Sportchef Paolo Duca und sein Trainer Luca Cereda halten ihr Schiff in stürmischer See auf Kurs. Das rettende Ufer ist noch nicht in Sicht.
Vor einem Jahr passte alles zusammen. Ambri hatte nach 23 Runden 37 Punkte und brauste mit vollen Segeln dem 5. Platz, den Playoffs, der Champions League und der Einladung für den Spengler Cup entgegen. Nun, ein Jahr später, sind es 24 Punkte und der letzte Platz. Hat dieser Rückschlag Ambris Zuversicht erschüttert? «Nein», sagt Paolo Duca. «Wir halten zu 100 Prozent an unserem Kurs fest.»
Tatsächlich ist Ambri intakt durch den schwierigen Herbst gekommen und spielt so wie in der so erfolgreichen letzten Saison: Die Mannschaft zelebriert das gleiche intensive, gut strukturierte Lauf-, Tempo- und Energiehockey. Zerfallserscheinungen gibt es keine. Und die in früheren Jahren bei ausbleibendem Erfolg übliche heftige Polemik der buntscheckigen Tessiner Medienwelt gibt es nicht mehr. Das ist noch fast erstaunlicher als die Playoffs der letzten Saison und kein Zufall. Auch wenn der Sportchef darüber nicht spricht: Er hat ein Wunder vollbracht. Diese mediale Ruhe ist eine Voraussetzung für kontinuierliche Arbeit.
Ein zentraler Faktor für den ausbleibenden Erfolg ist das Verletzungspech. Duca sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der höheren Belastung durch die Champions League und den vielen verletzungsbedingten Ausfällen. «Ich habe dafür keinen wissenschaftlichen Beweis. Aber wir haben in der ersten Saisonphase sechs zusätzliche Partien auf sehr hohem Niveau gespielt, die alle an die Limiten gebracht haben. Das führt zu weniger Erholungszeit und höherer Verletzungsanfälligkeit. Wir zahlen den Preis für die hohe Belastung.»
Nun steht mit dem Spengler Cup eine weitere zusätzliche Aufgabe an. Ambri kann 27 Spieler für das Turnier nominieren und Duca sucht drei Verstärkungen. «Allerdings bringe es nur etwas, wenn diese drei Spieler tatsächlich besser sind als unsere eigenen.» Offensichtlich ist es nicht so einfach, diese Spengler-Cup-Verstärkungen zu finden. «Bisher habe ich nur Absagen bekommen.»
Sport und Politik werden in normalen Zeiten im Eishockey auseinandergehalten wie im richtigen Leben Kirche und Staat. Weil die Zeiten nicht ganz normal sind, spielt die Politik für Ambri eine Rolle. Präsident Filippo Lombardi hat seinen Sitz im Ständerat verloren. Für Duca ist dessen Abwahl ein schwerer Verlust für den Kanton Tessin. «Er ist eine starke Persönlichkeit, er redet nicht nur, übernimmt Verantwortung und bewirkt etwas.» Lombardi war dieser wertkonservative Stürmer der politischen Mitte. Wie im Hockey prägt der Mittelstürmer das Spiel – nicht der Flügel. Dominik Kubalik war letzte Saison als Liga-Topskorer am Flügel die Ausnahme, die diese Regel bestätigt und sein Wechsel zu Chicago schwächt Ambri also ungefähr so wie Lombardis Vertreibung aus Bern den politischen Einfluss des Kantons Tessin.
Nun müssen sie alles tun, damit das Undenkbare nicht passiert: ein Abstieg Ambris.