Heute spielt Langnau in Zug. Mit dabei: Verteidiger Claudio Cadonau, der nächste Saison die Seiten wechselt.
Mittwochnachmittag, 14 Uhr: Keine Nebelsuppe wie in der Zentralschweiz, in Langnau herrscht ein Traumwetter. Vier eifrig plaudernde Buben im Primarschulalter schlendern in Richtung Ilfis-Eishalle, wo die SCL Tigers zu Hause sind – ihr Ziel ist der um diese Zeit geöffnete Fanshop. Draussen vor dem «Bistro 46», der Stadion Sports Bar, steht telefonierend Claudio Cadonau, Verteidiger der Langnauer. Er wirkt gut aufgelegt und ausgeschlafen. Keine Selbstverständlichkeit, spielten die Emmentaler doch abends zuvor in Davos, wo sie die Partie 3:5 verloren und erst um 2 Uhr nachts nach Hause kamen. «Es war etwas frustrierend, trotz 1:0-Führung war die Energie nicht da. Wir mussten etwas dezimiert antreten, ab der Hälfte hatten wir nur noch fünf Verteidiger», resümierte der 31-Jährige. Aus den letzten sechs Partien bis vor der gestrigen Partie resultierten nur zwei Siege, beide gegen die Tessiner aus Lugano und Ambri. «Wir würden gerne mehr Tore schiessen. Ausserdem läuft das Überzahlspiel nicht so, wie wir es von letzter Saison her gewohnt sind.»
Und dennoch: Die Tigers befinden sich mit einem kleinen Polster auf Playoff-Kurs. Die kleine Baisse macht Cadonau, der seine zweite Saison bei den Langnauern spielt, nicht viel aus: «Die meisten hier sind sich gewohnt, dass es auch wieder schlechtere Phasen geben kann.»
So schnell lässt man sich in Langnau nicht verrückt machen. Eher die Gegner, denen die Spielweise der Tigers nicht liegt. So auch den Zugern nicht. Zwei Mal hatten sie diesen Herbst in der Ilfishalle anzutreten. Die erste Partie verloren sie verdientermassen 3:5. Beim 3:2-Sieg in der zweiten Begegnung drehten sie einen zweimaligen Rückstand noch, mussten in diesem Spiel aber «viel Dreck fressen», ein Charaktertest war das sozusagen. «Wir müssen dieses Kampfhockey spielen, weil wir nicht das Talent von Zug haben. Wir spielen exakt in einem System, das macht uns stark und macht es mühsam für den Gegner.»
Cadonau selber ist so ein Spieler, der dem Gegner unter die Haut gehen kann. Auf die Frage, wie er sich selber beurteilt, sagt er: «Ich bin ein Spieler, der hart spielt, Grenzen auslotet. Gegen mich spielt niemand gerne, weil es weh tut. Das ist es, was der EV Zug wohl gesucht hat.» Damit erwähnte er den Transfer, den die Zuger jüngst gemacht haben. Mit Johann Morant verlieren sie im Frühjahr an die ZSC Lions einen Spieler, der Härte und Robustheit verkörpert. Diese Rolle dürfte dann ab dem kommenden Herbst Cadonau übernehmen.
Claudio Cadonau stammt aus der Organisation der ZSC Lions, die ersten Eishockey-Gehversuche unternahm er in Urdorf. Das Einzelkind wuchs in Unterengstringen im Limmattal auf. Zuhause wurde Romanisch gesprochen, die Mutter stammt aus Waltensburg in der Surselva. «Noch heute spreche ich bei ihr zuhause Romanisch, im Bündnerland redet praktisch jeder diese Sprache, sie wird fleissig genutzt. Sogar meine Freundin, die aus Aarwangen kommt, besucht einen solchen Sprachkurs», widerspricht er den Skeptikern, die glauben, die Sprache stehe kurz vor dem Aussterben.
Mit 17 Jahren, im Elite-Alter, der höchsten Juniorenstufe, kam sie dann, die Chance. Ganz unverhofft. «Es war im Sommertraining, da stolperte ZSC-Trainer Dave Chambers in den Kraftraum. Er teilte mir mit, dass ich fortan das Sommertraining mit den ZSC Lions absolvieren würde. Plötzlich hatte ich einen Helm mit Nummer in der Hand, mein Platz in der Kabine war angeschrieben. Ich kannte vorher nur die Junioren. Ab diesem Zeitpunkt realisierte ich: Eine Profikarriere ist möglich.» Das war im Jahr 2007. Es dauerte allerdings bis 2018, ehe er sich in der höchsten Liga endgültig etablieren konnte. 38 Spiele für die ZSC Lions, 117 für Biel, 1 Spiel für Langnau: Das ist überschaubar für elf Jahre Profitum.
Dazwischen spielte er beim Swiss-League-Spitzenklub Langenthal. Dort lernte er den jetzigen Langnau-Trainer Heinz Ehlers kennen. Und den jetzigen EVZ-Sportchef Reto Kläy. Auch wegen diesen beiden wird er erstmals vier Jahre ununterbrochen in der National League spielen. Für zwei Jahre hat er nämlich in Zug unterschrieben. Auf Nachfrage antwortete er: «Ein Spätzünder? Ja, das darf man so sagen.» Unter Ehlers geniesst Cadonau viel Vertrauen, darf auch Powerplay spielen. «Ich habe zwar einen guten Schuss, meine Kernkompetenz ist aber nicht das Skoren.» Einen guten Schuss haben in Zug nicht viele Verteidiger. Cadonau: «Zug ist eine Toporganisation, das weiss jeder. Ich erhalte eine Chance, die nicht selbstverständlich ist. Die Ambitionen sind da hoch, das ist eine neue Herausforderung für mich.»
Für die Zeit nach dem Eishockey hat Cadonau vorgesorgt. Er besuchte eine Handelsmittelschule mit Praktikum, hat den Bachelor für Betriebswirtschaft abgeschlossen und absolviert aktuell ein Master Wirtschaftsrecht, «genau wie Zug-Goalie Leonardo Genoni», sagt er schmunzelnd. Ob dieser gegen die SCL Tigers bereits wieder im Tor stehen wird, spielt für ihn keine Rolle: «Zug ist läuferisch stark, hat viel Talent: Es mag nur wenige Fehler ertragen. Wir müssen sicher sehr wach sein und auf sein Tempo gefasst sein.»
Und die Zuger werden sich auf harte Duelle mit Claudio Cadonau gefasst machen müssen. Noch vier Partien lang. Danach werden sie froh sein, diesen unerschrockenen Verteidiger in den eigenen Reihen stehen zu haben.