HANDBALL: Andy Schmid: «So machen wir unseren Sport kaputt»

Wegen des Terminstreits zwischen Bundesliga und Champions League müssen die Rhein-Neckar Löwen am Samstag zwei Spiele fast gleichzeitig bestreiten. Der Fokus liegt auf der Liga.

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Andy Schmid und seine Teamkollegen wurden von Lemgo nicht gefordert (Archivbild) (Bild: KEYSTONE/dpa/UWE ANSPACH)

Andy Schmid und seine Teamkollegen wurden von Lemgo nicht gefordert (Archivbild) (Bild: KEYSTONE/dpa/UWE ANSPACH)

Im Terminstreit um das Cham­pions-League-Spiel der Rhein-Neckar Löwen blieb die Europäische Handball-Föderation (EHF) hart. Weil der kontinentale Dachverband ein Kompromissangebot des deutschen Meisters abschmetterte, ist der Traum des Bundesliga-Tabellenführers von einem Triumph in der Königsklasse 2018 endgültig dahin. «Es gibt keine Möglichkeit, den Spieltermin zu ändern», sagte ein EHF-Sprecher. «So machen wir unseren Sport kaputt», schimpfte Löwen-Captain Andy Schmid über die peinliche Posse der Verbände. Zu gern hätte der 34-jährige Luzerner, der geniale Spielmacher, nach zwei Meistertiteln hintereinander in diesem Jahr auch um die Trophäe in der Champions League gespielt. Doch daraus wird nichts. Eine Verlegung des Achtelfinal­hinspiels bei KS Kielce vom Samstag auf den Sonntag lehnte die EHF ab. Die Partie werden die Löwen nun mit ihren Amateuren aus der 3. Liga bestreiten.

Der unrühmliche Doppelspieltag der Löwen ist das Ergebnis einer peinlichen Posse im Streit zwischen der Handball-Bundesliga (HBL) und der EHF. Die HBL hatte das Spiel ohne Rücksicht auf die Champions League angesetzt, auch weil sie sich durch die spielfreie Fussballbundesliga eine hohe TV-Quote verspricht. Mehrere Kompromissversuche scheiterten, das Ergebnis kennt eigentlich nur Verlierer. Und das, bevor beide Partien überhaupt angepfiffen sind.

Das Handy von Andre Becht­hold steht dieser Tage kaum noch still. Schliesslich ist der Trainer der zweiten Mannschaft der Rhein-Neckar Löwen seit der Eskalation im Terminstreit um die Champions League plötzlich ein gefragter Mann. Während die Profis am Samstag (18.10 Uhr, ARD) im Bundesliga-Spitzenspiel beim THW Kiel ihre «Mission Titelverteidigung» fortsetzen, muss die von Bechthold und Michel Abt betreute Reserve im Achtelfinal der Königsklasse fast zeitgleich beim polnischen Serienmeister Vive Kielce antreten – ein Himmelfahrtskommando.

Das Rückspiel wird zur Farce

Die Aussicht, mit seiner Drittligaauswahl auf dem grösstmöglichen internationalen Parkett anzutreten, habe er «zunächst für einen Scherz gehalten», erzählte Ex-Profi Bechthold zuletzt. Doch weil beim deutschen Meister aus Mannheim das Ligatopspiel inklusive Liveübertragung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Priorität besitzt, wurde aus dem vermeintlichen Spass schnell bitterer Ernst. Die Zahl der Anrufe und Nachrichten sei daraufhin «extrem gestiegen», berichtet Bechthold. Während die Verantwortlichen und Spieler der ersten Mannschaft sich ganz auf das Gastspiel in Kiel konzentrieren, steht nämlich nun auch die Zweitvertretung im Fokus. «Für unsere Spieler freuen wir uns», gibt Bechthold deshalb zu: «Auf der anderen Seite ist es aber eine Katastrophe für unsere erste Mannschaft.» Sein Trainerkollege Abt kündigte an, man werde ganz getreu dem Vereinsnamen «kämpfen wie die Löwen, damit wir uns am Ende als Team nichts vorzuwerfen haben».

Erwartet wird von der Mischung aus A-Jugendlichen und weiteren Nachwuchsspielern allerdings nichts. Auch intern gilt eine Niederlage mit rund 20 Toren Unterschied als einkalkuliert, das Rückspiel am Ostersonntag (1. April) verkommt damit zu einer Farce.

Die Champions League, eigentlich doch der prestigeträchtigste Klubwettbewerb, wird vom vermeintlich aussichtsreichsten deutschen Kandidaten also ­aufgrund von Verbandsstreitigkeiten einfach abgeschenkt. Der Imageschaden für den gesamten Sport ist gewaltig. «Für den Handball ist das eine Katastrophe», sagte Löwen-Sportchef Oliver Roggisch der «Welt»: «Wir mussten uns entscheiden: Was ist realistischer – wieder Meister zu werden oder die Champions League zu gewinnen?» Also konzentrieren sich die Löwen auf die Bundes­liga, wo sie als Tabellenführer auf bestem Weg zum dritten Titel­gewinn in Serie sind. Nach zuletzt elf Siegen hat die Mannschaft von Nikolaj Jacobsen trotz eines Spiels weniger derzeit zwei Punkte Vorsprung auf die zweitplatzierte SG Flensburg-Handewitt.

Pirmin Closse (SID), Mannheim

sport@luzernerzeitung.ch