Der EHC Biel gewinnt gegen Servette durch einen Treffer von Damien Brunner 7,4 Sekunden vor Schluss 3:2 – der Final steht 1:1.
Der Abend des Gauklers. Des Künstlers. Damien Brunner, im März 37 Jahre alt geworden, einer der besten Stürmer unserer Geschichte, der noch nie Meister geworden ist, entscheidet die zweite Playoffpartie mit zwei Treffern. Er hatte bereits im ersten Spiel in Genf den Anschlusstreffer für die Bieler (zum 2:1) erzielt und ist nun der erfolgreichste Stürmer in diesem Final. Am Anfang wie am Ende steht Damien Brunner mit seinen Toren zum 2:0 und zum 3:2 im Zentrum. Er sorgt dafür, dass Biels taktische Rechnung aufgeht.
Am Anfang steht die Frage: Kann die «Lawine Servette» aufgehalten werden? Das ist für Biel nach der Startniederlage in Genf (1:2) mit einer erdrückenden Dominanz Servettes (40:23-Torschüsse) die zentrale Frage im zweiten Spiel. Die Antwort ist ganz einfach: Indem sich Biel in eine Lawine verwandelt. Nach 108 Sekunden führen die Bieler 2:0. Es sind die besten 108 Sekunden seit dem Wiederaufstieg von 2008. So viel Energie hat sich im Bieler Hockeytempel noch nie in so kurzer Zeit entladen. Beide Treffer sind zwingend herausgespielt. Torhüter Robert Mayer ist so schuldlos wie bei einem Empty-Net-Treffer. Ein offensiver Lawinen-Niedergang. Standing Ovation.
Aber so wird es nicht weitergehen. Noch bevor drei Minuten um sind, hat Servette auf 2:1 verkürzt. In zwei Minuten und 55 Sekunden sind gleich viele Tore gefallen wie im ersten Spiel in 60 Minuten. Servette ist zwar ein wenig destabilisiert. Aber das Selbstvertrauen bleibt intakt. Dass Servettes Vize-Verteidigungsminister Sami Vatanen nach einem übersehenen Foul von Noah Schneeberger im ersten Spiel nun fehlt, erleichtert Biel die Aufgabe ein wenig.
Biel aufgeputscht, aber nicht mehr dazu in der Lage, das Start-Furioso zu verlängern. Servette taumelnd, aber immer noch auf den Schlittschuhen. Gute Voraussetzungen für ein Hockeydrama. Für ein Spiel von allerhöchster Intensität und Qualität. Die Frage ist nun: Wird es Biel gelingen, die Initiative, die Hoheit über das Spiel zu behalten und Servette im Schach zu halten?
Die Hockeygötter offerieren den Bielern schon früh die Chance zur Entscheidung. Nacheinander werden vier Genfer zwischen der 22. und der 26. Minute auf die Strafbank geschickt. Im Halbfinal war Biels Erfolgsquote von 46,15 Prozent im Powerplay für die ZSC Lions «tödlich». Doch jetzt versagen die Bieler im Überzahlspiel. Es reicht für einen Schuss an die Torumrandung und Sekunden später an die Maske von Robert Mayer. Ein dritter Treffer in dieser Phase hätte die «Lawine Servette» gestoppt.
Von nun an ist die bange Frage: Bringt Biel das 2:1 über die Distanz? Es ist ein Balance-Akt: Die Offensive forcieren und das wohl entscheidende 3:1 suchen oder Konzentration auf die Defensivarbeit? Im Eishockey ist die «Resultat-Verwaltung» – im Gegensatz zum Fussball – eigentlich gar nicht möglich. Servette erholt sich in der zweiten Pause, marschiert und dominiert im letzten Drittel wieder. Fast wie in der ersten Partie. 11:2-Torschüsse im dritten Abschnitt. Das raue, das wahre Servette. Die logische Folge: In der 57. Minute gleicht Roger Karrer zum 2:2 aus. Auf der Tribüne seufzt Spielplanchef Willi Vögtlin: «Ach, wir werden nach Mitternacht noch hier sitzen.» Tatsächlich wäre eine Verlängerung logisch gewesen. Mit eher unerfreulichen Aussichten für die Bieler, die mehr und mehr in den Seilen hängen wie einst Mohamed Ali gegen George Foreman im «Kampf des Jahrhunderts».
Wir wissen nicht, in welcher Verfassung Biel in der Verlängerung gewesen wäre. Ein Künstler erspart Biel die Verlängerung. Damien Brunner trifft mit einem Kunstschuss 7,4 Sekunden vor dem Ende zum 3:2. Auf den ersten Blick scheint dieser Treffer haltbar. Aber Brunner drückt so unerwartet ab, dass es eher ein Geniestreich ist. Es wäre unfair, aus diesem Kunstschuss-Treffer durch die Bezeichnung «haltbar» ein gewöhnliches Tor zu machen.
Der Final steht 1:1. Und Biel steht am Dienstag in Genf wieder vor der Frage: Wie lässt sich die «Lawine Servette» aufhalten?