SEILZIEHEN: «Seilziehen ist kein Grümpelturnier»

Der 34-jährige Franz Niederberger ist der Seilzieher des Jahres 2014. Er sei sehr stolz darauf, gesteht der Kraftprotz aus dem nidwaldnerischen Hergiswil und verrät im gleichen Atemzug, was ihm noch grössere Freude bereitet als dieser Titel.

Roland Bucher Roland Bucher
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Ist seit 21 Jahren Seilzieher mit Leib und Seele: der bald 35-jährige Franz Niederberger aus Hergiswil NW. (Bild Philipp Schmidli)

Ist seit 21 Jahren Seilzieher mit Leib und Seele: der bald 35-jährige Franz Niederberger aus Hergiswil NW. (Bild Philipp Schmidli)

Wir haben fleissig und sehr interessant über die Faszination des Seilziehens parliert. Am Schluss die Frage: Noch eine Nachbemerkung, Franz Niederberger? «Ja, ja, unbedingt», ereifert sich der in Hergiswil wohnhafte Stanser, «schreiben Sie unbedingt: Es ist faszinierend, mitzuerleben, wie viele junge Kerle sich hier in Nidwalden für das Seilziehen interessieren. Das macht Freude. Das erinnert mich daran, wie ich als 14-jähriger Jungspund erstmals an diesem Seil zerrte, ohne besonderes Talent – aber mit viel Spass.» Und mit viel Ehrgeiz. Jetzt ist Franz Niederberger quasi der höchste Schweizer Seilzieher, zumindest für ein Jahr.

Alles begann 1997 bei den Junioren

Ja, staunt Franz Niederberger, auch wenn Schwingen, Fussball oder Handball bei den meisten Kids hochrangiger figurieren: «Seilziehen, meine Sportart, die lebt. Die überlebt.» Auch dank Bannerträgern wie ihm. Der 1,92-Meter-Fels mit 93 Kilogramm Wettkampfgewicht ist ein Vorbild. Zwar missachte er im Winter fast alle ernährungstechnischen Vorgaben, sündige mit den Süssgetränken, gönne sich auch mal ein feisses Stück Fleisch und specke bis zu stolzen 105 Kilogramm auf – dann aber, wenn im Frühsommer das einschneidende «Pull» des Kampfrichters ertönt, dann stellt der Forstwart wieder seinen Mann.

Die Meriten in seiner Laufbahn sind keineswegs an einer Hand abzuzählen; was 1997 mit dem Europa-Meister-Titel bei den Junioren in Jersey (GB) begann, mündete in mehrere internationale Gold-Auszeichnungen in der Elite-Kategorie. Vor rund drei Jahren erlitt der nicht nur in seinem Sport, sondern auch «in meiner tollen Beziehung» gut verankerte Nidwaldner einen herben Rückschlag. Der Waldarbeiter erlitt beim Holzen einen komplizierten Armbruch, der längere Rekonvaleszenz erforderte und ihn auch für das Nationalteam ausser Gefecht setzte. «Umso schöner ist es», gesteht Niederberger, «dass ich den Anschluss noch einmal geschafft habe.» In Engelberg, bei der «Diplomfeier» des Seilziehers des Jahres, hätte er den Titel auch jedem anderen der vier Kandi­daten gegönnt, «aber als dann mein Name fiel, war ich schon sehr glücklich». Es war quasi die Würdigung für ein Lebenswerk – das indes noch längst nicht finale Züge angenommen hat.

Wettkämpfe bis zum 60. Altersjahr

Franz Niederberger, der stämmige Forstwart, der im Beruf von sich verlangt, in jeder Situation möglichst lösungsorientiert zu werken, erzählt nämlich, dass er mit 35 Lenzen noch längst nicht zum alten Eisen gehöre: In England, dem Mutterland des Seilziehens, stehen die kräftig gebliebenen Routiniers auch mit 60 Jahren noch am hanfenen Wettkampfgerät, und wie er zu wissen glaube, «haben wir auch bei uns im Verein einen treuen Sportsmann, der bald 60 wird». Nun, gerade so lange beabsichtigt der Hobby-Biker und passionierte Drechsler nicht mehr, mit breiter Schulter als Teamchef an erster Stelle des Seiles zu ziehen. «Aber wenn die Knie und Ellbogen nicht gerade ausserordentliche Kapriolen schlagen», sagt der Routinier, «dann will ich schon noch so zehn Jährchen bei den Leuten sein.» Weitere Erfolge sammeln, sich für den Verein einsetzen. So, wie er im Beruf Jungtännchen mit seiner Pflege überlebenstüchtig macht, sorgt er auch beim Seilziehclub Stans-Oberdorf für neues, junges, kräftiges Nachwuchsholz. «Nicht jeder schafft es, ganz an die Spitze zu kommen», meint der Vorzeigesportler, «aber wenn ich an meine ersten Trainings und Wettkämpfe denke: Es hat immer unerhört Freude bereitet.»

Die feine Kollegschaft

Wenn er eine Werbebotschaft für den Seilziehsport schreiben müsste, dann sähe seine Message ungefähr so aus, verrät Franz Niederberger: «Als Seil­zieher brauchst du Kraft, musst du zäh und fleissig sein, Freude an Taktik und Technik entwickeln.» Und vor allem: «Wer einmal in unserem Kreise angelangt ist, der darf auf eine enorm feine und wertvolle Kollegschaft zählen, die den sportlichen Aspekt durchaus auch über­dauert.» So, wer fühlt sich also angesprochen? Nun, es gäbe auch noch ein kleines «Aber», betont der Seilzieher des Jahres: Dieser Sport sei kein Grümpelturnier; wer Erfolg haben wolle, der müsse durchaus damit rechnen, zwei, drei Mal in der Woche ins Training gebeten zu werden. «Aber dort haben wir es immer gut miteinander», erklärt der Forstwart, der auch dank seiner harten Arbeit im Wald entscheidende Muskelpakete angelegt hat. «Da muss ein Bürolist schon einige Male mehr in den Kraftkeller», schmunzelt der Seilzieh­recke.

In den nächsten Wochen indes, in denen man im Training den Fünfer einmal gerade lassen und sich auch ein zweites Glas vom feinen Beckenrieder Orangenmost gönnen dürfe, wird wie jedes Jahr vor allem seine Waage Knochenarbeit zu verrichten haben: «So auf meine 105 Kilogramm Festtagsgewicht werde ich es schon wieder schaffen», lacht Franz Niederberger, «aber wenns dann im Frühjahr wieder so richtig losgeht am Seil, dann purzeln die Pfunde wie von selbst.»