SKI ALPIN: Drei Talente und ihr Weg zum Ziel

Im finnischen Levi starten am Samstag die Slalomfahrerinnen in den Olympiawinter (10.00, SRF 2). Und in diesem können drei Innerschweizerinnen für Furore sorgen.

Stefan Klinger
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Wendy Holdener, Michelle Gisin und Denise Feierabend (v.l). (Bild: PD)

Wendy Holdener, Michelle Gisin und Denise Feierabend (v.l). (Bild: PD)

Sie sind jung, sie sind schnell, und auf ihnen ruhen in diesem Winter die Hoffnungen der Schweizer Skifans im Slalom: Wendy Holdener (20/Unteriberg), Michelle Gisin (19/Engelberg) und Denise Feierabend (24/Engelberg) haben trotz ihres jungen Alters schon ihre Spuren im Weltcup hinterlassen – und angedeutet, dass sie für einen glanzvollen Olympiawinter sorgen können. Doch bei zwei der drei Innerschweizer Talente haben Verletzungen zuletzt den Aufstieg gebremst.

Wendy Holdener

Im Grunde ist so ein Auftakt in die neue Saison auch immer ein Start ins Ungewisse. Am Ende einer monatelangen Trainingsphase fühlen sich die Athleten meist zwar gut vorbereitet und können sich und ihre Form in etwa einschätzen – wo genau sie aber wirklich stehen, wissen sie aufgrund der fehlenden Vergleiche mit der internationalen Konkurrenz nicht so richtig. Da ist es umso besser, wenn man wie Wendy Holdener eine Saison im Rücken hat, die den vergangenen Winter zu ihrem bislang besten machte.

Auswirkungen des Unfalls unklar

Im Slalom holte die 20-Jährige aus Unteriberg in jedem der neun Saisonrennen Weltcup-Punkte und stürmte am Ende sogar in die Weltspitze. Immerhin kam sie in den letzten drei Saisonrennen in die Top Ten und stand im März als Zweite im Slalom von Ofterschwang erstmals auf einem Weltcup-Podest. Ihre Leistungskurve ging kontinuierlich nach oben – bis ganz nach oben. Fakten, die ihr eigentlich viel Selbstvertrauen und Schwung für den neuen Winter, für die Olympiasaison, geben sollten.

Eigentlich. Wäre da nicht Anfang September jener folgenschwere Unfall passiert, bei dem sie sich beim Sturz von einem Motorroller den rechten Unterarm brach. Die Operation lief zwar nach Plan, die Schmerzen hielten sich in Grenzen – nur eben die Skitrainingstage danach auch. Erst Mitte Oktober konnte sie wieder ein Skitraining an kleinen, dünnen Stangen absolvieren. Zwischen den richtigen Slalomstangen trainiert Holdener, die nun eine mit der Schweizer Flagge verzierte Schiene trägt, erst seit dem 5. November wieder.
Wie weit sie das alles zurückgeworfen hat, ist zwar noch unklar. Der Rückenwind, den ihr die letzte Saison verlieh, ist jedoch erst einmal abgeflaut. «Ich habe schon Ziele für diese Saison und will grundsätzlich natürlich dort anknüpfen, wo ich den vergangenen Winter aufgehört habe», sagt sie, «aber jetzt muss ich erst einmal froh sein, dass ich schon wieder so Ski fahren und in Levi starten kann. Es ist schwierig, zu sagen, welche Platzierung da jetzt im ersten Rennen für mich drinliegt.»

Doch Holdener, die im Sommer auch ihre Ausbildung zur Hotelkauffrau abgeschlossen hat, sieht es positiv: «Klar, fehlen mir ein paar Skitage. Aber dafür habe ich diesmal mehr Konditionstrainings als in anderen Jahren gemacht.»

Denise Feierabend

Es war der Februar 2012, als der Traum von den Olympischen Spielen für Denise Feierabend konkrete Formen annahm. In jenen Tagen trat die heute 24-Jährige aus Engelberg beim Weltcup in Sotschi an. Drei Wochen zuvor war sie in der Super-Kombination von St. Moritz Sechste geworden und hatte damit ihr bestes Weltcupresultat abgeliefert. Und nun raste sie auch noch den Olympiahang hinunter. Zwar wurde sie in der Abfahrt nur 29., doch all die Erlebnisse und Eindrücke, die sie rund um das Rennen sammelte, machten fortan das Fernziel Sotschi 2014 für sie greifbar. «Diese Reise hat alles reeller gemacht», blickt sie zurück, «seither kann ich mir das grosse Ziel, wo ich hin will, noch bildhafter vorstellen.»

