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In der zweiten Runde der Australian Open war der Tscheche Radek Stepanek keine grosse Hürde für Stan Wawrinka. Somit zieht der Romand ohne Satzverlust in die dritte Runde ein. Nach stürmischen Zeiten ist Ruhe eingekehrt.
In der Rod-Laver-Arena verabschiedete sich am Donnerstagabend mit Lleyton Hewitt der australische Liebling der Nation tränenreich von seiner Tenniskarriere und den Zuschauern. Gut einhundert Meter Luftlinie entfernt, in der Hisense-Arena, ging es dagegen weit weniger emotional zu.
Denn Stan Wawrinka spielte seine Zweitrundenpartie des Australian Open gegen Radek Stepanek einfach viel zu souverän, und der 37-jährige Tscheche ist mittlerweile auch nicht mehr der ausgefuchste Gegner von einst. Er rangiert nur noch auf Platz 188 der Welt. Wawrinka ging jeweils früh in den Sätzen in Führung und liess Stepanek bei seinem 6:2, 6:3 und 6:4-Sieg nie eine echte Chance. «Ich bin sehr zufrieden, das war ein guter Match und ich habe mich richtig wohlgefühlt. Zwei Matches, zwei Siege – es läuft gut.»
Einen besseren Auftakt ins Turnier hätte sich der 30-jährige Lausanner kaum wünschen können, schon in der ersten Runde konnte er durch die Aufgabe von Dimitri Tursunow Kräfte sparen. Das könnte am Ende noch wichtig werden, denn schliesslich möchte der Melbourne-Champion von 2014 ja wieder um den Titel mitspielen.
«Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt ein viel besserer Tennisspieler bin», sagte Wawrinka, «alle Puzzleteile haben sich richtig zusammengefügt.» Es gebe zwar immer noch mal Aufs und Abs, sagte der Weltranglistenvierte, «aber wenn ich gut spiele und Vertrauen in mich habe, dann kann ich die besten Spieler schlagen – besonders bei den Grand Slams kann ich sie körperlich und mental unter Druck setzen».
Am French Open im vergangenen Frühjahr hatte Wawrinka das par excellence vorgeführt und dabei den dauersiegenden Novak Djokovic im Final furios ausgespielt. Für Wawrinka ist die Partie die beste, die er je gespielt habe. Dass er in der Lage gewesen ist, spät in seiner Karriere doch noch den Sprung zum zweimaligen Grand-Slam-Champion zu schaffen, nahm seinen Anfang 2013 beim Australian Open.
Dort unterlag Wawrinka im Viertelfinal in fünf dramatischen Sätzen Djokovic. «Das war das erste Mal, dass ich nach einem Match gegen einen der Besten nicht mehr das Gefühl hatte, ich hätte versagt», erinnert er sich. «Ich merkte stattdessen: Ich gab alles, war dicht dran am Sieg, verlor, aber nur, weil ich mental nachliess.» Da machte es «klick» bei Wawrinka. «Ich dachte: Moment mal, ich bin dran an der Nummer eins der Welt. Wenn ich hart arbeite und stark bleibe, kann ich ihn irgendwann packen.»
Keine Ablenkungen mehr von aussen
Stark bleiben musste Wawrinka tatsächlich im letzten Jahr. Denn es gab reichlich Störfeuer zu verkraften. Erst wurde die Scheidung von seiner Frau Ilham öffentlich, dann folgten einige pikante Enthüllungen aus seinem Privatleben, die sich kurzzeitig sogar auf der offiziellen Websites des French Open wiederfanden. Dann machte der australische Rüpel-Youngster Nick Kyrgios im Sommer beim Turnier in Montreal auf dem Platz auch noch zotige Bemerkungen über Wawrinkas neue Freundin. In der Garderobe soll es danach zu Handgreiflichkeiten gekommen sein.
Eine Entschuldigung von Kyrgios für die Entgleisung bekam der Lausanner bis heute nicht. «Es war schwer, besonders, da ich generell nicht gerne über mein Privatleben spreche und es gerne privat halte», sagte Wawrinka. «Daher war das letzte Jahr irgendwie schon ein ziemlich grosses Durcheinander, das kann man sagen.»
Doch alle Nebengeräusche, die ihn belasteten, konnte er meist ausblenden, sobald er den Tennisplatz betrat. Und so schaffte Wawrinka dennoch die beste Saison seiner Karriere – mit dem Titel am French Open und jenen in Chennai, Rotterdam und Tokio. Erstmals hatte er vier Turniere in einem Jahr gewonnen, zudem erreichte Wawrinka fünfmal einen Halbfinal.
«Ich habe versucht, stark zu sein und so konzentriert auf Tennis wie möglich. Auf dem Court bin ich allein, da kann ich alles Störende ausschliessen – sogar meine Gedanken.» Auf seine innere Stärke in dieser unruhigen Zeit ist Wawrinka stolz. «Ich bin froh darüber, wie ich mich mit meiner Situation auseinandergesetzt habe», fügte er hinzu. «Man kann Probleme haben oder es gibt Ablenkungen von aussen – je besser man damit umgeht, umso besser spielt man.»
Nun hat ein neues Jahr begonnen, ein neuer Start. Ob sich die Turbulenzen in seinem Leben gelegt haben, «das wird man sehen. Das Jahr hat ja erst angefangen. Warten wir mal ab, wie es läuft». Bisher läuft es zumindest sportlich rund, doch grosse Ziele im klassischen Sinne wie Titel oder Ranglistenplätze will sich Wawrinka gar nicht setzen.
«Ich konzentriere mich lieber auf Dinge, die ich selbst in der Hand habe», sagte er: «Ich will aus mir den besten Spieler machen, der ich sein kann, damit ich nichts bereue, wenn ich mal mit dem Tennis aufhöre.»