Penaltys sind Kinderkram

WM-Kolumne

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Auf der Wiese, draussen im Garten, stehen seit Beginn der WM zwei kleine Fussballtore für die Kinder. Vorgestern kamen zwei weisse Servietten dazu. Als Penaltypunkte. Das grösste Ziel der Kindergärtler ist es nun nicht mehr, ein Tor zu erzielen, sondern ein Foul zu provozieren – oder sich einfach einmal hinzulegen und «Penalty!» zu rufen.

Es ist ein Abbild der ersten zwei WM-Wochen. Fast jedes sechste Tor in der Gruppenphase war ein verwerteter Elfmeter. Eines scheint die Kinder besonders zu berühren: Die konzentrierten Gesichter der berühmten Schützen. Cristiano Ronaldo, Luka Modric, oder Lionel Messi … Penaltys als Destillat eines Fussballspiels: ­ Tor oder nicht Tor, im doppelten Wortsinn.

Dass der Penalty in den Mittelpunkt des Spiels rückt, ist ­jedoch keine schöne Entwicklung. Denn der Elfmeter ist meist die weit grössere Torchance als jene, die zuvor mit dem Vergehen im Strafraum verhindert wurde – eine grundsätzliche Schwäche in den Fussballregeln also, die der Schiedsrichter früher mit Fingerspitzengefühl ausgleichen konnte. Er konnte eine strittige Berührung im Sechzehnmeterraum, im ungefährlichen Bereich vor der Grundlinie, durchgehen lassen. Nun, mit Videobeweis, kann er nach seinem Gang vor den Fifa-Bildschirm oft nicht ­anders, als auf Penalty zu entscheiden.

Die Penaltyschwemme hat also auch mit dem Videobeweis zu tun. Natürlich, er verhindert Fehlentscheide. Die Diskussionen werden aber nicht aus der Welt geschafft, sie verschieben sich lediglich. Videobeweis oder nicht, ist nun die Frage. Vor allem, wenn die Videoschiedsrichter nicht bei jedem Spiel denselben Massstab anwenden, wie an dieser WM ­öfters gesehen.

Zudem wird die Belastung für den Schiedsrichter nicht etwa kleiner. Es gibt Fouls im Graubereich, auf die kein Video der Welt Antworten geben kann. Der Entscheid des Refs wird in diesen Fällen noch stärker als parteiisch ausgelegt als zuvor. Immerhin: Der Videobeweis wird an der WM besser angewendet als in der Bundesliga. Dennoch: Im Garten werden wir ihn nicht einführen.