Die Melchsee-Frutt stand vier Tage im Zeichen des Weltcups. Die Stanserin Beatrice Zimmermann verpasst einen Heimsieg.
Schon bei der Anfahrt zur Gemeinde Kerns, dem Tor zum Melchtal, weist ein überdimensionales Plakat auf den Grossanlass auf Melchsee-Frutt hin. Das Skigebiet oberhalb der Stöckalp war bereits vor einem Jahr Gastgeber für die Telemark-Weltelite – damals noch im Gebiet Erzegg. Diesmal waren die zwei äussert selektiven Hänge Cheselen und Jähl der Ort des Renngeschehens.
Um überhaupt einen Anlass dieser Grössenordnung durchführen zu können, wurden über 200 Helfertage geleistet. Rennchef Hans Frei, der früher einige Male an Schweizer Meisterschaften teilgenommen hatte, opferte wie alle vom OK rund um Präsident Tino Tresch eine Woche Ferien, um den rund 50 vorwiegend europäischen Athletinnen und Athleten eine Topinfrastruktur und eine weltcupwürdige Strecke bieten zu können. Als Unterkunft diente den verschiedenen Nationen das Sportcamp Melchtal, jede Nation wurde separat in einer Baracke untergebracht.
Der Weltcup-Tross gastierte Anfang Woche zwei Tage im französischen Saint-Gervais, anschliessend ab Donnerstag auf Melchsee-Frutt: sechs Rennen innerhalb von sieben Tagen, dazu eine rund 350 km lange Fahrt. «Das ist körperlich und mental eine immense Belastung», sagt die 26-jährige Martina Wyss.
«Sich immer wieder im Kopf auf die Rennen einzustimmen, den neuen Gegebenheiten anzupassen und das gesamte Rendement im Körper abzurufen, ist eine sehr grosse Herausforderung.»
Ein Unterfangen, das für die Berner Oberländerin aus Lauterbrunnen am letzten Renntag nicht mehr ganz aufgegangen ist. Nach Rang vier am Montag hatte die Leaderin des Schweizer Nationalteams vier Rennen in Folge, eines in Saint-Gervais und die ersten drei auf der Frutt, für sich entschieden. Die Belastung sei wohl zu gross gewesen, Kopf und Körper hätten nicht mehr ganz mitgespielt, erklärte Wyss das Out im Halbfinal. Es sei aber trotzdem eine gute Woche für sie gewesen.
Die 26-Jährige kam durch Zufall zum Telemark. Nach einer Skilehrerausbildung wurde der früheren Alpin-Skirennfahrerin diese Sportart schmackhaft gemacht – mit Erfolg, wie die Resultate zeigen. Für die Piste hatte die gelernte Skilehrerin und Masseurin nur Lob parat: «Sie ist eine Challenge, der Hang verlangt uns alles ab.» Und wer nun glaubt, Martina Wyss könne sich nun der Regeneration frönen, sieht sich getäuscht. Jetzt bin ich wieder in Teilzeit als Masseurin tätig.» Sie will aber ob dieser Doppelbelastung nicht jammern: «Ich kann nicht vom Telemark leben, aber meine Spesen, das Material und alles, was noch dazu kommt, ist über meine Sponsoren abgedeckt.»
Ebenfalls einen versöhnlicheren Abschluss an ihren Heimrennen hätte sich Beatrice Zimmermann gewünscht. Das Aus im Parallelsprint am Sonntag kam für die Stanserin bereits im Viertelfinal. «Es war nicht mein Tag, ich wollte einfach zu viel», bilanziert sie.
«Es läuft derzeit zu viel über den Kopf. Ich zeigte einen guten Lauf im Achtelfinal, dann machte mein Körper nicht mehr ganz mit. Nach einem vierten und zwei zweiten Rängen wäre natürlich ein Sieg auf dem Heimgelände noch das Tüpfelchen auf dem i gewesen.»
Dass sie am letzten Renntag leichte Rückenschmerzen verspürte, wollte die 31-Jährige nicht als Ausrede gelten lassen. Doch sie fand schnell ihr sympathisches Lachen wieder. Ria, der Hofhund ihrer Eltern, brachte sie bei einem kurzen Spaziergang im Schnee auf andere Gedanken und machte so, zumindest nach aussen, die grosse Enttäuschung ein Stück weit vergessen.
Für die Schweizer steht am kommenden Wochenende bereits das nächste Highlight auf dem Programm – die Schweizer Meisterschaften auf dem Brunni in Engelberg. Und da möchte Beatrice Zimmermann ihre Enttäuschung aus dem Kopf verdrängen. «Ich habe schon viele Medaillen an nationalen Meisterschaften geholt, aber noch keine goldene.» Wieder ist es ein Heimrennen, wieder steht sie im Fokus ihrer Freunde und Bekannten, wieder ist der Erfolgsdruck gross. Doch Beatrice Zimmermann weiss auch ein Rezept, um wieder topfit auf dem Brunni antreten zu können: «Gut erholen, den Kopf freibekommen. Und ich muss manchmal etwas frecher fahren.»
Infos und Resultate: telemark-laif.ch
OK-Präsident Tino Tresch ist nach der WM 2021 und dem Weltcup 2022 noch kein bisschen müde. Er plant bereits den nächsten Telemark-Anlass.
Wie war das Feedback auf den Weltcup-Event?
Tino Tresch: Die Rückmeldungen waren durchwegs positiv, auch wenn die Aktiven zu Beginn Respekt vor der steilen Piste mit den vielen schwierigen Übergängen hatten. Zudem wurden die Verhältnisse und die Präparation der Piste gelobt.
Am Sonntag verkündeten Sie bereits das Datum des Weltcups 2023: vom 27. bis 29. Januar. Was sind die Beweggründe?
Wir möchten den Event auf Melchsee-Frutt im Weltcup-Kalender etablieren und gleichzeitig unseren einheimischen Fahrerinnen und Fahrern eine Startgelegenheit bieten, aber auch den Telemark einem breiten Publikum zugänglich machen.
Ist das finanzielle Risiko überhaupt tragbar?
Aufwand und finanzielles Risiko sind nicht zu unterschätzen, aber dank unserer Sponsoren und Gönner hat der Anlass sicher eine gute Chance, auch in Zukunft überleben zu können. (le)