SCHWINGEN: Mentale Stärke für Burgdorf

Der Zuger Kampfkunstmeister Christian Mayer bringt 16 Luzernern Mentaltraining und Energieübungen bei. Das soll sich beim Eidgenössischen vom Wochenende auszahlen.

Hans Peter Roth
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Die Luzerner üben in der Schwinghalle Berghof in Wolhusen unter der Anleitung von Christian Mayer (vorne links) den «Kranich». (Bild Hans Peter Roth)

Die Luzerner üben in der Schwinghalle Berghof in Wolhusen unter der Anleitung von Christian Mayer (vorne links) den «Kranich». (Bild Hans Peter Roth)

16 Männer suchen ihre Balance. Auf einem Bein, die Arme kreisförmig vor sich. Ausatmen, beide Hände vor den Nabel, Augen geschlossen. Erstaunlich: Die Männer, die hier den «Kranich» üben, sind gestandene Schwinger. Aufmerksam blickt Christian Mayer (45) in die Runde. «Alle machen bei dieser fernöstlichen Energieübung voll mit», freut er sich. «Jeder kann im Idealfall etwas daraus schöpfen, das für ihn wichtig ist.» Aus eigenen Stücken kommen die Schwinger in die Schwinghalle Berghof in Wolhusen, um unter der Leitung von Christian Mayer und seinem Kollegen Sven Patrick Stecher Mentaltrainings zu absolvieren.

Im Sommer 2012 fragte der Luzerner Kantonalverband Christian Mayer um ein mentales Coaching an. Der Zuger zögerte nicht. Ein Testseminar begeisterte einen Teil der Schwinger auf Anhieb. Rund ein Drittel entschied sich für sechs weitere Seminare, die ihnen als Vorbereitung auf das Eidgenössische Schwingfest vom 31. August/1. September in Burgdorf dienen sollten.

Entlebucher Durststrecke beendet

Schon Jahre zuvor war der kantonale Verband auf den erfahrenen Mental­coach und Sportkinesiologen aus Unterägeri aufmerksam geworden. 2003 hatte der Kampfkunstmeister den Entlebucher Schwingerverband betreut. Mit Erfolg. Nach jahrzehntelanger Durststrecke holten die Entlebucher 2004 beim Eidgenössischen in Luzern endlich wieder einen eidgenössischen Kranz. Ueli Banz aus Hasle, der vergangene Woche verletzungsbedingt seinen Rücktritt bekannt gegeben hat, wurde damals hervorragender Vierter.

René Riedweg, heute Betreuer der Luzerner Schwinger, hatte Mayer vor zehn Jahren zu den Entlebuchern geholt und war vom durchschlagenden Erfolg beeindruckt. Nun ist er froh, den Coach für die Luzerner Schwinger wieder an Bord zu haben: «Der mentale Faktor ist heute unverzichtbar. Christian Mayer hat mit seiner langen Erfahrung, Dominanz und mitreissenden Überzeugungskraft genau die richtige Mischung, um unsere Jungs fürs Eidgenössische mental richtig einzustellen.» Aus der Gruppe, die regelmässig bei Mayer trainierte, dürfen am Wochenende Roman Emmenegger, Armin Muff, das erst 16-jährige Jungtalent Joel Wicki und die Gebrüder Reto und Hansjörg Gloggner am Saisonhöhepunkt in Burgdorf teilnehmen.

