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Gewonnen hat zwar Mikaela Shiffrin. Doch nach dem Riesenslalom in Sölden lächelte vor allem Lara Gut-Behrami zufrieden. Trotz Fehler wurde sie Zweite und weiss nun: Ohne diese Patzer ist sie kaum zu schlagen. Ein emotionale Geschichte lieferte auch Michelle Gisin.
Es muss ein tolles Gefühl sein, zu wissen, dass man eigentlich noch besser fahren könnte, es aber trotzdem gereicht hat, um alle Konkurrentinnen ausser einer hinter sich zu lassen. Lara Gut-Behrami sagt: «Ich war in beiden Läufen bei manchen Toren zu früh dran und stand nicht gut auf dem Aussenski. Das ist nicht schnell, aber schnell genug, um hier auf das Podest zu fahren.»
Und so stand sie selig lächelnd im Zielraum von Sölden, mit sich und der Welt ganz offensichtlich im Reinen. Natürlich: Lara Gut-Behrami hat den Riesenslalom nicht gewonnen. Die Amerikanerin Mikaela Shiffrin war noch 14 Hundertstelsekunden schneller. Aber das schien die 30-Jährige nicht zu stören. Sie sagt: «Dass ich trotz Fehler so mitmischen kann, stimmt mich sehr positiv.»
Der Konkurrenz sollte dieses Lächeln, diese Gewissheit, in Form zu sein, Kopfzerbrechen bereiten. Während Gut-Behrami Luft nach oben sieht, sprach Shiffrin von zwei nahezu fehlerfreien Läufen, die ihr gelungen seien. «Mir fehlte im ersten Durchgang vielleicht einzig ein wenig das Feuer, das Lara hatte.»
Shiffrin, die ihr 70. Weltcuprennen gewann, unterstrich aber ihrerseits ihre Ambitionen, nach zwei schwierigen Saisons, die auch geprägt durch den Unfalltod ihres Vaters waren, im Gesamtweltcup wieder ein Wörtchen mitreden zu wollen. Gleiches gilt für Petra Vlhova. Die Slowakin, die im vergangenen Winter erstmals die grosse Kristallkugel gewinnen konnte, wurde in Sölden Dritte.
Es sind also die üblichen Verdächtigen, die sich bereits nach dem ersten Rennen der Saison, als prägende Figuren des Winters herauskristallisieren. Wenn man bedenkt, dass bei Lara Gut-Behrami der Grundsatz gilt: funktioniert der Riesenslalom-Schwung, sieht es auch für Super-G und Abfahrt sehr gut aus, ist das für die Schweizerin ein Grund mehr, selig zu lächeln.
Ebenfalls allen Grund positiv in die Zukunft zu schauen, hat Michelle Gisin. Anfang Juli erkrankte sie am Pfeifferschen Drüsenfieber und war zwischenzeitlich so geschwächt, dass sie dachte: «Das geht nie mehr weg.» Nun ist sie zurück.
Noch ist sie zwar längst nicht so fit, wie vor der Erkrankung. Doch Rang 25 direkt hinter Andrea Ellenberger und besonders die Tatsache, dass sie überhaupt schon wieder starten konnte, fühlten sich für sie grossartig an. «Zwischenzeitlich haben wir davon gesprochen, dass ich vielleicht im Dezember wieder mit dem Skitraining anfangen kann. Jetzt bin ich schon wieder dabei.»
Zu Beginn der Erkrankung war sie teilweise so geschwächt, dass sich ein kurzer Spaziergang wie ein Marathon anfühlte. «Ich schaffte vielleicht einen Kilometer mit drei kleinen Pausen dazwischen und einer langen danach.» Fast einen Monat lang ging es ihr immer schlechter. «Und dann kam ein Monat, in dem es zwar nicht schlimmer, aber auch nicht wirklich besser wurde.»
Das alles belastete sie sehr. «Ich hatte enorme Stimmungsschwankungen. Dabei kennt man mich ja sonst als positiven und stabilen Menschen.» Aufgefangen, zumindest so gut es ging, wurde Gisin von ihrem Freund, von ihrer Familie und vom Team.
Im September spürte sie dann plötzlich, dass es besser wird. Nur langsam zwar. Aber immerhin. Ob sie in Sölden starten wird, liess sie lange offen, wollte es selbst aber unbedingt. Um zu erfahren, ob es geht. Nicht nur physisch. Da war die Zuversicht gross. Aber vor allem im Bereich der Wahrnehmung bestanden Zweifel.
Noch vor einem Monat hielt es Gisin nicht aus, wenn am Nebentisch jemand spricht. Wenn es laut war, oder die optischen Eindrücke zu gross wurden. Noch heute trägt sie eine Spezialbrille, die Reize mindert. «Doch wenn man bedenkt, dass ich hier sein kann in diesem Trubel, ist es ein riesiger Fortschritt.» Fast wie neu geboren.