Am Samstag steigt der 39. Luzerner Stadtlauf. Reto Schorno (42), Chef Eliterennen, hofft als Athletenverpflichter, dass ein Schweizer den Sprung aufs Podest schafft.
Interview Turi Bucher
Reto Schorno, sind Sie startbereit? Welches sind Ihre letzten Arbeiten vor dem grossen Tag?
Reto Schorno: Eigentlich geht es erst richtig los mit der Arbeit. Im Moment gilt es, die Startlisten zu bereinigen. Gerade hat mir Marcel Berni, der eben erst in einem Halbmarathon die EM-Limite geschafft hat, abgesagt, weil er sich von diesem Lauf erholen will. Dann müssen die An- und die Abreise der Athleten koordiniert werden, die Zimmerbelegung im Hotel Schweizerhof. Nach dem Rennen achten wir darauf, dass die Athleten den Weg zur Siegerehrung finden und später zum Bankett, wo auch die ganze Abrechnung mit dem Preisgeld stattfindet.
Die Kenianer waren in den letzten Jahren die Aushängeschilder und Stars des Stadtlaufs. Nun fällt in der Startliste auf, dass kein einziger Kenianer am Start ist.
Schorno:Wenn Sie die aktuellen Resultate von diversen Schweizer Strassenläufen betrachten, tauchen auf den vorderen Plätzen immer wieder die gleichen kenianischen Namen auf. Läufer, die durch Europa tingeln, aber nicht einmal die allerbesten aus Kenia sind, nur die zweite Garde. Aber als Fussballfan wollen Sie ja auch nicht jedes Wochenende FCL - Thun schauen. Uns ist es ein Anliegen, wieder einmal einen Schweizer auf dem Podest sehen zu können. Deshalb haben wir uns diesmal für ein rein europäisches Feld entschieden.
Also sind es gar nicht die Dopingvorwürfe, die Sie dazu veranlasst haben, keine Kenianer und Kenianerinnen zu engagieren?
Schorno:Doch, dies auch. Es war für uns sozusagen das Tüpfelchen auf dem i, damit wir den Mut fassen konnten: diesmal keine Kenianer. Viele Vorwürfe sind nicht bewiesen, aber der schwere Verdacht steht im Raum. Und stellen Sie sich vor, der Internationale Leichtathletikverband beschliesst von einem Tag auf den andern, dass keine kenianischen Athleten mehr verpflichtet werden dürfen, so wie momentan bei den Russen. Dann fehlen mir plötzlich drei bis vier Topläufer im Feld.
Andere Läufer könnten auch gedopt sein.
Schorno:Klar, Doping ist nicht nur eine Frage der Herkunft, sondern auch des Charakters, oft aber auch eine Frage der Lebenssituation des jeweiligen Läufers. Wenn einer nicht mehr weiss, wie er sein Leben und vielleicht das Leben seiner Familie finanzieren soll, dann greift er womöglich rascher zu Mitteln, die ihn schneller machen.
Wird es am Stadtlauf Dopingkontrollen geben?
Schorno: Das wissen wir nicht. Die Dopingkontrolleure tauchen plötzlich auf und sagen, sie bräuchten nach dem Rennen ein Zimmer mit WC. Dann stehen sie im Zielraum und lassen die Läufer, die auf ihrer Kontrollliste stehen, nicht mehr aus den Augen.
Zurück zu den Teilnehmern im Elitefeld der Männer. Mit Tadesse Abraham und Simon Tesfaye haben Sie immerhin zwei Topläufer mit afrikanischen Wurzeln im Teilnehmerfeld.
Schorno:Ja, aber die beiden Athleten sind längst schon in der Schweiz beheimatet, haben an unzähligen Schweizer Läufen teilgenommen und werden nicht zuletzt mit dem sensationellen Schweizer Marathonrekord von Tadesse Abraham als Schweizer wahrgenommen.
Was verdient Abraham nach seinem Rekord in Tokio am Luzerner Stadtlauf?
