Leichtathletik
Mit Simon Ehammer hat die Schweizer Leichtathletik neben Mujinga Kambundji einen neuen Leuchtturm – die WM-Bilanz

Bronze durch Simon Ehammer, dazu sechs weitere Klassierungen in den Top 8 – das ist die Bilanz der Schweiz an den Weltmeisterschaften in Eugene. Wer hat überzeugt? Und wer enttäuscht?

Simon Häring
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Simon Ehammer ist der neue Leuchtturm in der Schweizer Leichtathletik.

Simon Ehammer ist der neue Leuchtturm in der Schweizer Leichtathletik.

Jean-Christophe Bott / EPA

Aus Schweizer Sicht hatte die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Eugene eine historische Dimension: Mit Bronze im Weitsprung überstrahlte Simon Ehammer alles, dazu kamen sechs weitere Klassierungen in den Top 8. Die bisher erfolgreichste Schweizer Delegation errang 1987 in Rom vier Top-8-Klassierungen. Doch es gab auch Enttäuschungen. Die Bilanz.

Die Überflieger: Ehammer und Kambundji

Mit seinen 22 Jahren ist Simon Ehammer einer der Jüngsten im Team. Der Appenzeller ist ein Multitalent und kommt ursprünglich vom Zehnkampf, ist aber in seiner besten Einzeldisziplin, dem Weitsprung, in diesem Jahr die Nummer eins der Welt. Mit einem Sprung auf 8,16 Meter holte er Bronze und sorgte damit für die neunte Schweizer Medaille bei den seit 1983 durchgeführten Weltmeisterschaften.

Mit seiner persönlichen Bestweite von 8,45 Metern wäre Ehammer Weltmeister geworden. Die Medaille macht ihn zum neuen Leuchtturm in der Schweizer Leichtathletik. Nicht nur der Medaille wegen, sondern auch, weil er sich diese schon im Vorfeld zum Ziel gesetzt und als einziges befriedigendes Ergebnis taxiert hatte.

Besondere Konstanz: Mujinga Kambundji.

Besondere Konstanz: Mujinga Kambundji.

Jean-Christophe Bott / keystone

Simon Ehammer ist nun – neben den Sprinterinnen Mujinga Kambundji und zuletzt auch Ajla Del Ponte – das Aushängeschild der helvetischen Leichtathletik. Kambundji verbesserte über 200 Meter den Schweizer Rekord auf 22,05 Sekunden und stand über 100 Meter (Fünfte) und über 200 Meter (Achte) im Final. Besonders beeindruckend ist ihre Konstanz: 2021 wurde sie an den Olympischen Spielen in Tokio Sechste über 100 Meter und Siebte über 200 Meter. Im März wurde sie über 60 Hallenweltmeisterin.

Die Enttäuschungen: Staffel, Del Ponte, Gasch

Einen der Grundsteine für den Schweizer Erfolg der letzten Jahre bildete die Sprintstaffel, das Vorzeigeprojekt des Verbandes, aus dem Kambundji und zuletzt Ajla Del Ponte hervorgingen.

In unterschiedlicher Besetzung lief das Quartett an der EM 2018, der WM 2019 und an den Olympischen Spielen 2021 auf den vierten Rang, der Traum von der Medaille blieb aber auch in Eugene vorerst unerfüllt. Mehr noch: die Staffel um Kambundji, Salomé Kora, Géraldine Frey und Ajla Del Ponte enttäuschte mit Rang 7 in 42,81 Sekunden.

«Der Rang und die Zeit sind eine Enttäuschung. Es ist nicht alles so aufgegangen, wie es hätte sollen», sagte Coach Adrian Rothenbühler nach dem Rennen gegenüber SRF. Und räumte ein, dass es schwierig wird, bei den Europameisterschaften in München Mitte August den Traum von der Medaille wahr werden zu lassen.

Ajla Del Ponte ist noch im Formaufbau für die EM.

Ajla Del Ponte ist noch im Formaufbau für die EM.

