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Harry Knüsel ist für das Schwingfest in Zug der vielbeschäftigte, gefühlte Gastgeber. Er ist überzeugt, dass er nicht mehr lange der einzige Innerschweizer König sein wird.
Im April fragen wir Harry Knüsel ein erstes Mal an. Wir wollen einen Videobeitrag im Hinblick aufs «Eidgenössische» produzieren. Er, die Innerschweizer Schwinger-Ikone, soll technische Details erklären. Knüsel, ausgesprochen höflich, sagt am Telefon zu. Er sei im Stress, ob wir per E-Mail den Termin fixieren könnten. Wir senden ihm die Terminvorschläge umgehend. Dann hören wir lange nichts. Anfang Mai haken wir nach. Er entschuldigt sich, er habe so viel um die Ohren. Ob er die Fragen vorab per Mail haben könne. Wir kommen der Bitte nach. Und warten. Die Zeit drängt, das Nachfragen wird ungeduldiger. Es ist bereits Juli, als das Mail von Knüsel kommt: «Hat sich das mit dem Fragenkatalog fürs Video-Interview erledigt?»
Die Anfrage hatte sich tatsächlich erledigt. Dennoch versuchen wir, den König für den vorliegenden Text zu interviewen. Diesmal probieren wir es per SMS. Wann hätten Sie Zeit? Keine Antwort. Wir rufen an. Knüsel sagt, wir sollen uns in einer Stunde wieder melden. Als wir es zum vereinbarten Zeitpunkt probieren, fallen Weihnachten und Ostern auf denselben Tag, er hat Zeit. Nach zwei, drei Fragen unterbricht er: «’tschuldigung. Darf ich in einer Minute zurückrufen? Da kommt grad ein wichtiger Anruf rein.»
Die Nacherzählung wirkt konstruiert. Doch in Wahrheit hatte das Hin und Her mehr Episoden. Wer Heinrich «Harry» Knüsel in diesen Tagen «anbinden» kann, hat Glück. Der 58-Jährige aus dem aargauischen Abtwil ist dauerbeschäftigt, er ist der gefühlte Gastgeber des Grossanlasses. Er ist Botschafter des Fests, Mitglied des Präsidialausschusses, Munipate, er betreibt auf dem Areal das «Königshuus» und die «Kolinbar». Ausserdem ist er mit seiner ehemaligen Firma für einen grossen Teil der aufwendigen Tiefbauarbeiten auf dem Festgelände zuständig – dazu gehören Zufahrtsstrassen, Wege, Plätze und Fundationen.
Die Rolle des Gastgebers drängt sich auf, auch wenn er die Bezeichnung «ein wenig übertrieben» findet. Denn Knüsel ist nach wie vor der einzige Innerschweizer König. Bei seiner Krönung wohnte er in Abtwil, aber er ist Bürger von Meierskappel, wuchs in Küssnacht am Rigi auf und gehörte dem Schwingklub Cham-Ennetsee an. 33 Jahre nach seinem Titel schickt sein Schwingklub mit Pirmin Reichmuth erneut einen ambitionierten Athleten ins Rennen. Nach dem überlegenen Brünig-Sieg Reichmuths und der starken Vorstellung Joel Wickis, dem anderen Favoriten, liess sich Knüsel euphorisch im «Blick» zitieren: «Ich bin sicher, dass in Zug entweder Pirmin oder Joel Schwingerkönig wird.»
Es entbehrt jeglicher Logik, dass der Innerschweizer Schwingerverband, immerhin der mitgliederstärkste der fünf Teilverbände, am wenigsten Schwingerkönige hervorbrachte. Heinrich «Harry» Knüsel gewann 1986 in Sion den einzigen Titel der Verbandsgeschichte. Knüsel, damals 25-jährig, tankte viel Selbstvertrauen im eidgenössischen Jahr. 1986 siegte er auch am «Innerschweizerischen» und auf dem Brünig. In Sion startete er mit einem Sieg. Im zweiten Gang wurde ihm Ernst Schläpfer, der zweifache Schwingerkönig, zugeteilt. Knüsel tauchte, war ab dem dritten Gang aber nicht mehr zu bremsen. Im Schlussgang kam es zur Revanche gegen Schläpfer. In der sechsten Minute konterte Knüsel einen Brienzer des Ostschweizers und legte ihn auf den Rücken. Für Schläpfer war es die erste Niederlage der gesamten Saison. (cza)
Es gibt wenig Experten im Schwingsport, die sich zu solch entschiedenen Aussagen hinreissen lassen. War das übers Ziel hinausgeschossen? «Nein, gar nicht», sagt Knüsel. «Einer dieser beiden wird gewinnen, der andere wird in einem blöden Gang scheitern. Gegen einen defensiven Gegner eines anderen Teilverbands.» Es würde Knüsel wohl entlasten, wenn es einen zweiten Innerschweizer König gäbe. So müsste sich nicht mehr eine ganze Region auf eine Figur fixieren.