Schorno:Wir haben inzwischen das System gewechselt. Früher gab es Startgeld, das davon abhing, wie gut ein Läufer war. Jetzt gibt es bei uns in Luzern nur noch ein Preisgeld. Der Sieger des Rennens kassiert 2500 Franken, danach gehen die Siegerprämien systematisch bis zu Rang 16 runter.
Welches Budget steht Ihnen zur Verfügung, um das insgesamt 30-köpfige Teilnehmerfeld bei den Männern und den Frauen zu engagieren?
Schorno: Es handelt sich um einen fünfstelligen Betrag.
Mussten Sie auch schon Athleten wegen überhöhter Gagenforderungen abweisen?
Schorno:Das gibt es immer wieder. Für Superstars haben wir nicht das richtige Portemonnaie. Zudem betone ich, dass der Luzerner Stadtlauf primär ein Familien- und Breitensportanlass ist, mit dem krönenden Abschluss der Eliterennen.
HINWEIS
Reto Schorno hat vor dem 39. Luzerner Stadtlauf, der am Samstag stattfindet, das Amt als Chef der Eliterennen von seinem Bruder Beat übernommen. Der 42-jährige Reto Schorno ist zweifacher Familienvater (Livio, 12, Julian, 10) und lebt in Adligenswil.
Matthias Kamber (Bild), Direktor Antidoping Schweiz, begrüsst es, dass die Laufveranstalter die Bekämpfung von Doping proaktiv mit anpacken. «Es gibt zwei Wege», sagt Kamber, «jenen, den Luzern einschlägt, oder jenen, der beim Zürich- Marathon begangen wurde.»
Für den Zürich Marathon vom vergangenen Sonntag bedeutete dies, dass nur Spitzenathleten eingeladen und zugelassen wurden, welche im letzten Jahr mindestens drei und ausschliesslich negative Dopingkontrollen vorweisen konnten. Kamber sagt: «Ich finde dies ein sehr gutes Zeichen und einen wichtigen Schritt in die Zukunft eines sauberen Sports.» Bruno Lafranchi, OK-Präsident des Zürich-Marathons, der in seiner 14-jährigen Geschichte noch keinen Dopingfall erlebte, äussert sich gegenüber dem Schweizer Leichtathletikverband so: «Davon auszugehen, dass in unserem Sport alles sauber läuft, wäre naiv.» Lafranchi betont weiter: «Wir wollen als Veranstalter Verantwortung übernehmen und eigene Massnahmen ergreifen, die zu einem sauberen Wettkampf beitragen.»
Matthias Kamber befürwortet aber auch die Vorgehensweise der Orga-nisatoren des Luzerner Stadtlaufs. «Ein Land, dessen Antidopingsystem schlecht oder mangelhaft ist, muss damit rechnen, dass seine Athleten schlicht nicht eingeladen werden.»
Das Parlament in Kenia hat vor wenigen Tagen ein überarbeitetes Dopinggesetz verabschiedet. Die Welt-Antidopingagentur hatte Kenia aufgefordert, bis zum 2. Mai ein Gesetz zu verabschieden, das Doping kriminalisiert. Andernfalls würden kenianische Athleten nicht für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro zugelassen. «Ein Dopinggesetz allein reicht natürlich nicht», bleibt Kamber kritisch, «solche Länder müssen bestrebt sein, eine eigene solide Antidopingagentur aufzubauen.»
Die Frage, ob beim Stadtlauf Luzern an diesem Samstag auch Dopingkontrollen durchgeführt werden, will Kamber nicht beantworten. «Wir sagen natürlich nicht im Voraus, wo und wie wir kontrollieren», erklärt er. «Auch hier gibt es zwei Modelle: Entweder ist ein Lauf sowieso auf unserem Kontrollkonzept aufgelistet, oder der Veranstalter beantragt bei uns Kontrollen. Dann unterbreiten wir dem Veranstalter eine Offerte», so Kamber.