Leichtathletik-WM
Mujinga Kambundji geht im WM-Final über 200 Meter der Strom aus

Der Schweizer Weltklasse-Sprinterin bleibt auf der ungeliebten Innenbahn nur Platz 8. Derweil schreibt Siegerin Shericka Jackson ebenso Leichtathletik-Geschichte wie bei den Männern der Amerikaner Noah Lyles.

Rainer Sommerhalder
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Während Mujinga Kambundji nach dem 200-m-Final auf der Resultattafel nicht das erblickt, was sie sich erhofft hat, freuen sich die Jamaikanerinnen Shericka Jackson und Shelly-Ann Fraser-Pryce (rechts) über ihren Erfolg.

Während Mujinga Kambundji nach dem 200-m-Final auf der Resultattafel nicht das erblickt, was sie sich erhofft hat, freuen sich die Jamaikanerinnen Shericka Jackson und Shelly-Ann Fraser-Pryce (rechts) über ihren Erfolg.

Jean-Christophe Bott / KEYSTONE

Darf man nach einem Auftritt im WM-Final der schnellsten Frauen der Welt enttäuscht sein? Eine Frage, die sich wohl auch Mujinga Kambundji stellt. Anstatt dem erträumten Flirt mit der Medaille dank einem weiteren Angriff auf den eben erst im Halbfinal aufgestellten Schweizer Rekord (22,06) blieb für die Bernerin im hochkarätig besetzten Feld nur der achte Platz.

Es ist eine durchaus realistische Rangierung. Ausser Kambundji stehen sämtliche Finalistinnen mit einer Bestzeit von unter 22 Sekunden zu Buche. Sich diesen Startplatz überhaupt erst zu ergattern, ist eine Leistung, die nicht hoch genug gewürdigt werden kann.

Doch der Finallauf als solcher? Damit werden die 30-Jährige und ihr Trainer Adrian Rothenbühler, auch wenn beide in den Interviews nach dem Rennen zurecht die positiven Punkte der bisherigen WM-Auftritte in den Vordergrund rückten, nicht zufrieden sein. Denn die Bronzemedaille ging in 22,02 Sekunden an die britische Titelverteidigerin Dina Asher-Smith - eine Zeit, die seit diesen Titelkämpfen in Eugene auch in Reichweite von Kambundji liegt.

Sechs Rennen in sechs Tagen

Es gibt mehrere Gründe, wieso sich die Hoffnungen, im Optimalfall um die Medaillen mitreden zu können, nicht erfüllt haben. Zum einen ist die Innenbahn über 200 Meter für Mujinga Kambundji wie für viele andere Sprinterinnen und Sprinter alles andere als optimal. Um die Fliehkräfte im engen Kurvenradius kontrollieren zu können, benötigt man zusätzliche Energie.

Mujinga Kambundji fehlte im sechsten Rennen in ebensovielen Tagen die Frische und Lockerheit für einen neuerlichen Exploit.

Mujinga Kambundji fehlte im sechsten Rennen in ebensovielen Tagen die Frische und Lockerheit für einen neuerlichen Exploit.

Jean-Christophe Bott / KEYSTONE

Energie, über welche die WM-Fünfte über 100 m im sechsten Rennen innnert sechs Tagen schlicht nicht mehr verfügte. Zwar war der Start gut und lag Kambundji eingangs der Zielgeraden noch in Tuchfühlung mit der Konkurrenz, aber auf den letzten Metern ging ihr der Strom aus. Anstatt mit raumgreifenden Schritten erneut einer Topzeit entgegenzustürmen, versuchte sie den schmerzenden Beinen mit schneller Schrittkadenz entgegenzuwirken. «Sie lief wie mit Stöggelischuhen», nannte es Trainer Rothenbühler.

Zurecht wies die Athletin selbst in ihrer Bilanz darauf hin, dass auch die Konkurrentinnen nicht mehr an die Zeiten des Halbfinals herankamen. Und dass ihr diese beiden Finalqualifikationen sehr viel bedeuten, «weil das Niveau Jahr für Jahr höher und die Dichte an der Spitze immer grösser wird».

Zweitschnellste Zeit der Geschichte für Shericka Jackson

Eine Läuferin stürmte vorneweg. Die 28-jährige Jamaikanerin Shericka Jackson gewann nach bislang drei Titeln mit der Sprintstaffeln ihr erstes Einzelgold an einem Grossanlass. Und dies in einer Fabelzeit von 21,45 Sekunden. Einzig die Amerikanerin Florence Griffith-Joyner lief bei ihrem Olympiasieg vor 34 Jahren in Seoul noch schneller (21,34).

Shericka Jackson gewinnt über 200 m mit riesigem Vorsprung vor Fraser-Pryce (links) und Asher-Smith.

Shericka Jackson gewinnt über 200 m mit riesigem Vorsprung vor Fraser-Pryce (links) und Asher-Smith.

Erik S. Lesser / EPA

Allerdings ranken sich rund um Griffith-Joyners damaligen Leistungsschub innerhalb eines Jahres - sie verbesserte 1988 auch den 100-m-Weltrekord auf unglaubliche 10,49 - ihren unmittelbaren Rücktritt nach diesen Erfolgen und ihrem frühen Tod mit nur 38 Jahren viele Dopinggerüchte. Fakt ist, dass ihre Bestmarken auch nach den beiden schnellsten WM-Rennen der Geschichte in Eugene Bestand weiter haben.

Mujinga Kambundji durfte nach ihrem Mammutprogramm beim Vorlauf der Schweizer Sprintstaffel in der Nacht auf Samstag für einmal pausieren. Eine Entscheidung, welche der akribisch planende Trainer im übrigen bereits im Frühjahr so vorgesehen hat. Das gleiche Szenario soll sich auch an der EM von Mitte August in München wiederholen.

Die Schweizer Supersprinterin darf sich auch mit der Tatsache über ihre mässige Finalzeit von 22,55 hinwegtrösten, dass sie die neue 200-m-Weltmeisterin in diesem Jahr bei Titelkämpfen auch schon bezwungen hat. Bei Kambundjis Sieg an der Hallen-WM über 60 Meter erreichte Shericka Jackson nur Rang 6.

Die Fabelzeit von Weltmeister Noah Lyles

Während Jamaika den Sprintbereich der Frauen dominiert, gilt gleiches für die USA bei den Männern. Alle sechs Medaillen über 100 m und 200 m bleiben im Land des WM-Gastgebers. Dabei sorgte Noah Lyles für eine Sternstunde des Sprints. Mit neuem US-Rekord und der drittschnellsten Zeit in der Geschichte siegte der 25-Jährige aus Florida haushoch überlegen.

Noah Lyles lässt sich nach seinem Rekordlauf feiern.

Noah Lyles lässt sich nach seinem Rekordlauf feiern.

Robert Ghement / EPA

Seine 19,31 wurden bislang nur je einmal von den beiden Jamaikanern Usain Bolt und Johan Blake unterboten. Der Weltrekord von Bolt liegt bei 19,19 Sekunden. Ob er, wie bei dessen Realisierung 2009 so betitelt, tatsächlich ein Rekord für die Ewigkeit bleibt, darf man nach Lyles Darbietung in Eugene zumindest zur Diskussion stellen.