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Viele Sportvereine klagen über Leitermangel. Abhilfe schafft das 1418-Coach-Projekt, wie Stippvisiten in drei Klubs zeigen.
Es ist Dienstagabend, in der Turnhalle in Gelfingen wird geübt. Zwar sind Schulferien, doch Zeit für ein Spezialtraining muss sein. Eine Gruppe des Tanzvereins ValDanza studiert eine Choreografie für einen Film ein. Er dient als Ersatz für die Aufführung aus dem Frühjahr, die wegen der Coronamassnahmen abgesagt werden musste. An vorderster Front steht Nadine Widmer und zeigt die Bewegungen vor. Die 16-jährige Luzernerin aus Gelfingen ist Hilfsleiterin, im vergangenen Februar liess sie sich in Willisau zum 1418-Coach ausbilden (siehe Kasten). «Ich tanze seit neun Jahren und wollte unbedingt eine Gruppe leiten. Die Ausbildung hat mir megaviel gebracht. Ich weiss nun, wie ich an die optimale Planung einer Lektion herangehen muss», erzählt sie. Ihrer Kreativität kann Widmer dabei freien Lauf lassen. So hatte sie für die letzten Sommertanztage bereits eine eigene Choreografie kreiert.
Seit dem Herbst 2016 bietet ValDanza Tanzlektionen für Kinder und Jugendliche von der ersten Primarklasse bis zur dritten Oberstufe an, Jahr für Jahr zählt der Verein mehr Mitglieder. «Tanzen ist für mich Lebensfreude pur», erzählt Nadine Widmer, die sich beruflich zur Pflegefachfrau ausbilden lässt. Der 1418-Coach-Kurs habe sie auch auf schwierige Momente vorbereitet; wenn die Kleineren nicht zuhören etwa oder wenn es Streit gibt. «Dann spreche ich zur ganzen Gruppe und versuche, Kompromisse zu finden, betone aber auch: Ich bin der Chef.» Die Klärung eines Konflikts wird stets mit einem Handshake abgeschlossen.
Zum 1418-Coach ausbilden liess sich auch Sven Schäufele – und zwar im Herbst 2019 in Magglingen. Der heute 18-jährige Nidwaldner spielt Handball bei den U19-Junioren der SG Stans/Füchse Emmenbrücke und ist Assistenztrainer bei den U14-Mädchen in Stans. Zwei Tage habe der Kurs gedauert, inklusive Übernachtung vor Ort. «Auch Vertreter anderer Sportarten, wie Fussball und Badminton, waren in derselben Halle», berichtet er. Im Theorieblock sei es um allgemeine Anweisungen gegangen, «Verhaltensregeln wie zum Beispiel, dass man vor der Gruppe nicht fluchen soll». Der praktische Teil bezog sich dann auf sportartspezifische Aspekte. «Wir lernten das Durchführen von Aufwärmübungen. Und an verschiedenen Posten wurde uns gezeigt, wie eine Links-/Rechtstäuschung oder ein Sprungwurf aussehen soll», erinnert sich Schäufele.
Speziell: Am Ende der Schulung durchmischten sich die Absolventen aus den verschiedenen Sportarten und zeigten sich gegenseitig Übungen aus ihren Disziplinen. «Der Kurs gibt dir Selbstsicherheit. Du spürst: Ich kann das und darf da jetzt als Trainer hinstehen», sagt Schäufele. Die Ausbildung rüste für den Alltag im Verein, vermittle das Wissen, das es für eine gute Übungseinheit brauche. «Wichtig ist eine gute Vorbereitung: Wenn ich etwas über das Überzahlspiel erzählen will, darf ich das nicht spontan tun. Zudem sollte das Training einen roten Faden haben.»
Unterstützt wird er jeweils von einem erfahrenen J+S-Coach, die Übungen für seine Gruppe führt Schäufele aber eigenständig durch. Für die eigene Aktivkarriere erhofft sich der Spielmacher dereinst Einsätze im NLB-Team des BSV Stans.
