Nino Schurter macht das Stängeli komplett. Dank einer hervorragender Fahrt krönt sich der Bündner zum 10. Mal zum Weltmeister. Favorit Tom Pidcock ist geschlagen.
Das Bild ist bekannt. Nino Schurter steht im Zielbereich in Les Gets, stemmt sein Velo in die Luft und schreit vor Freude. Wieder hat er es geschafft. Mit einer beeindruckenden Fahrt krönt sich der inzwischen 36-jährige Bündner zum Mountainbike-Weltmeister im Cross Country – unglaublicherweise bereits zum 10. Mal. «Ich kann es selber nicht glauben», sagt er in die SRF-Kamera. Seit Nino Schurter 2009 den ersten Elite-Titel im Cross Country gewonnen hat, gewann er lediglich an vier Weltmeisterschaften nicht das Regenbogentrikot.
Dabei ist Schurter diesmal als Aussenseiter an den Start gegangen. Viele Jahre lang war er der Mann gewesen, den es zu schlagen galt im Mountainbike-Sport. Doch diesmal lastete der Druck auf Thomas Pidcock. Zuletzt hatte der 23-jährige Brite immer, wenn er im Cross Country am Start stand, die Konkurrenz hinter sich gelassen.
Im Rennen zeigte sich die Angst vor dem britischen Ausnahmekönner darin, dass gleich zu Beginn ein hohes Tempo angeschlagen wurde, weil Pidcock als eher schwächerer Starter gilt. Nino Schurter setzte sich früh an die Spitze und drückte auf das Gaspedal. «Ich wusste, dass Pidcock sehr gefährlich ist, und wollte ihn distanzieren.»
Tatsächlich fiel der Brite deutlich zurück, doch er machte Rang für Rang wieder gut, ehe er zur Rennmitte die Führung übernahm. Wenig später stürzte Schurter sogar, die Vorzeichen schienen schlecht. Doch 6,5 Kilometer vor dem Ziel setzte Schurter zum Angriff an – Pidcock war geschlagen. Später hatte er sogar noch einen Defekt zu beklagen und wurde nur Vierter.
Für Schurter verblieb mit dem Spanier David Valero Serrano noch ein Konkurrent. Bei der zweitletzten Abfahrt distanzierte er diesen schliesslich. Wieder Gold für Nino Schurter.
Es ist noch nicht einmal zwei Jahre her, da stellten sich die Kritiker die Frage, ob Nino Schurter den Zenit überschritten habe. Im Weltcup fuhr er 2020 der Konkurrenz hinterher und an der WM wurde er nur Neunter. Auch an den Olympischen Spielen verpasste er nicht nur die Titelverteidigung, sondern als Vierter auch die Medaillen. Gleichzeitig übernahm Mathias Flückiger den Platz als bester Schweizer ein. Die Wachablösung schien vollzogen.
Dann aber kam die WM 2021 in Val di Sole und die endgültige Auferstehung des langjährigen Dominators. In der zweitletzten Kurve gelang Schurter gegen Flückiger ein Angriffsmanöver und krönte sich zum Weltmeister. Es war der endgültige Beweis, dass er noch immer der Beste sein kann. Inzwischen ist Flückiger wegen eines positiven Dopingtests gesperrt, der Platz als bester Schweizer ist Schurter somit wieder gewiss.
An der WM fährt er als einziger um die Medaillen mit, auch wenn Marcel Guerrini ein Ausrufezeichen gelingt. Der Ostschweizer klassiert sich als Fünfter, der Tessiner Filippo Colombo wird Neunter.
Trotz der Tatsache, dass Schurter Pidcock bisher noch nie geschlagen hatte, kommt der nächste WM-Titel für den Bündner nicht unerwartet:
«Für mich zählen nur noch Titel. Und wenn ich sehe, dass ich einen Titel holen kann, dann haue ich alles raus. Es ist jedes Mal eine riesige Ehre, im Weltmeistertrikot fahren zu dürfen.»
Mit dem 10. Weltmeistertitel schraubt Schurter weiter an seinem Legendenstatus. Der sympathische Ausnahmekönner hat seinen Sport gross gemacht, er zieht die Massen an. An der Heim-WM 2018 auf der Lenzerheide hatten einst seine Fans für eine neue Rekordmarke gesorgt, nun kamen erstmals sogar noch mehr Zuschauer. Auch in Les Gets wird Publikumsliebling Nino Schurter wie ein Popstar gefeiert. Die lebende Legende ist wieder dort, wo sie hingehört: zuoberst.