Fussball-WM
Der letzte Tanz der beiden Besten: Kann Messi oder Ronaldo die unglaubliche Karriere mit dem WM-Titel krönen?

Die zwei prägendsten Spieler des neuen Jahrtausends möchten an ihrer abschliessenden Weltmeisterschaft den letzten verbliebenen Titel. Es würde ihre Karriere endgültig krönen – und könnte die Frage nach dem Besten aller Zeiten klären.

Raphael Gutzwiller
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Zaubern wohl zum letzten Mal an einer Weltmeisterschaft: Der Argentinier Lionel Messi (links) und der Portugiese Cristiano Ronaldo.

Zaubern wohl zum letzten Mal an einer Weltmeisterschaft: Der Argentinier Lionel Messi (links) und der Portugiese Cristiano Ronaldo.

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Stellen Sie sich vor: Es ist der 18. Dezember und der Beste aller Zeiten steht auf dem Rasen des Lusail Stadions in Katar. Er stemmt den Titel des WM-Pokals in die Höhe. Endlich. Alles hat er schon gewonnen: mehrmals die Champions League, viele Meistertitel, viele individuelle Titel als der Weltbeste. Und mit dem Nationalteam hat er seine Nation zur Kontinentalmeisterschaft geführt. Doch der letzte Titel, dieser Weltmeistertitel, fehlte noch. Nun tritt er als der Beste aller Zeiten ab.

Haben Sie sich jetzt Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo vorgestellt? An dieser Weltmeisterschaft in Katar findet die grosse Ära der Ausnahmekönner wohl das Ende auf Weltbühne. Beide haben alles gewonnen, träumen aber noch immer vom Weltmeistertitel. Der Auftritt in Katar soll der letzte grosse Höhepunkt werden, der sie in den Geschichtsbüchern des Weltsports ganz oben eintragen soll.

Die Glaubensfrage spaltet eine ganze Generation

Messi oder Ronaldo? Es ist unter Fussballfans lange die Frage aller Fragen. Beide lieben? Unmöglich. Zu unterschiedlich sind die beiden Genies. Hier der Zauberfloh Messi, der nur 1,70 Meter grosse Argentinier, der am Ball alles kann. Gesegnet ist er mit unglaublichem Talent. Mal spielt er den Killerpass, mal zaubert er seinen Gegenspieler Knoten in die Beine, mal schlenzt er den Ball in den Winkel.

Neben dem Platz ist er ein Mann der leisen Worte. Gibt er Interviews, gelten diese als unspektakulär. Ihm wird das oft als Bescheidenheit ausgelegt. Auf sein Äusseres legt er viele Jahre scheinbar wenig Wert, trägt mal eine Pilzfrisur, mal lange unzähmbare Haare.

Lionel Messi an der WM 2010 im Duell mit Bastian Schweinsteiger.

Lionel Messi an der WM 2010 im Duell mit Bastian Schweinsteiger.

Gero Breloer / AP

Auf der anderen Seite «CR7». Der Portugiese mit dem unbändigen Ehrgeiz und Arbeitsethos. Er ist durchaus talentiert, aber es steckt viel Arbeit hinter seinem Weg zur Tormaschine. Er ist 17 Zentimeter grösser als Messi und dadurch auch kompletter, was sein Kopfspiel angeht. Neben dem Platz wählt Ronaldo oft klare Worte und sagt, was er denkt – auch über sich selber. Eines seiner bekanntesten Zitate lautet so:

«Ich sehe mich selbst als der beste Fussballer der Welt. Wenn du nicht dran glaubst, dass du der Beste bist, dann wirst du niemals erreichen, wozu du im Stande bist.»

In der Pause verändert Ronaldo auch mal seine Frisur, auf Instagram zeigt er seinen noch immer toptrainierten, glattrasierten Oberkörper.

Jahrelange Rivalen: Lionel Messi (links) im Trikot von Barcelona, Cristiano Ronaldo im Trikot von Real Madrid.

Jahrelange Rivalen: Lionel Messi (links) im Trikot von Barcelona, Cristiano Ronaldo im Trikot von Real Madrid.

AP

Auf dem Platz sind die beiden viele Jahre lang die mit Abstand besten Fussballer der Welt. Es ist nicht möglich, die Geschichte des einen ohne den anderen zu erzählen. Als direkte Kontrahenten, Messi bei Barcelona, Ronaldo bei Real Madrid, pushen sie sich jahrelang gegenseitig zu Höchstleistungen.

Ein Torrekord jagt den nächsten. Messi ist siebenfacher Weltfussballer, Ronaldo hat fünf Mal den Ballon d’Or gewonnen. Nur mit dem Nationalteam will es für beide lange nicht klappen. Zu gross der Druck, zu schwach die Mitspieler. Doch selbst diesen Fluch legen sie ab, Ronaldo holt mit Portugal 2016 den EM-Titel, Messi gewinnt mit Argentinien 2021 die Copa América.

Cristiano Ronaldo stemmt 2016 den EM-Pokal in die Höhe.

