Real Madrid in die Waagschale werfen?
Lichtsteiner: Wir haben ein grossartiges Team, wir sind eine hervorragende Mannschaft und eine verschworene Einheit. Wir haben in jeder Linie Topspieler. Wenn wir das abrufen können, was uns auszeichnet, sind wir auf Augenhöhe mit Real Madrid. Wir sind gerade in dieser Saison in der Defensive sehr stark beziehungsweise stark in unserem Defensivverhalten die Abwehrarbeit betrifft im modernen Fussball ja auch die Offensivspieler. Diese Stärke gibt uns viel Selbstvertrauen, zumal gerade die ganz grossen Titel vorwiegend über die Defensivarbeit gewonnen werden.
Juventus ist vorzeitig italienischer Meister, muss die Serie-A-Belastung sozusagen nicht mehr mittragen. Ein Vorteil für Juve gegenüber Real Madrid?
Lichtsteiner: Die Saison ist für alle lang, zumal 2014 wegen der Weltmeisterschaft ein Monat weniger Pause war. Die Belastung für die Topteams ist hoch, es gibt extrem viele Spiele, die Anzahl der verletzten Spieler mehrt sich. Das Titelrennen in Spanien ist noch sehr eng. Möglich, dass Real den einen oder anderen Spieler weniger schonen kann als wir. Das muss aber nicht unbedingt ein Vorteil für uns sein, wie wir es im vergangenen Jahr anhand des FC Bayern München gesehen haben.
Muss Juventus Turin gegen Real Madrid auf wichtige Spieler verzichten?
Lichtsteiner: Uns wird sicher der französische Nationalspieler Paul Pogba fehlen. Er hat sich leider im Viertelfinal-Rückspiel gegen Dortmund verletzt und fällt mit einem Muskelfaserriss im Oberschenkel aus.
Nun kommt es für Sie als Rechtsverteidiger also zum grossen Duell mit Cristiano Ronaldo. Was macht man gegen einen Ronaldo?
Lichtsteiner: Stimmt, es wird so sein, dass Ronaldo das Spiel auf der linken Real-Seite beginnt. Aber Ronaldo ist ja auch einer, der immer wieder in die Mitte reinzieht. Man darf ihm einfach keinen Platz lassen und muss dafür sorgen, dass er in seinem Aktionsradius möglichst stark eingeschränkt ist. Nun, Ronaldo ist einer der besten Spieler aller Zeiten, aber Real Madrid ist ja nicht nur Ronaldo. Wir müssen sehr, sehr konzentriert ans Werk gehen. Ich freue mich sehr auf diese beiden Spiele. Für solche Spiele «lebt» ein Fussballspieler.
In den Reihen von Juventus Turin steht ein anderer der ganz Grossen im Fussball Andrea Pirlo. Erzählen Sie uns was über ihn – wie charakterisieren Sie ihn, menschlich und fussballerisch?
Lichtsteiner: Pirlo ist ein ruhiger Mensch. Er redet nicht viel, lacht aber gern, ja, er ist immer wieder mal zu einem Scherz aufgelegt. Über den Fussballer Pirlo muss man nicht reden man muss nur schauen. Seine Ballbehandlung, seine Spielübersicht, seine Präsenz – das ist schlicht und einfach Weltklasse.
Wenn es Juventus Turin in den Final schafft gegen wen würden Sie lieber spielen: gegen Bayern München oder gegen den FC Barcelona?
Lichtsteiner: Wenn man in der Champions League so weit kommt, spielt der Gegner am Ende des Tages keine Rolle mehr. Aber, und das soll jetzt keine Floskel sein, so weit voraus schauen wir nicht. Wir stehen jetzt vor der Halbfinal-Aufgabe Real Madrid und wollen unbedingt in den Final.
Wie sieht Ihr Tagesablauf am Spieltag aus?
Lichtsteiner: Ob wir gegen Real Madrid oder Sassuolo spielen der Tagesablauf sieht immer gleich aus. Am Nachmittag vor dem Spieltag ist das Abschlusstraining, dann ziehen wir uns ins Hotel zurück und bereiten uns in Ruhe auf das Spiel vor. Wenn die Anspielzeit näherrückt, fahren wir mit dem Car in Richtung Stadion und schwören uns nochmals auf das Spiel ein.
Sie haben Ihren Vertrag bei Juventus Turin erst kürzlich bis 2017 verlängert. Der FC Luzern muss also nicht bei Ihnen anklopfen ...
Lichtsteiner: So ist es. Aber ich verfolge die Geschehnisse rund um den FCL, habe ein, zwei Kollegen, die mich informieren. Ich hoffe, dass bald wieder mehr Konstanz in die sportlichen Leistungen des FCL reinkommt. Aus der Distanz betrachtet stelle ich fest, dass immer wieder Unruhe im und rund um den Verein herrscht. Das ist dem sportlichen Erfolg des Klubs nicht förderlich. Der Verein benötigt eine klare, nachhaltige Philosophie, auf sämtlichen Ebenen.
Können Sie das noch etwas näher ausführen?
Lichtsteiner: Ein Beispiel: Walter Stierli ist einer, der beim FCL sehr viel auf die Beine gestellt und extrem viel geleistet hat. Er hat mit seinem Team den Verein finanziell konsolidiert und mit dem Stadion und der neuen Infrastruktur dem FC Luzern eine sehr viel versprechende Basis für eine erfolgreiche Zukunft geschaffen. Ich finde es schade, dass die Arbeit und Leidenschaft solcher Leute von aussen betrachtet so wenig gewürdigt wird. Anstatt ständige Grabenkämpfe zu führen, sollte der Verein näher zusammenrücken und sich als Einheit präsentieren. Damit wäre aus meiner Sicht ein erster Schritt in eine erfolgreichere Zukunft getan.
Juventus Turin - Real Madrid (SRF 2) heute 20.45
FC Barcelona - Bayern München (SRF 2) Mi 20.45
FC Sevilla - Fiorentina Do 21.05
Napoli - Dnjepr Dnjepropetrowsk Do 21.05