Der Lungerer Peter Imfeld (33) zählt zu den ganz «bösen» Innerschweizern. Am Mittwoch noch auf der Baustelle, reist er heute mit seiner Frau nach Burgdorf.
Es ist 5.30 Uhr, als Peter Imfelds Wecker an diesem Mittwochmorgen klingelt. Etwas mehr als eine Stunde später steht er bereits auf der Baustelle in Stans, wo der Maurer-Polier zusammen mit seinen Arbeitskollegen einen Vorplatz gestaltet. Um 9 Uhr steht die «Zniini»-Pause an, drei Stunden später gehts ans Mittagessen. Um 17.30 Uhr ist sein Arbeitstag vorbei, erst am Dienstag wird er auf den Bau zurückkehren.
Bevor er das Schnellkrafttraining mit seinen Kollegen des Ob- und Nidwaldner Schwingerverbandes (ONSV) besucht, fährt er nach Lungern, wo er seit seiner Geburt vor fast 34 Jahren wohnt. «Es ist mir wichtig, am Abend zusammen mit meiner Familie zu essen», sagt Imfeld. Die Familie Imfeld besteht neben dem 76-fachen Kranzschwinger aus seiner Frau Marie-Louise und den Kindern Laurin (9) und Lianne (7).
Das Thema am Esstisch ist an diesem Abend gegeben: das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest in Burgdorf, das heute Freitag mit dem Festumzug startet. Noch wissen die Imfelds nicht, dass Familienvater Peter gegen den unangenehmen Berner Willy Graber in den Wettkampf starten wird. Sohn Laurin versucht sich seit diesem Jahr auch im Sägemehl, nachdem er zuvor beim FC Lungern Fussball gespielt hat. Tochter Lianne ist ein paar Tage vor dem Saisonhöhepunkt schon ganz nervös, würde am liebsten gerne mit ihrem Dädi nach Burgdorf reisen.
Doch die Kinder bleiben zu Hause. «Das wäre für Louise zu anstrengend», sagt Imfeld. So wird er heute nur mit seiner Frau nach Etziken im Kanton Solothurn fahren, wo die beiden bei einer Tante des Schwingers bis am Montag einquartiert sind. Zuerst treffen sich die Ob- und Nidwaldner Schwinger aber noch zum gemeinsamen Mittagessen. «Der Zusammenhalt ist bei uns wirklich sehr gut», erzählt der Sennenschwinger. Dies trotz der Kantonsgrenze und den Sprüchen, welche die Obwaldner beim Training in Stans manchmal zu hören bekommen.
Das Schwingen, es bestimmt das Leben der Familie Imfeld. Auf Reisen geht sie nicht, Vater Peters fünf Wochen Ferien werden meist rund um Lungern oder auf der Alp verbracht. Bis zu sieben Mal pro Woche ist er im Winter für seine Leidenschaft unterwegs: Kraft-, Schnelligkeits-, Schwingtraining. Da braucht es eine besonders gute Organisation, damit die Familie nicht zu kurz kommt. «Ich wollte nie Hausfrau werden», erzählt Landschaftsgärtnerin Louise, doch weil Peter in einem 100-Prozent-Pensum arbeitet und viel Zeit in seinen Sport investiert, kann sie keinem anderen Beruf nachgehen.
Aber im Leben kommt es häufig anders, als man denkt. So wollte die Nidwaldnerin auch nie einen Bauer, einen Schwinger oder einen «Tschyfeler» heiraten, wie Obwaldner im Nachbarkanton neckisch genannt werden. Bauernsohn Peter erfüllt all diese Kriterien. «Doch ich bin jetzt sehr zufrieden, uns geht es wirklich sehr gut», sagt Louise.
So profitiert die Familie auch davon, dass Peter mit seinen 33 Jahren nicht mehr der jüngste Schwinger ist. Er braucht mehr Erholung und ist dementsprechend öfter zu Hause als noch vor ein paar Jahren. «Freundschaften zu pflegen, ist allerdings schwierig», sagt Louise. Wenn Peter nicht gerade im Kraftraum oder im Schwingkeller steht, verbringt er Zeit mit seiner Familie. «Ein Wochenende ohne Schwingfest ist natürlich für sie reserviert», sagt er.
Das Eidgenössische kann ihn nicht mehr aus der Ruhe bringen. Er hat ja schon viermal erlebt, wie es am grössten aller Schwingfeste zugeht. «Nervös werde ich nie sein, aber eine gewisse Anspannung ist vorhanden», gesteht er. 2007 gewann er in Aarau seinen einzigen Eidgenössischen Kranz. Ein Wechselbad der Gefühle, denn sein bester Freund und Schwingerkollege Peter Gasser starb in Aarau an Herzversagen.
An einen Rücktritt denkt Peter Imfeld noch lange nicht. «Ich liebe es, am Sonntagmorgen das frische Sägemehl zu riechen», sagt er. Und es seinem Gegner vom Rücken zu wischen.