Cristiano Ronaldo stemmt 2016 den EM-Pokal in die Höhe.

AP

Und nun die wohl letzte Weltmeisterschaft der beiden. Der Glanz blättert langsam etwas ab, das Alter zeigt selbst bei den beiden Ausnahmekönner Spuren. Ronaldo ist inzwischen 37, Messi 35. Der Argentinier tut sich nach dem Wechsel von Barcelona zu Paris St. Germain schwer. Nach Jahren, in denen in Barcelona alles auf ihn ausgerichtet war, stehen mit Neymar und Kylian Mbappé plötzlich seine Mitspieler im Rampenlicht.

Messi kommt in seiner ersten Saison in der französischen Liga lediglich auf sechs Tore. Doch in diesem Herbst kommt die Renaissance, er zaubert und trifft wieder regelmässig. Er ist wieder der Zauberfloh von früher. Die Vorzeichen für einen WM-Triumph stehen gut, Messis Mitspieler im Nationalteam gelten als so stark wie noch nie.

Zaubert bei PSG zuletzt wieder: Lionel Messi.

Zaubert bei PSG zuletzt wieder: Lionel Messi.

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WM-Titel könnte die Frage klären, wer besser ist

Auch an Ronaldo nagt das Alter. Bei Manchester United spielt er kaum und geht damit schlecht um. Kürzlich sagte er in einem Interview mit dem Starmoderator Piers Morgan über Trainer Erik ten Hag, dass er keinen Respekt vor dem Holländer habe. Sein Klub kündigte rechtliche Schritte an. Auch im Nationalteam glänzt Ronaldo nicht mehr wie früher. 2022 hat er bisher nur zwei Länderspieltore erzielt – beide gegen die Schweiz.

Cristiano Ronaldo ist bei Manchester City nicht mehr glücklch.

Cristiano Ronaldo ist bei Manchester City nicht mehr glücklch.

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Doch auch Portugal zählt an dieser WM zum Favoritenkreis. Die junge Generation der Portugiesen verfügt über grosse Qualität mit vielen Weltklassespielern. Was passiert, sollte es mit dem Titel wirklich klappen? Ronaldo wählt auch hierbei einmal mehr klare Worte: «Dann trete ich zurück. Zu 100 Prozent.»

Die Chancen für den WM-Titel sind intakt für Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Es würde ihre Karriere endgültig krönen – und könnte die Frage nach dem Besten aller Zeiten klären.

Diese Jungtalente könnten Messi und Ronaldo die Show stehlen

Jamal Musiala, 19, Deutschland: Noch in der U21-Nati spielte er für England, nun kickt er bei den Grossen für sein zweites Land in seiner Brust: Deutschland. Und dort ist Musiala, der am Ball alles kann, bereits der grosse Unterschiedsspieler. Sonst zieht der aufregende Spieler die Fäden bei Bayern München.
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Jude Bellingham, 19, England: Mit 17 wechselte er aus Birmingham zu Borussia Dortmund, mit 19 führt er das Team ab und an als Captain an. Er ist der geborene Leader, auf dem Platz ein Antreiber. Der einzige England-Spieler, der nicht in der Premier League kickt, soll nun die «Three Lions» zum Triumph führen.
Pedri, 19, Spanien: Mit 17 debütierte Pedri schon bei Barcelona, mit 19 ist er dort bereits der wichtigster Spieler. Der Ballkünstler lässt mal Verteidiger ins Leere laufen, spielt dann millimetergenaue Pässe oder haut den Ball einfach trocken in den Winkel. Nun führt er die neue Generation Spaniens an der WM an.
Kylian Mbappé, 23, Frankreich: Mit 19 schon Weltmeister und vierfacher Torschütze in Russland, inzwischen ist er der absolute Superstar von Paris St. Germain – obwohl auch Neymar und Messi dort spielen. Ist schon jetzt einer der ganz grossen Namen an der WM und gilt als kommender Weltfussballer.
Vinícius Júnior, 22 Als er mit 18 nach Europa wechselte, kannte ihn kaum jemand. Real Madrid bezahlte dennoch 45 Millionen Euro. Vier Jahre später ist der wirblige Flügelspieler Fixpunkt im Real-Spiel, hat in 191 Spielen für die Königlichen 94 Torbeteiligungen. Nun will er für die Seleção glänzen.
Noah Okafor, 22, Schweiz: Natürlich ist da Wunschdenken dabei, aber wieso auch nicht: Noah Okafor kann die grosse Nummer dieser WM werden. Bei Salzburg hat sich der Basler der Weltspitze angenähert, hat auch in der Champions League gross aufgespielt. Sein Stern könnte an der WM endgültig aufgehen.

Jamal Musiala, 19, Deutschland: Noch in der U21-Nati spielte er für England, nun kickt er bei den Grossen für sein zweites Land in seiner Brust: Deutschland. Und dort ist Musiala, der am Ball alles kann, bereits der grosse Unterschiedsspieler. Sonst zieht der aufregende Spieler die Fäden bei Bayern München.

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