Das Weltcuprennen in Sotschi: Für Denise Feierabend ein Schlüsselerlebnis – tragischerweise aber auch ihr bislang letzter Weltcupeinsatz. Denn nur wenige Tage später erlitt sie im Training einen Kreuz- und Aussenbandriss sowie eine Meniskus- und Knorpelverletzung. «Das war damals brutal», erinnert sie sich, «ich hatte das Gefühl: Jetzt geht es vorwärts! Und dann so etwas.»

Es folgte eine Zeit, in der sie schon kleine Fortschritte zu schätzen lernte und sich alles ein bisschen relativierte in ihrem Leben. «Klar bin ich noch immer sehr ehrgeizig», sagt sie, «aber manchmal sehe ich alles mit ein bisschen Abstand und schätze es dann, dass ich wieder gesund bin und alles machen kann. Das hilft mir, dass ich mich nicht verrückt mache, wenn es eben länger dauert, bis ich wieder voll dabei bin.»

Nun mit einer Startnummer um 45

Und diese Geduld hat es in ihrem Fall ganz besonders gebraucht. Weil sie erst nach neun Monaten überhaupt mal wieder auf Ski stehen konnte, verpasste sie fast die ganze Saison 2012/13 und bestritt lediglich gegen Ende ein paar Fis-Rennen. Die Vorbereitung auf diesen Winter konnte Denise Feierabend zwar komplett bestreiten, doch nun muss sie sich angesichts der langen Abwesenheit vom Weltcup erst einmal kleinere Ziele stecken. «Ich habe in der Startliste einige Plätze verloren und werde jetzt so um die Nummer 45 rum starten. Da muss ich dann immer erst mal schauen, was die Piste noch ermöglicht», sagt sie, «daher ist es mein Ziel, nun erst einmal wieder die Top 30 zu erreichen, um dann im nächsten Schritt die Olympiaqualifikation zu schaffen».

Michelle Gisin

Der 15. Januar 2013 ist bei Michelle Gisin allgegenwärtig. Es ist der Tag, an dem die 19-Jährige aus Engelberg im Weltcup-Slalom von Flachau auf Rang 9 fährt, und das mit der Laufbestzeit im zweiten Durchgang. Seither ist ein bei diesem Rennen aufgenommenes Foto das Hintergrundbild ihres Natels – weil hinter jenem Slalom so viel mehr steckt, als «nur» ihr erster Top-10-Platz.

Technisch grossen Schritt gemacht

Es war der Tag, an dem im zweiten Lauf jede Bewegung perfekt gewesen sei. Und das «ist das Schönste auf der Welt», wie sie schwärmt. Vor allem aber war es der Tag, an dem sie Emotionen erlebte, die sie unbedingt wieder erleben will – was sie nun bei der tagtäglichen Arbeit antreibt. Denn jener 15. Januar war der Tag, der sie für all die mühevollen Momente, durch die sie sich im Winter zuvor hatte kämpfen müssen, entschädigte. Denn die Comeback-Saison nach ihrem Kreuzbandriss im Frühjahr 2011 war alles andere als ein Selbstläufer. «Ich bin immer nur drei Tore gut gefahren und habe dann irgendeinen Seich gemacht», sagt sie, «dieser Winter war für mich extrem hart. Andere, mit denen ich im C-Kader war, haben grosse Schritte gemacht – und ich habe gewusst, ich knorze hier rum.»
Doch Gisin kämpfte weiter. Und als sie im Frühling 2012 in ein neues Team kam und vor allem dank Trainer Denis Wicki wieder das Vertrauen und die Lockerheit zurückgewann, wandte sich alles zum Guten. Es begann ein steiler Aufstieg, der ihr im vergangenen Winter unter anderem ihren ersten Top-10-Platz im Weltcup und Platz 2 bei der Junioren-WM bescherte. «Wenn mir das einer vor der Saison gesagt hätte, hätte ich ihn aber mal so richtig ausgelacht», sagt sie und fügt freudig hinzu: «Die letzte Saison macht Lust auf mehr.»

Und es kann durchaus sein, dass ihr Aufstieg noch weitergeht. Denn, wann immer Gisin ein ungutes Gefühl beschleicht, ob sie in Form ist, schaut sie sich die Zusammenfassung der vergangenen Saison, ihrer bislang erfolgreichsten, an. Das beruhigende Fazit nach der Videoanalyse: «Wenn ich sehe, wie ich damals gefahren bin und wie ich heute fahre, weiss ich, dass ich technisch einen grossen Schritt gemacht habe.»