Andreas Ming spielt für Neuseeland die WM-Ausscheidungen im Unihockey – ein nicht alltäglicher Sportlerweg.
Die USA hat es und Neuseeland hat es auch. Wer auf der Insel geboren wird, bekommt automatisch das dortige Bürgerrecht. Dieses wird weitervererbt. Auch wenn man schon lange wieder in der Schweiz wohnt. Zumindest für eine Generation. So kommt es, dass der Schweizer Grossvater des Sachslers Andreas Ming zwar nur für 12 Jahre im Land der Kiwis weilt. Aber über den dort geborenen Vater wird die neuseeländische Nationalität auch an den inzwischen 20-jährigen Obwaldner vererbt. Was für diesen lange Zeit nur «nice to have» ist. In Neuseeland ist er nämlich nie.
In der Schweiz entdeckt er dafür in der Primarschule seine Leidenschaft fürs Hockeyspiel. Er besucht den «Kids Day» beim Sarner Unihockeyverein Ad Astra. Es gefällt ihm und wird schnell zu einem grossen Hobby. «Ad Astra ist für mich bis heute wichtig», erklärt er. «Man sieht sich jede Woche drei- bis viermal. Da wächst man schon zusammen. Das Sportliche steht natürlich im Vordergrund, aber wir haben es auch im Ausgang immer lustig.» Aktuell spielt er in der U21 des Vereins.
Zwar sind gewisse sportliche Ambitionen da. Dennoch staunt er nicht schlecht, als ihn die neuseeländische Nationalmannschaft kontaktiert. «Ein Unihockeykollege von mir war 2016 für einen Austausch ein halbes Jahr in Wellington», erzählt Andreas Ming. «Ich bin seinem dortigen Gastverein auf Instagram gefolgt. Auf einem meiner Fotos auf Instagram waren auch meine beiden Pässe zu sehen. Kurzerhand schrieb mich eine Spielerin über den Vereinsaccount an und fragt, ob ich für Neuseeland spielen wolle. Aus Spass schrieb ich ihr ‹Warum nicht? Ich wollte schon immer mal in mein zweites Heimatland›.»
Nach Neuseeland kommt er jedoch nicht sofort. Zwar macht er bei der Nationalmannschaft mit. Die erste WM-Qualifikation findet allerdings in Südkorea statt. Das beste Resultat ist ein Unentschieden und Neuseeland scheidet aus. Dann im Herbst der erste grosse Erfolg: Bei der Ausscheidung zur U19-Weltmeisterschaft im eigenen Land qualifiziert sich die neuseeländische Mannschaft für die Endrunde. Eine Premiere. Und der Doppelbürger Andras Ming ist zum ersten Mal in seiner «zweiten Heimat». 30 Stunden dauert der Flug nach Down Under. Dort ist alles etwas grösser. Das Training findet in Wellington in einer riesigen Sporthalle statt. Sechs Unihockeyfelder finden nebeneinander Platz. An der WM ein halbes Jahr später in Kanada belegen die Kiwis zwar den letzten Platz. Aber immerhin waren sie dabei.
Da muss Andreas Ming schmunzeln: «Wenn die Leute hören, dass ich in der neuseeländischen Nationalmannschaft spiele, dann heisst es ‹Wow, du spielst in der Nati›. Aber das Niveau ist ein ganz anderes. In Neuseeland haben sie 300 bis 400 Lizenzierte. In der Schweiz sind es 33000 in über 300 Vereinen. In Neuseeland hat es nur vier Hauptvereine.»
Eigentlich wollte Andreas Ming nicht an die WM-Ausscheidung bei den Erwachsenen von diesem Jahr fahren. Nach einer Lehre als Elektroniker besucht Andreas aktuell die Berufsmatura an der BWZ in Sarnen. Die Schule tut einiges für Sporttalente. Mit der Möglichkeit, die Matura in zwei Jahren zu machen und einer Sportbeauftragten kommt man den Talenten weit entgegen. Momentan nutzen zwei Ruderer und ein Fussballspieler diese Möglichkeit. Andreas Ming ist nicht in diesem Programm. Für ihn hat die Schule momentan klar Priorität. Auch aus finanziellen Gründen kam für ihn ein «Hockeyausflug» nicht in Frage. Da die Neuseeländer keinen Sponsor haben, müssen die Spieler die Flüge und die Hotels selbst bezahlen.
Doch dann fallen immer mehr Spieler verletzt aus. Für Ming ist klar, dass er seine Teamkollegen nicht hängen lässt. Etwa 2000 Franken kostet ihn der ganze Ausflug. Doch dies ist es ihm wert: «Dafür bekomme ich etwas Unbezahlbares, spannende Erlebnisse und tiefe Freundschaften. Als ich das erste Mal in Neuseeland spielte, habe ich während der anschliessenden Rundreise nie in Hotels übernachtet. Ich war immer bei Spielern und ihren Kollegen eingeladen. Das kann man nicht mit Geld aufwiegen.» Ein grosser Gewinn, auch wenn das Team die Qualifikation nicht schaffen sollte.