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In der Partie um den dritten Platz der Final Four am Sonntag gegen England geht es für die Schweiz vor allem um die Ehre. Es könnten diesmal Spieler aus dem zweiten Glied zum Einsatz kommen.
Sie sind Granit Xhaka, Yann Sommer und Ricardo Rodriguez. Sie spielen bei Arsenal, Gladbach und Milan. Sie spielen immer, sind unverzichtbar. Im Club, im Nationalteam. Sie sind Josip Drmic, Yvon Mvogo und François Moubandje. Sie spielen bei Gladbach, Leipzig und Toulouse. Sie spielen wenig, sind ersetzbar. Im Club, im Nationalteam. Es ist ihr Los, im zweiten Glied zu stehen.
Vladimir Petkovic hat die Nations League auch dazu ausgerufen, neue Gesichter in die Nationalmannschaft zu bringen, sie aufzufrischen. Deshalb teilte er nach der WM in Russland zum Auftakt der Länderspielsaison fünf Routiniers mit, vorerst nicht auf sie zu zählen. Valon Behrami reagierte enerviert und trat unter lautem Getöse zurück, in aller Ruhe nahmen Gelson Fernandes und später auch Blerim Dzemaili Abschied. Er schicke keine Länderspielkarrieren in Pension, hat Petkovic mehrmals betont. Doch sie beginnen unter ihm zu verstummen mit der Folge, dass Johan Djourou und noch mehr Captain Stephan Lichtsteiner in einer Art Schwebezustand sind; sie, die 181 Länderspiele vereinen, sind im Standby-Modus.
Das Ziel der Schweiz war es, das Final Four zu gewinnen. Diesen Titel kann sie nach dem 1:3 gegen Portugal – es war die vierte Niederlage der Saison – nicht mehr holen. Im Spiel um Platz drei geht es gegen England in Guimarães morgen ab 15 Uhr also nur noch um Ehre und Geld. Neben der Antrittsprämie von 4,5 Millionen Euro gibt es für den Turnierdritten 3,5, für den Vierten 2,5 Millionen Euro.
Es ist Kaffeesatzlesen, wie Petkovic mit dem kleinen Final, ein in ein Pflichtspiel verkleideter Test, umzugehen gedenkt. Geht der Tessiner gegen den nächsten Grossen des Weltfussballs nochmals in die Vollen, auch wegen der vom Punkteschnitt her schlechtesten Saison für ihn als Nationalcoach? Oder bringt der Tessiner Drmic, den Stürmer? Mvogo, den Goalie, Moubandje, den Linksverteidiger? Oder den Flügel Noah Okafor, den ersten Spieler mit Jahrgang 2000, den Petkovic ins Kader berufen hat? Okafor sagt: «Ursprünglich war ich ja da, um Luft beim A-Nationalteam zu schnuppern.» Der erste (Teil-)Einsatz des Baslers in einem Pflichtspiel machte jedenfalls Sinn, zumal das Talent dann festgespielt wäre und nicht mehr für Nigeria auflaufen dürfte, das Heimatland des Vaters.
Petkovic ist ehrgeizig, stolz. Ein positives Resultat gegen die Nummer vier der Fussballwelt würde ihn und seine Spieler mit einem guten Gefühl in die Ferien entlassen; es wäre der erste Sieg gegen die Engländer seit 38 Jahren. Am 10. Juni 2015 schickte Petkovic im letzten Spiel vor den Sommerferien in der EM-Qualifikation gegen Litauen die stärkste Formation aufs Feld; aber damals brauchte er die Punkte, weil die Schweiz schlecht in die Kampagne gestartet war. Auch zwei Jahre später in der WM-Qualifikation bei den Färöer-Inseln nahm Petkovic die Sache ernst, es gab keine Experimente und Belohnungen vor den Sommerferien.
«Wir sind nicht hierhergekommen, um zwei Spiele zu verlieren», sagt Manuel Akanji. «Wir sind hier nicht in den Ferien, wollen zeigen, dass wir gegen Topgegner mithalten können und uns mit dem dritten Platz verabschieden», sagt Xherdan Shaqiri. Während für die Stammspieler die Ausgangslage eine deutliche ist, schielen jene Schweizer auf einen Einsatz, die nah dran sind wie Edimilson Fernandes. Oder Michael Lang, dem eine nächste Runde als Reservist auf der rechten Seite droht, weil Kevin Mbabu an ihm vorbeigezogen ist. Petkovic ist es aber auch, der stets sagt: «Wir müssen nur ans Heute denken und immer das Maximum herausholen.» Es ist denkbar, dass Lang am Sonntag gegen England spielt und Nico Elvedi in der Innenverteidigung zum Einsatz kommt. Zwei, drei Modifikationen würden die Schweizer nicht auseinanderreissen.
Auf der anderen Seite steht Englands Nationaltrainer Gareth Southgate vor demselben Problem. Es ist kaum vorstellbar, dass er die Liverpool- und Tottenham-Profis im Final Four ein zweites Mal schont. Dafür ist der Druck in der Heimat zu gross.
Eine Saison mit Hochs und Tiefs hat Steven Zuber hinter sich. Bei Hälfte hatte Hoffenheim keine Verwendung mehr für den Mittelfeldspieler, also verlieh der Bundesliga-Club den 27-Jährigen zur Konkurrenz nach Stuttgart. Im Umfeld der kriselnden Schwaben fühlte er sich wohl, traf fünfmal, bis er sich in der heiklen Schlussphase einen Innenbandanriss im Knie zuzog. Aufs zweite Relegationsspiel kehrte Zuber mit einem Teileinsatz zurück, zu spät, gegen Union Berlin reichte es nicht zum Ligaerhalt. Der Verbleib in Stuttgart ist ausgeschlossen, doch ist fraglich, ob ihn Hoffenheim trotz Einjahresvertrag behält.
Offenbar soll es einen Flirt mit dem Premier-League-Club West Ham geben. In Porto sagt Zuber: «Das will ich nicht kommentieren. Sobald mit dem Nationalteam alles durch ist, sitzen wir zusammen und schauen alles an.» Zu Hoffenheim habe er ein gutes Verhältnis, sagt er. Es ist zumindest das bessere als zu den Fans, weil er im März nach einem gegen seinen Besitzerclub erzielten Tor jubelte; der Anhang hat ihm das nie verziehen. Im Nationalteam hat sich Zuber seit 2017 festgebissen und gehört zum Stamm. «Ich stehe wohl für den neuen Schweizer Fussball», sagt er. Nun wolle er den nächsten Schritt machen, etwas erreichen. Heisst: Dritter des Final Four werden. (cbr)