Mario Balotelli hat seinen ersten Arbeitstag als Spieler des FC Sion hinter sich. Im Heimspiel am Samstag gegen Basel zeichnet sich mindestens ein Teileinsatz ab. An der Pressekonferenz spricht er über Ziele, über seine Vergangenheit und über das erste Rendez-vous mit den Constantins.
Ein Dutzend Kameras, zwei Dutzend Pressevertreter und ein Sitzplatz auf dem Podium des nüchternen Medienraums im Sittener Stade de Tourbillon – das war Mario Balotellis erste Bühne im Schweizer Fussball, im FC Sion. Nach dem morgendlichen Training im Riddes, der Premiere mit seinen neuen Mannschaftskollegen, war das wohl der zweite Moment, wo der 32-Jährige gespürt hat, dass sich Glanz und Gloria etwas entfernt haben.
Ob es den Exzentriker gestört hat, dass hierzulande alles ein bisschen kleiner und ruhiger ist als anderswo? Eine Antwort Balotellis während der rund 25-minütigen Vorstellungsrunde lässt folgenden Schluss zu: Mario Balotelli hat nach eigener Auskunft einen ruhigen Flecken zum Arbeiten und Leben gesucht und ihn im Wallis gefunden. Mario Balotelli hat nach einer Tour quer durch Europa und der Türkei die Nähe zu seiner Heimat Italien und Brescia gesucht. Wo ist er fündig geworden? Ausgerechnet beim FC Sion.
Balotellis kurzer und mehrsprachiger «Hock» mit den ausschliesslich inländischen Journalisten verlief ruhig, weder aufregend noch spektakulär. Bei einigen Antworten gab er ganz den Profi. Er und das Team würden alles geben, um erfolgreich zu sein. Er sei hier, um einen Titel zu gewinnen, das habe er in seiner Karriere schon ein Weilchen nicht mehr geschafft. Er habe einen guten, ersten Eindruck von Trainer und Mitspielern gewonnen. Er sei bereit, in der Mannschaft Verantwortung zu übernehmen.
Ein bisschen tiefer oder zumindest etwas ausführlicher ging Sittens neuer VIP-Spieler auf andere Fragen ein.
Mario Balotelli über…
…seine letzten zwei Monate in der Türkei:
«Ich habe mich dort zuletzt nicht mehr so wohlgefühlt. Dem Präsidenten und dem Management von Adana Demirspor sagte ich schon vor dem Sommercamp, dass ich mich verabschieden will.»
…den Zwist nach einem Spiel am letzten Wochenende mit dem italienischen Adana-Trainer Vincenzo Montella:
«Das hatte mit meinem Abschied nichts zu tun. Der Trainer hat nur ein paar Sekunden die Kontrolle verloren und die Medien haben viel, viel mehr daraus gemacht, als es eigentlich war. Wir gerieten ja nicht einmal direkt aneinander. Die Freundschaft zu und mit Montella bleibt, wie sie ist.»
…das erste Rendez-vous mit der Familie Constantin:
«Wir trafen uns am 29. Juni zum ersten Mal. Mein Feeling mit Christian und Barthélémy Constantin war durchwegs gut, sonst wäre ich jetzt nicht hier. Sie haben sich sehr bemüht um mich. Zu 98 Prozent war für mich ziemlich schnell klar, dass ich nach Sitten wechseln will.»
…sein langes Schweigen in der Öffentlichkeit bezüglich eines Transfers:
«Ich war ein Angestellter von Demirspor und hatte einen Vertrag bis 2024. Da muss ein Spieler seinem Arbeitgeber gegenüber respektvoll und auch vorsichtig sein, was er nach aussen sagt. Ich verstehe schon, dass die Medien möglichst viel schreiben und Gerüchte kommentieren wollen, aber es war schon gut, dass man von mir nichts hörte. Ich musste einfach Geduld aufbringen und bin nun sehr froh, dass der Wechsel geklappt hat.»
…seinen neuen, noch zu bestimmenden Wohnort:
«Ich habe keinen Helikopter, um zwischen Sitten und Brescia hin und her zu pendeln (lacht), fall sihr das meint. Die Schweiz bietet Lebensqualität, sie wird mir gefallen. Sie bietet Ruhe, viel mehr Ruhe als anderswo. Hier werde ich leben, nahe an den Bergen, aber natürlich werde ich ein paar Freitage am Stück nützen, um nach Italien zu fahren. Mehr aber auch nicht.»
...Paolo Tramezzani und mit ihm einen Landsmann als Trainer zu haben:
«Das ist grundsätzlich eine gute Sache, aber nicht entscheidend. Persönlich habe ich ihn noch nicht gekannt, aber mein erstes Gespräch mit ihm verlief positiv. Mir gefällt seine Persönlichkeit.»
…seine Kenntnisse der Schweizer Super League:
«Ich kenne einige Teams und Spieler, viel mehr aber auch nicht. Wie der Schweizer Fussball tickt, weiss ich nicht, aber das ändert bald. Vom FC Sion habe ich als Jungprofi zum ersten Mal etwas gehört. Aus meiner neuen Mannschaft kenne ich zum Beispiel Wylan Cyprien, mit ihm spielte ich in Nizza zusammen. Ich freue mich sehr, ihn hier wieder zu treffen.»
…seinen Fitnessstand und die mögliche Premiere am Samstag gegen den FC Basel:
«Ich bin nicht ganz bei 100 Prozent und nicht bereit für 90 Minuten, aber für einen Teileinsatz ganz sicher. Mir fehlt aus der Türkei eine Woche Training, die ich aus gesundheitlichen Gründen verpasst habe.»
…seinen Kontakt mit Gennaro Gattuso, der vor einem Jahrzehnt beim FC Sion war:
«Er erzählte mir von seiner Zeit hier, vom Präsidenten, dem Verein. Er hat mich vor den kalten Wintermonaten gewarnt, aber ich solle die Chance nützen.»
…seinen seit Jahren zweifelhaften Ruf:
«Das interessiert mich überhaupt nicht. Viele Menschen reden und urteilen über mich, ohne mich zu kennen. Deren Meinung ist mir egal. Für mich ist massgebend, was mein Umfeld sagt, das mich auch privat kennt.»
…sein Verhältnis zur italienischen Nationalmannschaft:
«An die denke ich im Moment überhaupt nicht. Meine Konzentration gilt dem FC Sion. Wenn ich mal wieder ein Aufgebot erhalte, bin ich zufrieden, wenn nicht, dann nicht.»
Das spannende Experiment zwischen Mario Balotelli und dem FC Sion hat begonnen. Das Kribbeln im Fussball-Wallis ist über Nacht riesig geworden. Der Verein hat innert 24 Stunden 2’000 neue Instagram-Follower gewonnen und gegen 400 Bestellungen für das Balotelli-Trikot zum Stückpreis von 137 Franken erhalten.