Lara Gut-Behrami blickt auf eine nahezu perfekte Vorbereitung zurück und startet als Mitfavoritin in den Riesenslalom von Sölden am Samstag. Trotzdem setzen der 30-Jährigen die vielen Reisen immer mehr zu. Einen Ausgleich findet sie zu Hause. Noch reicht ihr das.
Ein Mitarbeiter von Swiss-Ski hatte extra noch eine Duftkerze gekauft. Doch es brachte nichts: Der Gestank von abgestandenem Rauch hing im Frühstückssaal eines Hotels in Sölden, als Lara Gut-Behrami den Raum betrat, um über die neue Skisaison zu sprechen.
Und kurz fragte man sich, ob sich der Schweizerische Skiverband keine besseren Unterkünfte mehr leisten kann – und das ausgerechnet, nachdem Swiss-Ski zwei der erfolgreichsten Winter in der jüngeren Vergangenheit hinter sich hat? Zweimal in Folge war die Schweiz die Skination Nummer eins. Der Hattrick soll folgen. Und Lara Gut-Behrami erneut ihren Teil zum Erfolg beitragen.
So viel sei bereits verraten: An der Unterkunft wird es nicht liegen, sollte der Saisonstart an diesem Wochenende in Sölden nicht nach Wunsch gelingen. Das Nachbarhotel war eine Notlösung, weil in der eigentlichen Unterkunft der Schweizerinnen kein passender Raum für das Mediengespräch zur Verfügung stand.
Also Nase zu und durch. Die Maske, die man derzeit auch im Skisport oft tragen muss, hilft. Lara Gut-Behrami hat sich für ein schwarzes Modell entschieden. Dabei gibt es für die 30-Jährige keinen Grund für Tristesse. Der Sommer sei sehr gut verlaufen. «Wir riskieren ja schon Einiges. Mit jedem Lauf gehen wir ein Risiko ein.» Gut-Behrami blieb unverletzt.
Sie spricht von einem «gesunden» Sommer. Vieles sei im Training genau so gelaufen, wie sie sich das vorgenommen habe. Daneben gönnte sie sich regelmässige Auszeiten, verbrachte viel Zeit mit Ehemann Valon Behrami in der gemeinsamen Wohnung in Genua, wo er Fussball spielt, oder im gemeinsamen Haus in Udine. Sie sagt über ihr Leben im Skizirkus:
«Ich mache das schon seit 15 Jahren, irgendwann spürt man: Wenn man sich zu Hause gut fühlt, gibt das viel Kraft.»
Vieles spricht also dafür, dass die neue Saison so erfolgreich verlaufen könnte, wie es der vergangene Winter war. Den Gesamtweltcup beendete Gut-Behrami auf Rang zwei und damit so gut, wie seit 2016 nicht mehr, als sie die grosse Kristallkugel gewann. In Cortina holte sie an der WM Gold im Super-G und im Riesenslalom und damit endlich ihre ersten Titel an einem Grossanlass, nachdem sie schon so oft Zweite oder Dritte geworden war.
Am Ende der Saison verliess sie die Kraft. Beim Weltcupfinale in der Lenzerheide schwang sie im Riesenslalom nach zwei Toren ab. Kurz darauf wollte sie nochmals zurück auf Schnee, brach das Vorhaben aber schnell ab. Zu müde fühlte sie sich, zu gross war das Risiko, sich zu verletzen. Sie sagt: «Jede Saison ist intensiv. Das war schon immer so und es wird immer so bleiben.» Sorgen, dass hinter den Blockaden mehr gesteckt haben könnte, machte sie sich keine.
Die Rückkehr auf die Pisten im Spätsommer gab Gut-Behrami recht. Schon bald war sie in den internen Trainingsläufen wieder die Schnellste. Und während sich andere verletzten oder mit Krankheiten zu kämpfen haben, blieb die Tessinerin frei von Sorgen. So fehlen in Sölden mit Corinne Suter (Schienbeinprellung) und Wendy Holdener (Kahnbeinbrüche an beiden Händen) zwei Leistungsträgerinnen. Und Michelle Gisin, die noch an den Folgen des Pfeifferschen Drüsenfieber leidet, entscheidet spontan am Samstag über einen Renneinsatz.
So bestreitet Gut-Behrami den Riesenslalom zum Auftakt als einzige Schweizer Favoritin. Sie selber sagt: «Ich finde, dass dem Rennen zu viel Gewicht gegeben wird. In Sölden hat man immer das Gefühl, jetzt musst du bereit sein, als ob diese zwei Läufe viel mehr wert wären, als alles was im Rest des Winters passiert.»
Und doch schadet es nicht, mit einem guten Gefühl in die Saison zu starten. In das Rennen, das Gut-Behrami 2013 und 2016 gewinnen konnte. Sie sagt: «Ich fühle mich bereit.» Mehr will sie nicht verraten. Also fragen wir den Cheftrainer: Wie viel war Gut-Behrami in den Trainings schneller als ihre Kolleginnen? «Mindestens eine Hundertstelsekunde», sagt Beat Tschuor und lacht.
In der Vorbereitung war Gut-Behrami stark in das Schweizer Team integriert. Vom einstigen Alleingang mit Privatteam ist nicht mehr viel zu spüren. Einzig der Spanier José Luis Alejo Herva kümmert sich als Trainer gezielt um sie. Tschuor sagt: «Sie war nicht immer dabei, aber das ist keine Athletin.» Er gönnt ihr die Freiheiten.
Der Tessinerin kam zudem entgegen, dass die Trainingslager in Südamerika aufgrund von Corona erneut nicht stattfanden. «Wir nehmen sowieso schon sehr viel auf uns», sagt sie. Jede Reise weniger ist da ein Gewinn an Lebensqualität. «Vergangene Woche bin ich für sechs Minuten Fahrt auf der Piste von Genua nach Sölden gefahren.» Sechs Stunden im Auto für sechs Minuten Training. Sie merke, wie ihr diese Reisen immer mehr zusetzen würden. «Man ist oft tage- oder wochenlangen unterwegs. Das nimmt viel Energie.» Noch entschädigen die kurzen Momente auf der Piste für den Rest.