Eine Laufbahn im Leistungssport könnte sich auch der Zuger Luciano Hediger gut vorstellen. Nicht als Spieler, aktuell steht der 20-Jährige aus Hünenberg im Tor der 4.-Liga-Mannschaft des SC Cham, sondern als Chefcoach an der Seitenlinie. «Der Weg zum Profitrainer ist schwierig. Im Hinterkopf habe ich das aber schon, träumen darf man ja», erzählt der Sportmanagement-Student und schmunzelt. Derzeit ist er der Hauptverantwortliche bei den Chamer Da-Junioren und macht Stützpunktrainings für das Team Zugerland. Zusammen mit den eigenen Einsätzen steht er pro Woche bis zu siebenmal auf dem Fussballplatz. Bereits als 14-Jähriger half er bei der Ausbildung der Kleinsten. «Als Junior habe ich dem Trainer bereits erklären wollen, wie er aufstellen soll. Das fand er nicht so toll. Mein Vater sagte mir dann: Trainer sein sei nicht so einfach. Ich solle es doch selber probieren.» Und so war er 2016 in Zug einer der ersten, die sich zum 1418-Coach ausbilden liessen. Auch er schätzte den guten Mix aus Theorie und Praxis, vorgestellt wurde zudem das Präventionsprogramm «cool and clean» von Swiss Olympic, das sich für erfolgreichen, fairen und sauberen Sport einsetzt. Im Umgang mit den Junioren ist Hediger auf eine gute Balance zwischen Spass und Disziplin bedacht. «Man darf nicht zu stark auf Kumpel machen, sonst ist der Respekt schnell dahin. Im Spiel und während der Übungen sind wir sehr fokussiert, in den Pausen und danach haben wir es lustig.»
Nadine Widmer, Sven Schäufele und Luciano Hediger zählen in ihren Kantonen zu den 1418-Coach-Pionieren. Indem sie mehr Verantwortung übernehmen, binden sie sich noch enger an den Verein. Widmer wird sich mit 18 zum J+S-Coach ausbilden lassen, dasselbe plant Schäufele im nächsten Jahr nach abgeschlossener Matura. Hediger ist bereits im Besitz des C+-Trainerdiploms und hat selber einen 1418-Coach zur Seite. «Man muss es wollen und dranbleiben», betont Hediger. «Auf diese Weise kann ich mir auch etwas dazuverdienen», sagt Schäufele. Und Widmer hält fest: «Ich liebe es, den Schülern etwas beizubringen und das Strahlen in ihren Gesichtern zu sehen. Das ist Freude am Sport.»
Die Hauptsorgen der Sportvereine sind die Gewinnung und Bindung von Nachwuchskräften und Ehrenamtlichen, das ergab eine Studie des Observatoriums für Sport und Bewegung. Um dem entgegenzuwirken, rief der Kanton Zürich 2015 das Projekt «1418coach» ins Leben. Hierbei handelt es sich um eine zweitägige und sportartenspezifische Hilfsleiterausbildung für 14- bis 18-Jährige. So soll die Lücke im Leiternachwuchs geschlossen werden, da eine J+S-Leiterausbildung erst ab 18 Jahren möglich ist.
Die Zahl an Ausbildungswochenenden und die Vielfalt der Sportarten nimmt seither stetig zu. Weitere Kantone haben sich angeschlossen, darunter Zug (seit 2016), Nidwalden (2019), Schwyz und Luzern (beide 2020). Auch Obwalden und Uri prüfen derzeit den Bedarf. «Wir erhalten regelmässig die Rückmeldung, dass eine Hilfsleiterausbildung für Jugendliche in den Vereinen geschätzt wird», sagt Pascale Giaimo, Projektleiterin im Amt für Sport des Kantons Zug stellvertretend für die anderen Regionen. So haben Zug (180), Nidwalden (39), Schwyz (17) und Luzern (82) schon über 300 Jugendliche zu 1418-Coaches ausgebildet. Mehr werden folgen, Luzern führt Ende Oktober Kurse im Schwimmen, Kampfsport, Leichtathletik und Geräteturnen durch, Schwyz plant im November Turnkurse, Zug hat Eishockey, Fussball, Unihockey und Turnen im Programm, Nidwalden widmet sich im Dezember dem Schneesport (Skifahren, Snowboard, Langlauf). Immer vorausgesetzt, dass es die Massnahmen gegen das Coronavirus erlauben.
Wenn ein Kanton die gewünschte Sportart nicht anbietet, darf er Jugendlichen in die Partnerkantone schicken. «Wir haben laufend Koordinationssitzungen mit allen beteiligten Kantonen. So kann ein möglichst optimaler Austausch gewährleistet werden», sagt Eliane Koch von Luzerns Dienststelle für Gesundheit und Sport. Kantonsübergreifend am meisten Mangel an Hilfsleitern scheint in den Turnsportarten zu bestehen. «Viele Jugendliche treten nach der Oberstufe aus, weil es oft kein passendes Angebot mehr gibt», berichtet Karin Strüby von der Abteilung Sport im Kanton Schwyz. «Für die Jugendriege fühlen sie sich zu alt, für die Aktivriege zu jung. Um sie nicht für immer zu verlieren, muss man ihnen eine Aufgabe geben.» Ein Bericht des Kantons Zürich hielt dabei fest, dass 76 Prozent der 1418-Coach-Absolventen anschliessend einen J+S-Leiterkurs besuchen wollten.
Hinweis: 1418coach.ch