Die zwei prägendsten Spieler des neuen Jahrtausends möchten an ihrer abschliessenden Weltmeisterschaft den letzten verbliebenen Titel. Es würde ihre Karriere endgültig krönen – und könnte die Frage nach dem Besten aller Zeiten klären.
Stellen Sie sich vor: Es ist der 18. Dezember und der Beste aller Zeiten steht auf dem Rasen des Lusail Stadions in Katar. Er stemmt den Titel des WM-Pokals in die Höhe. Endlich. Alles hat er schon gewonnen: mehrmals die Champions League, viele Meistertitel, viele individuelle Titel als der Weltbeste. Und mit dem Nationalteam hat er seine Nation zur Kontinentalmeisterschaft geführt. Doch der letzte Titel, dieser Weltmeistertitel, fehlte noch. Nun tritt er als der Beste aller Zeiten ab.
Haben Sie sich jetzt Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo vorgestellt? An dieser Weltmeisterschaft in Katar findet die grosse Ära der Ausnahmekönner wohl das Ende auf Weltbühne. Beide haben alles gewonnen, träumen aber noch immer vom Weltmeistertitel. Der Auftritt in Katar soll der letzte grosse Höhepunkt werden, der sie in den Geschichtsbüchern des Weltsports ganz oben eintragen soll.
Messi oder Ronaldo? Es ist unter Fussballfans lange die Frage aller Fragen. Beide lieben? Unmöglich. Zu unterschiedlich sind die beiden Genies. Hier der Zauberfloh Messi, der nur 1,70 Meter grosse Argentinier, der am Ball alles kann. Gesegnet ist er mit unglaublichem Talent. Mal spielt er den Killerpass, mal zaubert er seinen Gegenspieler Knoten in die Beine, mal schlenzt er den Ball in den Winkel.
Neben dem Platz ist er ein Mann der leisen Worte. Gibt er Interviews, gelten diese als unspektakulär. Ihm wird das oft als Bescheidenheit ausgelegt. Auf sein Äusseres legt er viele Jahre scheinbar wenig Wert, trägt mal eine Pilzfrisur, mal lange unzähmbare Haare.
Auf der anderen Seite «CR7». Der Portugiese mit dem unbändigen Ehrgeiz und Arbeitsethos. Er ist durchaus talentiert, aber es steckt viel Arbeit hinter seinem Weg zur Tormaschine. Er ist 17 Zentimeter grösser als Messi und dadurch auch kompletter, was sein Kopfspiel angeht. Neben dem Platz wählt Ronaldo oft klare Worte und sagt, was er denkt – auch über sich selber. Eines seiner bekanntesten Zitate lautet so:
«Ich sehe mich selbst als der beste Fussballer der Welt. Wenn du nicht dran glaubst, dass du der Beste bist, dann wirst du niemals erreichen, wozu du im Stande bist.»
In der Pause verändert Ronaldo auch mal seine Frisur, auf Instagram zeigt er seinen noch immer toptrainierten, glattrasierten Oberkörper.
Auf dem Platz sind die beiden viele Jahre lang die mit Abstand besten Fussballer der Welt. Es ist nicht möglich, die Geschichte des einen ohne den anderen zu erzählen. Als direkte Kontrahenten, Messi bei Barcelona, Ronaldo bei Real Madrid, pushen sie sich jahrelang gegenseitig zu Höchstleistungen.
Ein Torrekord jagt den nächsten. Messi ist siebenfacher Weltfussballer, Ronaldo hat fünf Mal den Ballon d’Or gewonnen. Nur mit dem Nationalteam will es für beide lange nicht klappen. Zu gross der Druck, zu schwach die Mitspieler. Doch selbst diesen Fluch legen sie ab, Ronaldo holt mit Portugal 2016 den EM-Titel, Messi gewinnt mit Argentinien 2021 die Copa América.
Und nun die wohl letzte Weltmeisterschaft der beiden. Der Glanz blättert langsam etwas ab, das Alter zeigt selbst bei den beiden Ausnahmekönner Spuren. Ronaldo ist inzwischen 37, Messi 35. Der Argentinier tut sich nach dem Wechsel von Barcelona zu Paris St. Germain schwer. Nach Jahren, in denen in Barcelona alles auf ihn ausgerichtet war, stehen mit Neymar und Kylian Mbappé plötzlich seine Mitspieler im Rampenlicht.
Messi kommt in seiner ersten Saison in der französischen Liga lediglich auf sechs Tore. Doch in diesem Herbst kommt die Renaissance, er zaubert und trifft wieder regelmässig. Er ist wieder der Zauberfloh von früher. Die Vorzeichen für einen WM-Triumph stehen gut, Messis Mitspieler im Nationalteam gelten als so stark wie noch nie.
Auch an Ronaldo nagt das Alter. Bei Manchester United spielt er kaum und geht damit schlecht um. Kürzlich sagte er in einem Interview mit dem Starmoderator Piers Morgan über Trainer Erik ten Hag, dass er keinen Respekt vor dem Holländer habe. Sein Klub kündigte rechtliche Schritte an. Auch im Nationalteam glänzt Ronaldo nicht mehr wie früher. 2022 hat er bisher nur zwei Länderspieltore erzielt – beide gegen die Schweiz.
Doch auch Portugal zählt an dieser WM zum Favoritenkreis. Die junge Generation der Portugiesen verfügt über grosse Qualität mit vielen Weltklassespielern. Was passiert, sollte es mit dem Titel wirklich klappen? Ronaldo wählt auch hierbei einmal mehr klare Worte: «Dann trete ich zurück. Zu 100 Prozent.»
Die Chancen für den WM-Titel sind intakt für Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Es würde ihre Karriere endgültig krönen – und könnte die Frage nach dem Besten aller Zeiten klären.