Fabio Scherer (16) steigt auf der Karriereleiter Sprosse um Sprosse hoch. Nächstes Wochenende will der Rookie aus Aesch auch an der Kart-WM in Italien für Furore sorgen.
Seine wesentliche Saison-Hausaufgabe hat Fabio Scherer bereits mit einer glatten 6 erledigt. Der junge Luzerner mit dem ausserordentlichen Feeling für die Bedienung von Gas- und Bremspedal und virtuosen Steuerkünsten durfte sich bereits ein Rennen vor dem abschliessenden Finale als Schweizer Kart-Meister in der Kategorie X 30 feiern lassen.
«Das ist für mich ein Erfolg, der mir zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin», sagt der in Aesch am Hallwilersee wohnhafte Automobilrennsportler. Das darf er mit Fug und Recht behaupten. Das Bemerkenswerte an diesem Triumph nämlich ist: Das Ausnahmetalent stieg erst vor Jahresfrist aus der Juniorenkategorie in die gehobenere Altersklasse auf und distanzierte als Rookie die Konkurrenz in beeindruckender Art und Weise.
Fabio Scherers Hauptaugenmerk gilt im Moment klar dem Kart. «Diese Disziplin ermöglicht mir pro Jahr rund 70, 80 Läufe, die Rennerfahrung und -praxis sind für einen jungen Fahrer halt enorm wichtig, um weiterzukommen.» Mit einem Auge schielt der ehrgeizige Absolvent der Frei’s Talent School in Luzern («wenn es mit dem Sport nicht klappt, will ich eine berufliche Ausbildung in der Hinterhand haben») indes auch auf die Formel 4.
Kürzlich flatterte vom RB Racing Team eine Einladung für Testfahrten in Cervesina (It) ins Haus, «die mich natürlich sehr gefreut hat». Das junge Talent wurde den Ansprüchen der Talentspäher gerecht, drehte auf dem Kurs rund 100 Runden, erreichte durchaus respektable Zeiten. Ja, sehr gute sogar: «Sie waren wirklich zufrieden mit mir. Und ich mit mir auch. Ich war schnell, hatte das Auto im Griff und vor allem keinen sogenannten ‹Abflug›.»
Der Ausflug in die Formula-Szene hat sich gelohnt, aber: «Es ist eine Idee, schon nächste Saison in dieser Klasse mitzumachen. Aber vielleicht kommt das Ganze ein Jahr zu früh.» Man bedenke, während Fabio Scherer saisonal im Maximum 100 Tage in den Rennsport investieren kann, drehen die Begüterten in der Szene mindestens das Doppelte an Tagen ihre Runden. «Das ist halt ein Nachteil für mich.» Der Vorteil: «Wenn ich sehe, wie zum Beispiel Mick Schumacher, Sohn von Michael Schumacher, der wie ich 16-jährig ist, von ganzen ‹Mückenschwärmen›, die dieses und jenes wollen und fordern, belästigt wird – nun, dann ...»
Ja, das liebe Geld, das ist in der Rennsportszene ein dominantes Thema: «Sponsoren», sagt Fabio Scherer, «die an dich glauben und dich unterstützen, sind immer schwieriger zu finden.» Das ahnte Fabios Vater Patrick, früher ebenfalls ein mit höchsten Schweizer-Meister-Titeln geadelter Kart-Pilot, schon vor vielen, vielen Jahren. «Als ich sechs Jahre alt war», erinnert sich Fabio Scherer, «gabs keinen Tag, da ich meinen Papa nicht um einen Go-Kart anbettelte.»
Doch der winkte ab: zu kostspielig. In die Bresche sprang schliesslich Fabios Götti, der sein Portemonnaie öffnete und den Kart symbolisch unter den Weihnachtsbaum legte. «Ich war acht Jahre alt und das glücklichste Kind auf der Welt.» Mit zehn bestritt Klein Fabio die ersten Rennen, und kaum in die Juniorenkategorie aufgestiegen, gewann er bereits sein erstes Rennen.
Die Karriere im Cockpit war lanciert, der Steuerkünstler war immer öfter in der Kartbahn vor der Haustüre in Wohlen anzutreffen. Heute grüsst er als Schweizer Meister. Und: «Ich weiss nicht genau, wie man es sagen soll», meint er schüchtern, «aber jeder, der ambitioniert hinter dem Steuerrad eines Rennboliden sitzt, der träumt von der Formel 1.» Der Nachsatz ist logisch: «Ich mache mir keine falschen Illusionen. Wenn ich nicht das Glück habe, in ein Förderprogramm aufgenommen zu werden, kann ich es vergessen. Es muss wirklich alles zusammenstimmen.»
Bereits letzte Woche näherte sich Fabio Scherer an drei Trainingstagen den Herausforderungen des WM-Parcours im italienischen Muro Leccese an: «Es war unerhört heiss, bis 40 Grad», erzählt der Luzerner, «aber ich bin zufrieden mit meinen Fahrten.» Im Klartext: Er, der gegenüber seiner Konkurrenz, die sich schon an anderen Rennen auf diese Piste eingetrimmt hatte, in einem gewissen Nachteil steckt, verlor auf die Weltspitze pro Runde nur knapp vier Zehntelsekunden. «Das ist keine Welt», behauptet er, der diese Woche zwei weitere Trainingssessionen in Muro Leccese absolviert und am Freitagabend mit dem Zeitfahren ernstkampfmässig einsteigt.
Nach dem Ausscheidungsrennen und dem Prefinal qualifizieren sich 28 Piloten direkt und sechs weitere via Hoffnungslauf für den Final. «Dort will ich hin», sagt Fabio Scherer unverblümt, «das ist mein Hauptziel.» Und wenn er sein fahrtechnisches Know-how perfekt herauskitzelt? «Dann ist im optimalen Fall eine Platzierung unter den ersten zehn möglich.» Und eine weitere Karrieresprosse erklommen.
Roland Bucher