Rafael Nadal und Co. spielen regelmässig mit Schmerzmitteln – weil es nicht verboten ist. Schädlich ist es trotzdem. Gehören Ibuprofen und Paracetamol auf die Dopingliste? Das Pro und Contra.
Wer hat nicht schon zu Ibuprofen oder Paracetamol gegriffen, wenn die Gelenke schmerzen? Das tun nicht nur viele Hobbysportler, sondern auch die Profis. Und zwar ziemlich bedenkenlos, weil sie durch die Einnahme in der Dopingprobe nicht hängen bleiben. Ist das richtig? Oder sollen Schmerzmittel auf der Liste der verbotenen Substanzen geführt werden?
Sport ohne Schmerzen? Das geht fast nicht. Sport mit Schmerzen? Ist unangenehm, hemmt, schränkt ein. Also Schmerzmittel rein und ab die Post. Denn verboten ist es ja nicht, weil Schmerzmittel keinen Einfluss auf Kraft, Ausdauer und Leistung haben.
Ein Irrtum. Denn Schmerzmittel sorgen dafür, dass der Schutzmechanismus des Körpers ausgeschaltet wird. So kann eine deutlich höhere Leistung erbracht werden, die mit Schmerzen nicht möglich wäre. Im Training, wie im Wettkampf. Und weil bei hoher Belastung die Schmerzgrenze erreicht wird, werfen viele eine Pille prophylaktisch ein, um die Grenze zu verschieben, um länger Leistung bringen zu können. Also sind Schmerzmittel eben doch leistungssteigernd und gehörten auf die Dopingliste.
Es geht beim Kampf gegen Doping nicht nur darum, möglichst faire Wettkampf-Bedingungen zu schaffen. Es geht auch darum, die physische und psychische Integrität von Sportlerinnen und Sportlern zu schützen. Ärzte warnen: Übermässiger Konsum von Schmerzmitteln kann einen Körper ruinieren. Beispielsweise jenen von Ivan Klasnic. Kroatischer Fussballer, eine Säule beim letzten Meistertitel von Werder Bremen. Drei Nierentransplantationen musste sich der heute 42-Jährige unterziehen. Weil «mein Körper mit Schmerzmitteln vergiftet worden ist.»
Im Fussball ist der Schmerzmittelmissbrauch offenbar allgegenwärtig. Warum? Weil der Leistungsdruck allgegenwärtig, der Konkurrenzkampf unbarmherzig ist. Laut einer Studie greift jeder zweite Bundesliga-Spieler mehrmals pro Saison zu Schmerzmitteln. Jeder Fünfte sogar mehrmals pro Monat.
Warum? Die Konsumenten geben selber an, damit Einfluss auf die Leistungsfähigkeit nehmen zu wollen. Weshalb wir immer noch darüber diskutieren, ob Schmerzmittel auf die Dopingliste gehören, wirkt beinahe zynisch.
Können Sie eine Vorhand wie Rafael Nadal spielen? Oder wie Liverpool-Spielmacher Thiago Alcantara jüngst im Champions-League-Final gegen Real Madrid die Fäden im Mittelfeld ziehen? Oder erinnern Sie sich noch an den Schweizer Davis-Cup-Sieg 2014 in Frankreich, als Roger Federer wenige Tage zuvor mit einem blockierten Rücken zu kämpfen hatte?
Und nun denken wir zurück an die Zeit, als Lance Armstrong die Alpe d’Huez hochfuhr, als sei sein einziger Gegner das TV-Motorrad. Oder wie Ben Johnson, innert weniger Jahre vom Schlaks zum Muskelprotz mutiert, 1988 in Seoul über 100 Meter zu Olympiagold sprintete. Aufgepumpt mit dem anabolen Steroid Stanozolol.
Das eine sind grosse und kleine Sternstunden des Sports, die nur mit Schmerzmitteln überhaupt möglich waren. Das andere Schandflecken, weil sie unter Einsatz verbotener Substanzen zu Stande kamen.
Worin liegt der Unterschied? Doping ermöglicht Leistungen, zu denen Menschen nicht fähig sind. Schmerzmittel fördern Leistungen hingegen nicht, sondern ermöglichen sie erst. Sie und ich werden auch mit Schmerzmitteln nie Tennis spielen können wie Nadal. Deshalb stehen sie zu Recht nicht auf der Dopingliste. Und das muss auch so bleiben.
Ja, auch Schmerzmittel haben Nebenwirkungen. Doch bei Sportlern werden diese in der Regel unter strenger ärztlicher Aufsicht eingesetzt. Wie weit man dabei gehen will, ist eine persönliche Entscheidung.
Schmerzmittelmissbrauch – wie Alkohol, Drogen und Nikotin – ist ein Gesellschaftsproblem. Weil Leistung die Maxime ist, nach der unsere Leistungsgesellschaft funktioniert. Das kann, nein das muss man hinterfragen und kritisieren. Ist es vorbildlich, wenn sich Sportler betäuben, um uns zu unterhalten – ganz nach dem Prinzip Brot und Spiele? Nein, natürlich nicht. Aber es ist ebenso wenig Aufgabe des Sports, dieses Problem zu lösen. Weshalb sollten hier andere Massstäbe gelten?