Ziel: Mentale Überlegenheit

Wie kann der urschweizerische Kampfsport Schwingen von fernöstlicher Kampfkunst profitieren, wie sie Christian Mayer oder Sven Patrick Stecher praktizieren? «Im Schwingen ist der Stellenwert des geistigen Energietrainings noch weniger hoch als in Fernost», erklärt Mayer, der seit jüngster Kindheit Kampfkunst betreibt. Er hat die koreanische Schwertkunst Haidong Gumdo in der Schweiz eingeführt und in dieser Disziplin mit dem Schweizer Team in Südkorea dreimal WM-Gold gewonnen. Zudem ist er soeben von der ersten Kampfkunst-Olympiade «Mulympics» aus Korea zurückgekehrt, wo ein von ihm betreutes Team aus Eich drei Bronzemedaillen holte. «Mit motivierten Schwingern erarbeiten wir einen entscheidenden Vorteil, der am Ende den Sieg ausmachen kann: mentale Überlegenheit. Denn am Anfang jeder Handlung stehen Geist, Gedanken und eine innere Haltung.» Coaching-Kollege Sven Patrick Stecher (49), Aikido-Meister und Unternehmensberater, ergänzt: «Ausschlaggebend ist die Begeisterung. Ein Begriff, der den Geist und die Idee mit hoher Energie verbindet. Wer so in den Ring tritt, ist mental überlegen und hat die besseren Karten.»

Spass steht im Zentrum

Zusammengefunden haben Christian Mayer und Sven Patrick Stecher anlässlich eines Change-Management-Projekts innerhalb der schweizerischen Bundesverwaltung. Nun treiben sie gemeinsam das Projekt «o-gumdo mind in motion» für Sport- und Unternehmensbetreuung voran – ein «Fitnessprogramm für Geist und Körper» mit Hilfe des «Gumgum», eines gepolsterten Kunststoffschwerts. So kam das Gumgum auch beim Training der Luzerner Schwinger zum Einsatz – zum sichtlichen Vergnügen der Männer. Spass sei ein matchentscheidender Faktor, sind sich die beiden Coaches einig.

Beim letzten Mentaltraining vergangene Woche in Wolhusen befanden sich die Schwinger buchstäblich auf der Zielgeraden: Im Freien war Bogenschiessen angesagt. «Es ging um die Verbindung mit dem Ziel», erklärt Mayer, «darum, ins Schwarze zu treffen.» Denn nun sei das Ziel vor Augen: das Eidgenössische in Burgdorf. «Das Ziel ist klar: möglichst gut abzuschneiden – oder zu gewinnen.» Alles sei nun möglich, auch der Sieg. «Diese Art von Mentaltraining sprengt Grenzen und zeigt, dass man viel weiter gehen kann, als man zunächst denkt.» Und für Betreuer René Riedweg ist bereits jetzt klar: «Nach dem Fest ist vor dem Fest. Wir bleiben mit diesem Mentaltraining dran und werden nach Burgdorf schon auf das nächste Eidgenössische hinarbeiten.»

Hinweis

Lesen Sie morgen zum Eidgenössischen: Die Regentschaft der Berner.

Was ist der Sinn von Mentaltrainings?

Hansjörg Gloggner, Sie sind einer der 16 Schwinger, die bei Christian Mayer ein Mentaltraining absolviert haben. Wie kam es dazu?
Hansjörg Gloggner:
Wir Schwinger des Luzerner Kantonalverbands konnten bei ihm ein Testseminar besuchen. Viele waren natürlich skeptisch, ob Mentaltraining überhaupt etwas bringt. Nicht allen passt so ein Training. Ich wusste aber, dass mich das sicher weiterbringen kann.

Wie lautet Ihr Fazit nach den sechs Seminaren, die Sie in diesem Sommer absolviert haben?
Gloggner:
Christian Mayer hat sich extrem gut vorbereitet und seine Übungen auf uns Schwinger abgestimmt. Das Training war eine gute Erfahrung, uns wurde es nie langweilig. Man hat gemerkt, dass er sein Metier versteht – mit seiner Ausstrahlung hat er uns mitgezogen.

Was hat Ihnen das Mentaltraining hinsichtlich des Eidgenössischen gebracht?
Gloggner:
Wir haben mit gepolsterten Kunststoffschwertern zum Beispiel simuliert, wie man gegen einen übermächtig scheinenden Gegner antritt, und gelernt, dass man sich nicht fürchten darf. Die mentale Vorbereitung auf einen Gang ist sehr wichtig. Die Einstellung muss stimmen, wenn man ins Sägemehl tritt. Und ich kann sagen: Seit den ersten Mentaltrainings merke ich, dass die Übungen tatsächlich etwas bringen.

Jonas von Flüe