Jean-Christophe Bott / keystone

Zwar enttäuschend, aber nach Problemen mit dem Oberschenkel nicht überraschend war das Aus im Vorlauf für Ajla Del Ponte über 100 Meter in 11,41 Sekunden – das ist eine halbe Sekunde langsamer als noch vor einem Jahr. Die Tessinerin, die 2021 an den Olympischen Spielen in Tokio über 100 Meter auf Rang 5 gelaufen war, befindet sich noch auf Formsuche. Das Ziel: eine Medaille an den Europameisterschaften Mitte August.

Hochspringer Loïc Gasch, der im März an den Hallenweltmeisterschaften in Belgrad Silber gewonnen hatte, scheiterte mit einem Sprung über 2,21 Meter bereits in der Qualifikation. Seine Bestleistung liegt bei 2,33 Metern.

Für Loïc Gasch endet die WM mit einer Enttäuschung.

Für Loïc Gasch endet die WM mit einer Enttäuschung.

Jean-Christophe Bott / EPA

Die Überraschung: 4x400-Meter-Frauenstaffel

Nach der Sprintstaffel entwickelt sich auch die 4x400-Meter-Frauenstaffel nach Wunsch. Der Finaleinzug von Silke Lemmens, Julia Niederberger, Annina Fahr und Yasmin Giger ist dennoch eine Überraschung. Denn erst rückte das Schweizer Quartett im Vorlauf über die Zeit in den Halbfinal vor und profitierte dort von der Disqualifikation der Niederlande.

Das Team ist nach der WM 2019 in Doha und den Olympischen Spielen 2021 in Tokio zum dritten Mal in Folge an einem internationalen Grossanlass dabei. Nun gelang mit dem Finaleinzug der erste echte Exploit. Dort blieb trotz der Saisonbestleistung (3:27,81 Minuten) nur der achte Schlussrang.

Die 4x400-Meter-Staffel der Frauen schaffte den Finaleinzug.

Die 4x400-Meter-Staffel der Frauen schaffte den Finaleinzug.

Jean-Christophe Bott / keystone

Die Hoffnung: Ditaji Kambundji

Dass die Berner U20-Europameisterin über 100 Meter Hürden schnell ist, ist bekannt. In Eugene zeigte sie auch eine andere Qualität: dass sie sich im entscheidenden Moment steigern kann. Im Vorlauf enttäuschte die 20-Jährige noch, den Halbfinal erreichte sie nur um Haaresbreite. Und dort? Lief die jüngere Schwester von Mujinga Kambundji bei einem Rückenwind von 0,9 m/s in 12,70 Sekunden eine neue persönliche Bestzeit.

Sie meldete damit auch ihre Ambitionen für die Europameisterschaften Mitte August in München an. Das Ziel? Der Finaleinzug. Bei den Weltmeisterschaften erreichte mit der Britin Cindy Sember nur eine Europäerin den Final.

Ditaji Kambundji legte an der WM einen Steigerungslauf hin.

Ditaji Kambundji legte an der WM einen Steigerungslauf hin.

Jean-Christophe Bott / keystone

Ebenfalls Chancen ausrechnen kann sich dort Lore Hoffmann, eine weitere Hoffnungsträgerin für die Zukunft der Schweizer Leichtathletik. In Eugene scheiterte die Walliserin über 800 wie schon an den Olympischen Spielen in Tokio im Halbfinal, klassierte sich aber im 9. Rang und lief in 1:59,88 Minuten zum fünften Mal in ihrer Karriere unter der Zwei-Minuten-Marke.

Die Rückkehrerin: Noemi Zbären

Für Noemi Zbären bedeutete der Halbfinal über die 100 Meter Hürden zwar Endstation, doch für die Emmentalerin endete in Eugene eine lange Leidenszeit. Nach von Verletzungen geprägten Jahren nahm sie erstmals seit 2015 (!) wieder an Freilufttitelkämpfen teil. Damals war sie in Peking an den Weltmeisterschaften auf Rang 6 gelaufen. In Eugene blieb Zbären mit einer Zeit von 12,94 Sekunden zum vierten Mal in diesem Jahr unter 13 Sekunden und sagte: «Dieser Wettkampf hat Gänsehaut provoziert.»

Noemi Zbären nahm erstmals seit 2015 an Freilufttitelkämpfen teil.

Noemi Zbären nahm erstmals seit 2015 an Freilufttitelkämpfen teil.

Jean-Christophe Bott / keystone