Die 30-jährige Bernerin liefert an den Weltmeisterschaften in Eugene auch auf der zweiten Sprintdistanz ab. Kambundji läuft die 200 m in 22,05 Sekunden so schnell wie keine Schweizerin vor ihr und qualifiziert sich über die Zeit für den Final.
Und wieder braucht es Nerven. Wie bereits über 100 m muss Mujinga Kambundji nach ihrem Halbfinal auf die Leistungen der Konkurrentinnen warten. Obwohl der 30-Jährigen in 22,05 Sekunden ein bombastischer Schweizer Rekord gelingt, reicht es in ihrem Heat nur für Platz 3. Shericka Jackson, die jamaikanische Vize-Weltmeisterin über 100 m, sowie Aminatou Seyni aus Niger laufen knapp schneller.
Die 25-jährige Seyni ist eine Athletin mit intersexuellen Anlagen und dadurch zu hohen Testosteronwerten. Weil sie diese nicht medikamentös senken will, musste sie 2019 nach den neuen Regeln des Weltverbands von ihrer Paradestrecke über 400 m auf die Sprintdistanzen wechseln. Inzwischen ist sie aber auch dort konkurrenzfähig und lief im WM-Vorlauf mit 21,98 erstmals überhaupt unter 22 Sekunden.
Zum Glück entscheidet letztlich nicht die eine Hundertstelsekunde, die im Halbfinal zwischen Seyni und Kambundji liegt, über die Finalteilnahme. Die Bernerin muss zwar wie schon über 100 m auch den dritten und letzten Halbfinal abwarten, aber als zweiter Lucky Loser mit komfortablem Polster steht sie in der Nacht auf Freitag erneut im WM-Final.
Dieser Exploit im schnellsten der drei Halbfinals gelingt auch deswegen, weil Mujing Kambundji mit Jenna Prandini wieder einmal eine höher dotierte US-Sprinterin hinter sich lässt. Prandini steht mit einer Bestzeit von 21,89 zu Buche. Bereits bei ihrem fünften Rang über 100 m bezwang die Schweizerin sämtliche Konkurrentinnen aus dem so sprintaffinen WM-Gastgeberland.
Bereits vor den Halbfinals prognostiziert Kambundjis Trainer Adrian Rothenbühler, dass es sicher einen Schweizer Rekord für die Finalteilnahme braucht. Er glaubt sogar, dass seine Athletin dafür unter 22 Sekunden laufen müsse.
Letzteres bewahrheitet sich zwar knapp nicht, aber dennoch ist die Leistungsdichte der Frauen über 200 m ausserordentlich beeindruckend. In den WM-Vorschauen des Weltverbands wird diese Disziplin als eine der hochstehendsten überhaupt angepriesen.
Neun Athletinnen aus dem Starterfeld weisen inzwischen Bestzeiten von unter 22 Sekunden auf, alleine fünf von ihnen haben diese magische Marke auch in der aktuellen Saison unterboten. Zum Vergleich: Mujinga Kambundji kam bei ihrer Bronzemedaille an der WM 2019 in Doha in einer Zeit von 22,51 Sekunden ins Ziel. Seither fand eine wahre Leistungsexplosion statt.
22,05 🇨🇭🔥 SCHWEIZER REKORD!
— Swiss Athletics (@SwissAthletics) July 20, 2022
Im 200-m-Halbfinal an der WM in #Eugene brilliert @MKambundji mit einem Schweizer Rekord. In 22,05 Sekunden verbessert sie ihre eigene nationale Bestmarke um 13 Hundertstel!
📸 @AthletixC @UBSathletics @Visana_ch pic.twitter.com/PRgf0TdsME
Auch bei Mujinga Kambundji. Erst im Juni verbesserte sie den Schweizer Rekord bei ihrem Heimmeeting in Bern auf 22,18 Sekunden. Die persönlich schnellste Zeit gelang der 30-Jährigen indes vor einem Jahr ebenfalls auf der WM-Bahn in Eugene. Damals gelang ihr der bislang einzige Sieg im Rahmen der Diamond-League in 22,06. Allerdings blies damals der Rückenwind knapp zu stark (+2,4 m/sec).
Obwohl es vermessen wäre, von Kambundji erneut eine WM-Medaille zu erwarten, ist sie im Final nicht chancenlos. Zwar steigt sie am Freitagmorgen 04.35 Uhr Schweizer Zeit nur mit der siebtbesten Zeit aller Halbfinalistinnen ins Rennen. Allerdings ist die Konkurrenz hinter den beiden herausragenden Jamaikanerinnen Jackson und Fraser-Pryce nicht meilenweit entfernt.
Was klar scheint: Für WM-Edelmetall muss Mujinga Kambundji diesmal unter 22 Sekunden laufen. Aber wie sagte sie nach den Halbfinals gegenüber dem Schweizer Fernsehen:
«Es gibt sicher noch etwas zu verbessern».
Die schnellste Frau der Schweiz brilliert in Eugene aber nicht nur mit ihren sportlichen Leistungen. Zwar war Kambundji schon immer eine Sympathieträgerin der Leichtathletik. Ihre Reife und das durch den Sprung an die Weltspitze gewonnene Selbstvertrauen widerspiegeln sich auch in ihrem Auftreten.
Mujinga Kambundji strahlt Lockerheit, Natürlichkeit und Lebensfreude aus. Selbst wenn sie Sätze sagt wie: «Die letzten Tage waren wirklich anstrengend. Es braucht sehr viele Nerven». Man nimmt es der Strahlefrau beinahe nicht ab.