Sie stammen aus dem gleichen Dorf im Appenzellerland, sind zwischen 47 und 50, treffen sich einmal pro Woche und jassen oder spielen Boule. Pius, Qualitätsmanager, Appenzell David, Lehrer, Speicher AR Tobias, Consultant, Zürich Flavio, Sozialarbeiter, Kirchberg SG François, Journalist, Windisch
François: Nächsten Freitag beginnt eine neue Zeitrechnung im deutschen Fussball. Uli Hoeness zieht sich beim FC Bayern München zurück und wird sein Amt als Präsident abgeben.
Pius: Ich kann mir die Bayern ohne ihn gar nicht vorstellen. Seit ich Bundesliga gucke, ist der Hoeness präsent.
David: Da lief doch kürzlich diese Doku über ihn im deutschen Fernsehen. Da sieht man ihn, wie er als Manager mit Festnetz-Telefon und Taschenrechner im Büro sitzt. Da sieht man ihn auch, wie er sich als Spieler vermarktet, in dem Fans ein Frühstück bei ihm zu Hause buchen können. Hoeness ist ein Macher aus einer anderen Zeit, der aber auch im digitalen Zeitalter nicht aus der Zeit gefallen ist.
Tobias: Ja, das ist erstaunlich, beinahe mysteriös, wie so vieles andere auch in seinem Leben. Nehmen wir die Daum-Kokain-Affäre. Da denkt man doch: Was hat den Hoeness geritten, so unbedarft über den verschnupften Daum zu reden. Wäre Daum nicht auf die stupide Idee gekommen, freiwillig einen Haartest zu machen und somit den Beweis für seinen Kokainkonsum zu liefern – Hoeness wäre mit seinen Anschuldigungen geliefert gewesen. Oder die Sache mit dem Flugzeugabsturz in den 80er-Jahren. Vier Passagiere drin, drei sterben, einer überlebt. Natürlich der Hoeness.
Flavio: Ein Glückskind halt, sieht man mal von der Steueraffäre ab.
François: Und von seinem viel zu frühen Karriereende als Spieler.
Tobias: Vor allem aber war Hoeness ein brillanter Manager. Stellt euch vor: Als Hoeness 1979 mit 27 ins Management wechselte, hatte Bayern bei zwölf Millionen Mark Umsatz sieben Millionen Mark Schulden. Und heute wissen sie kaum, wohin mit dem Geld.
David: Und erst der Entertainer Hoeness. Heute kriegst du nur noch Statements, die von einer Armada von Pressefritzen und Beratern glattgebügelt worden sind. Hoeness tickt anders. Es war vielleicht nicht immer zu seinem Vorteil, wenn er unverblümt Auskunft gab. Dafür hat er uns kolossal unterhalten. Eines meiner Lieblingszitate (zückt sein Smartphone): "Wenn Klinsmann Obama ist, dann bin ich Mutter Theresa."
François: Mit Klinsmann als Trainer war er nicht wirklich glücklich. Guckt mal, der ist auch gut: "Jupp Heynckes hat einen Flipchart und fünf Eddingstifte. Damit malt er die Aufstellung des Gegners auf die Tafel und sagt ein paar Takte. Mit Heynckes gewinnen wir für 12.50 Euro, bei Klinsmann haben wir viel ausgegeben und wenig Erfolg gehabt."
Pius: Ein anderes, beliebtes Hoeness-Opfer war Lothar Matthäus. "Wenn Matthäus Bundestrainer geworden wäre, das wäre wie wenn der Chefspion des KGB Bundeskanzler geworden wäre."
Flavio: Oder dieser Satz, der ist auch köstlich. "Eine Biografie? Von mir? Never ever! Wenn ich die Wahrheit über das, was ich alles erlebt habe, schreiben würde, müsste man zehn Bände machen – und ich müsste nach der Veröffentlichung nach Australien auswandern."
Pius: Oder den: "Ich bin kein Besserwisser, sondern ein Bessermacher."
Tobias: Und wie wärs damit? "Ich werde dem Verein solange dienen, bis ich nicht mehr atmen kann."
David: So viel ich weiss, atmet Uli Hoeness noch. Also, alles halb so schlimm von wegen Abschied und Tränen und so.