Die Arena steht - mit Gabentempel für 800'000 Franken, Potzmusig-Arena, Party-Zone und zehn Festzelten. Alles ist bereit für das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest, das in Burgdorf erstmals seit 1995 (Thomas Sutter in Chur) mit einem «Heimsieg» enden könnte.
Das Schwingen kehrt an diesem Wochenende in die Nähe seines geographischen Ursprungs zurück. Aus dem 13. Jahrhundert wurden erste Zeichnungen überliefert. Der «Hoselupf» gehörte im Emmental zu jedem besseren Fest. Schon damals ging es hoch zu und her, so dass die Kirche im 16. und 17. Jahrhundert das Schwingen verbot. Vor der Gründung des Schwingerverbandes (1895) gab es ein Dutzend Schwingerkönige alleine aus dem Trub. Seit dem ersten «offiziellen» Eidgenössischen 1895 in Biel wurde dagegen bloss noch ein weiterer Truber Schwingerkönig. Die Dimension, die das Eidgenössische mit der Zeit angenommen hat, hätten sich die Schwinger von einst nie vorstellen können. Sie gefällt selbst heute längst nicht allen. Vor drei Jahren gingen die Burgdorfer Organisatoren davon aus, dass sie das Fest im Vergleich zu Frauenfeld redimensionieren würden. Dann packte auch sie der Gigantismus. Das Budget für das Fest an der Pforte zum Emmental beträgt 25 Millionen Franken, fast fünfmal mehr als beim letzten Eidgenössischen im Bernbiet vor 15 Jahren im Berner Wankdorf (5,5 Millionen).
Sportlich erscheint die Ausgangslage völlig offen. Ein eindeutiger Favorit wie vor drei Jahren der dreimalige König Abderhalden Jörg ist diesmal nicht auszumachen. Es gibt so viele Königsanwärter wie noch nie. Trotz offener Ausgangslage würde es aber überraschen, wenn es nicht erstmals seit dem Eidgenössischen Schwingfest 1995 von Chur, wo sich der Nordostschweizer Thomas Sutter durchsetzte, einen Heimsieg geben würde. Zu stark präsentierten sich die Berner «Mutzen» in den vergangenen Wochen und Monaten insbesondere in den Vergleichen mit den anderen Teilverbänden, beispielsweise auf dem Schwarzsee (gegen die Nordostschweizer) und dem Brünig (gegen die Innerschweizer). Es laufen schon Wetten, in welchem Gang die Einteilung nicht mehr darum herumkommen wird, Berner miteinander schwingen zu lassen, was vor dem Schlussgang nicht üblich ist.
Die Berner tun aber gut daran, die Konkurrenz nicht zu unterschätzen. Wenn es den Innerschweizern, Nordost-, Nordwest- und Südwestschweizern gelingt, eine Allianz gegen die Berner zu bilden, dann könnten die Mutzen sowohl im Sägemehl wie in der Einteilung unliebsame Überraschungen erleben. Noch in guter Erinnerung ist das Unspunnenfest von 2011. Damals traten die Berner als ebenso klare Favoriten an wie diesmal, schon am Sonntagvormittag fielen aber alle ihre Favoriten aus der Entscheidung.
Den engsten Favoritenkreis in Burgdorf bilden die Schwingerkönige Arnold Forrer (NOS) und Kilian Wenger (BE), ausserdem Martin Grab (IS) und Christian Stucki (BE), die beide schon Feste mit eidgenössischem Charakter gewonnen haben, der Heimschwinger Matthias Sempach (BE), der stärkste Schwinger der letzten Jahre, der heuer aber nicht mehr so dominiert hat wie beispielsweise 2012, die Kronfavoriten Bruno Gisler (NWS) und Philipp Laimbacher (IS) sowie die Aussenseiter Simon Anderegg (BE), Christoph Bieri (NWS), Michael Bless (NOS), Adi Laimbacher (IS) und Christian Schuler (IS). Von den ganz Bösen fehlt in Burgdorf nur Daniel Bösch, der Sieger auf der Unspunnenmatte von 2011, der sich nach drei Festsiegen im Frühling am Knie verletzt hat.
Die Berner Gastgeber stellen mit König Kilian Wenger, der nach zwei von Verletzungen geprägten Jahren zur Spitze zurückgefunden hat, Matthias Sempach, der weiter den Ton angibt, und Wundertüte Christian Stucki aber die drei Topfavoriten. Dahinter verfügen die Berner ausserdem über starke Kräfte, die ebenfalls in die Bresche springen könnten, aber auch über junge Talente, die im Windschatten der Spitzenschwinger immer weiter nach vorne kommen. Die Berner wollen in Burgdorf wie in Frauenfeld ein Dutzend Kränze holen und am Ende natürlich den Schwingerkönig stellen.
Mit 85 Schwingern stellen die Innerschweizer das grösste Kontingent; ihr breites Kader ist durchaus ein Trumpf. Der Festsieg steht für die Innerschweizer, die bei ihren Paradefesten auf der Rigi und am Innerschweizerischen in Emmen den Sieg Gästen haben überlassen müssen, aber nicht im Vordergrund. Die stärksten Innerschweizer sind immer noch Adi und Philipp Laimbacher, Andreas Ulrich, Christian Schuler, Peter Imfeld und Benji von Ah. Neue Gesichter haben sich nicht in den Vordergrund geschwungen.
