SCHWINGEN: «Hey Benji, Vollgas am Sonntag!»

Benji von Ah hofft auf Nervosität am Ob-/Nidwaldner Kantonalen in Sachseln. Von Giswil bringt ihn so schnell keiner weg.

Claudio Zanini
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Fühlt sich hier sichtlich wohl: Benji von Ah auf der Wiese vor seinem Elternhaus in Giswil. (Bild Corinne Glanzmann)

Fühlt sich hier sichtlich wohl: Benji von Ah auf der Wiese vor seinem Elternhaus in Giswil. (Bild Corinne Glanzmann)

Claudio Zanini

Benji von Ah sitzt mit aufrechter Haltung am Küchentisch seines Elternhauses in Giswil. Vor ihm liegt eine aufgeschlagene Regionalausgabe unserer Zeitung. Konzentriert wandern seine Augen über die Seiten des Sportteils – just in dem Moment, als der Sportreporter erscheint. Sein prägnantes Lachen kann sich von Ah nicht verkneifen, die Szene wirkt gestellt. «Doch, doch. Ich lese jeden Tag Zeitung. Und ich schaue auch jeden Abend Nachrichten im Fernsehen.» Vielleicht könne man mit ihm nicht über Atomenergie debattieren, da kenne er sich zu wenig aus, aber informiert sei er.

Dass auch er oft in den Medien erscheint, daran hat sich der 28-jährige Spitzenschwinger längst gewöhnt. «Im letzten Jahr habe ich das mediale Interesse mit meinem Bart fast ein wenig provoziert», sagt der mittlerweile weniger bärtige Obwaldner. 2014 liess er seiner Gesichtsbehaarung ihren beachtlichen Lauf. An der Engelberger «Bartabhauätä» im Oktober trennte er sich von der Haarpracht. Jetzt wolle er den Bart nicht mehr so wachsen lassen, winkt er ab.

Es ist ein Beispiel für die Strahlkraft des Schwingers, welche über die Kantonsgrenzen hinausreicht. Rasiert sich der Sympathieträger eine Weile lang nicht, bekommen das alle mit. In Ob- und Nidwalden sowieso, als profiliertester Schwinger des Verbands. Seine Popularität nutzt er mit Verantwortung. «Ich probiere vor allem ein Vorbild für die Jungschwinger zu sein», sagt von Ah, der «noch nie im bisherigen Leben» Alkohol getrunken hat. Als J+S-Leiter trainierte er auch den Schwingernachwuchs. Momentan fehle ihm aber die Zeit dafür.

«Das wollen viele nicht zugeben»

Benji von Ah positioniert sich auf der Wiese vor seinem Elternhaus und schaut über den Sarnersee Richtung Sachseln. Morgen Sonntag wird er dort das Kantonale bestreiten, das er 2010 und 2011 für sich entscheiden konnte. Im letzten Jahr erreichte er den 2. Rang. Natürlich zählt er zu den Top-Favoriten. «Mir fehlt in dieser Saison noch die Nervosität», sagt er, das habe er an den ersten Rangschwinget gemerkt. Ein nervöser Benji von Ah? Gibt es so etwas? «Das gewisse Wettkampffieber meine ich. Die letzte Entschlossenheit», fügt er hinzu. Nach der Zerrung des Rückenmuskels im letzten Mai kann der begnadete Kurzzüger wieder sämtliche Schwünge ausführen. Druck verspürt er vor dem heimischen Kantonalen nicht. «Zu Beginn meiner Karriere setzte ich mich manchmal unter Druck, aber das war einmal.» Die Aussicht auf eine Saison ohne Eidgenössisches, ohne Kilchberger und Unspunnen wirke sich negativ auf die Anspannung aus – ein Phänomen, das der erfahrene Schwinger, der 2004 in Luzern sein erstes Eidgenössisches bestritt, auch bei seinen jüngeren Klubkollegen der Sektion Giswil beobachtet. «Das wollen viele nicht zugeben, aber man merkt im Winter schon an der Trainingsintensität, ob grosse Feste anstehen.» Während von Ah über die Wiese geht, ruft sein Nachbar und Fanclub-Leiter hinüber: «Hey Benji! Vollgas am Sonntag, gell!». Und wieder dieses ureigene Lachen. Es ist ansteckend.

Einen Benji von Ah davonjagen?

In Giswil ist ihm immer noch am wohlsten, zu Hause bei seinen Eltern und den beiden Geschwistern. Obwohl von Ah als Spezialmonteur der SBB in der Regel am Bahnhof Luzern arbeitet, und dies bereits ab 6.45 Uhr tagtäglich, möchte er lieber pendeln, als in der Stadt wohnen. «Es gefällt mir sehr gut in der Stadt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dort zu leben.» Wohnungsinserate schaue er immer an, «aber bei diesen Mietzinsen wohne ich lieber weiterhin in Giswil». Solange es zu Hause funktioniert, gebe es keinen Grund für einen Wegzug, «ausser meine Eltern jagen mich davon». Einen Benji von Ah irgendwo davonjagen – es ist schlicht unvorstellbar. Wo er hinkommt, wird er mit Wohlwollen empfangen. Als er kürzlich in Zürich arbeitete, wurde ihm das einmal mehr bewusst. «Es erstaunte mich schon ein wenig, dass mich Leute am Hauptbahnhof erkannten und ansprachen», sagt der dreifache Eidgenosse.

Er träumt davon, eines Tages in einem eigenen Haus zu wohnen. «Am ehesten in Giswil» solle dieses Haus stehen. Auch wenn er irgendwann beabsichtigt, Giswil zu verlassen, stellt sich immer noch die Frage, ob die Obwaldner ihren lokalen Helden ziehen lassen würden.

Ob- und Nidwaldner Kantonalfest

Sachseln. Festplatz Schulanlagen Mattli. Sonntag, 7.30: Anschwingen. – 10.00: Sonntagsstille. – 11.30: Mittagessen. – 13.15: Fortsetzung der Wettkämpfe. – 13.30: Steinstossen. – 17.00: Schlussgang. – 18.00: Rangverkündigung und Kranzabgabe.

Titelverteidiger: Martin Zimmermann (Ennetbürgen).

Favoriten: Benji von Ah (Sieger 2010, 2011), Marcel Mathis (Sieger 2012), Peter Imfeld (Sieger 2006, 2008, 2013), Martin Zimmermann, Andi Imhof, Christoph Bieri.

Kronprinzen: Lutz Scheuber, Stefan Gasser, Melk Britschgi, Thomas Hurschler.

Stärkste Gäste: Christoph Bieri, Bruno Nötzli, Alain Müller, Bruno Müller, Philipp Schuler.

Wichtigste Absenz: Matthias Siegenthaler (verletzt).