Auch bei den Nordostschweizern reissen die Arrivierten den Verband. Im Kampf um den König sind sie nur Aussenseiter, obwohl Schwingerkönig Nöldi Forrer die Jahrespunkteliste des Schwingerverbandes anführt. Aber mit fast 35 Jahren ist noch keiner Schwingerkönig geworden. Vor 73 Jahren hatte letztmals ein 31-Jähriger das Eidgenössische gewonnen, älter als 31 ist noch nie einer erstmals oder nochmals Schwingerkönig geworden. Neben Forrer bringen auch Stefan Burkhalter, Urban Götte, Jakob Roth und Edi Philipp viel Routine mit. Die Nordostschweizer haben in dieser Saison Verletzungspech beklagt. Neben Königsanwärter Bösch hat es weitere diverse Spitzenschwinger erwischt.
Vielversprechend präsentiert sich die Ausgangslage für die Nordwestschweizer, die als kleiner Verband an grossen Festen in der jüngeren Vergangenheit schon viele Überraschungen geschafft haben (Jörg Schneider, Matthäus Huber, Rolf Klarer). Mit Bruno Gisler und Christoph Bieri stellen sie zwei ernstzunehmende Königsanwärter. Und um König zu werden, brauche es nicht zwingend einen starken Verband im Rücken, sagt beispielsweise Bieri. Hinter der Spitze ist aber auch in der Nordwestschweiz noch keine Wachtablösung in Sicht.
In einem Loch steckt derzeit und nach den Rücktritten von Hanspeter Pellet und Stefan Zbinden der Südwestschweizer Verband. Für die Romands stellt Burgdorf lediglich eine Zwischenstation dar auf dem Weg zum Heimfest 2016 in Estavayer-le-lac, an dem sie wieder Leute haben wollen, die oben mitschwingen können. Diesmal laufen die Südwestschweizer Gefahr, erstmals ohne einen Kranzgewinn zu bleiben. Für einen Kranz in Frage kommen Pascal Piemontesi, Michael Matthey, Michael Nydegger und Joel Niederberger. Piemontesi und Matthey haben immerhin je zwei Kranzfeste gewonnen; Nydegger und Niederberger haben als Gäste am Oberländischen gegen die starken Berner einen Kranz geholt.
Das Wetter scheint am ersten Eidgenössischen in Burgdorf mitzuspielen. Angekündigt werden Sonnenschein, hohe Wolkenfelder, Höchsttemperaturen von 25 (Freitag und Samstag) bis 21 (Sonntag) Grad, in der Nacht auf Sonntag dürfte es mild bleiben. Ideale Voraussetzungen also für ein Fest der Superlative. Der Schlussgang ist am Sonntagnachmittag auf 16.30 Uhr angesetzt.
Die «Bösen». Wer sind die Bösen im Schwingen? «Böse» wird, wer an einem Eidgenössischen den Kranz gewinnt. Anstelle von Bösen wird auch der Begriff Eidgenosse benützt. In Burgdorf holen maximal 18 Prozent aller Teilnehmer (also maximal 49) den Kranz.
Mehrere Festsieger. Eine Eigenart im Schwingen ist es, dass punktgleiche Schwinger in einem Rang geführt werden. Fünfmal gab es diese Saison an einem Kranzfest mehr als einen Sieger. Vor zwei Jahren gab es am Oberaargauischen sogar vier Sieger. Unterteilt werden diese Sportler aber dennoch (1a, 1b etc). Die Kriterien: 1. Schlussgang. 2. Anzahl Siege. 3. Anzahl Gestellte. 4. Alphabet.
Gangdauer. Die Gangdauer im Schwingen ist unterschiedlich und richtet sich nach der Grösse des Festes. Einteilung und Kampfgericht bestimmen die Gangdauer. Am Eidgenössischen entscheiden der Zentralvorstand und die Technische Kommission. In Burgdorf dauern die Gänge 6 (1./2. Gang), 7 (3. bis 6. Gang) oder 8 Minuten (7./8. Gang/Kranz-Ausstich). In Frauenfeld vor drei Jahren ist der Schlussgang auf 16 Minuten angesetzt worden. Früher hat es Schlussgänge, die über eine halbe Stunde lang gedauert haben. Bei längeren Unterbrüchen wird die Zeit angehalten.
Ausländer. In Burgdorf starten keine Ausländer und nur drei Auslandschweizer, so wenige wie seit ewig nicht mehr. Auch sie haben sich qualifizieren müssen, der nach Norwegen ausgewanderte Florian Hofmann beispielsweise mit drei Siegen am Oberaargauischen. Ausserdem haben sich die Kanada-Schweizer Daniel Kundert und Roger Badat qualifiziert. Amerikaner fehlen diesmal. Noch in den Siebzigerjahren haben John Ming, Al Ming und Don Widmer als Gäste aus den USA den Kranz geholt. Noch nicht so weit für ein Eidgenössisches sind die Senegalesen, die Interesse an einer Teilnahme bekundet hatten.
Smartphone-App. Eine App (ESAF-App) hält die Schwingerfreunde, egal ob auf der Tribüne oder zu Hause, in Echtzeit auf dem Laufenden. Einteilung, Gänge, Resultate, Ranglisten, Noten der Kampfrichter sind in Echtzeit abrufbar. Die Fest-App ist kostenlos und kann via www.esaf-app.ch, im Apple Store und auf Google Play heruntergeladen werden.
Gabentempel. Für den Gabentempel sind Preise im Wert von 800'000 Franken zusammengesammelt worden. Der Hauptpreis ist der Muni «Fors vo dr Lueg». Weil einzelne Preise bis zu 20'000 Franken wert sind, wird der Schwingerkönig den Muni nur symbolisch als Preis bekommen. Der mächtige «Fors» darf nachher wieder zurück auf die Lueg. Der Schwingerkönig erhält als Gegenleistung für den Muni, der auf dem freien Markt maximal 5000 Franken einbringen würde, 22'000 Franken in bar.