Daniela Ryf will den Ironman Hawaii zum vierten Mal in Folge
gewinnen – mit besseren Gefühlen als im Vorjahr.
Diese acht Tage vor dem grossen Rennen auf Hawaii – Daniela Ryf mag sie nicht besonders. Da ist das Warten, die Spannung im Körper, die Ungeduld im Kopf. Hinzu kommt das Zurückfahren im Training. Die frei zur Verfügung stehendem Stunden. Das Aufkommen der Nervosität. Und da ist Hawaii, ist Kona, das Epizentrum des bedeutendsten Triathlons weltweit. Zu merkwürdigen Empfindungen führt diese Kombination bei der Solothurnerin. «Vom frühen Morgen bis am späten Abend bevölkern die Ironman-Teilnehmerinnen und -teilnehmer die Ironman-Strecke: schwimmend, rennend, auf dem Velo. Gerade um die Hauptstadt Kona ist’s nie ruhig. Die Hektik ist geradezu spürbar.»
Schwierig ist’s da, ruhig zu bleiben. Sich zurückzuhalten. Und das muss Daniela Ryf. Denn, so faszinierend die Szenerie ist, so unerwünscht sind die Begleitumstände. Ryf sagt: «Ich versuche mich dem Energieraubenden zu entziehen.». Nie auswärts essen, möglichst wenig Unterwegssein, sich auf die offiziellen Termine beschränken. Gerade hier kennt sie jede und jeder. «Du wirst schnell belagert», weiss sie.
Die letzte bedeutende Vorbereitung für die 3,9 km Schwimmen, 180 km Velo und 42,2 km Laufen vollzog Daniela Ryf auf der Nachbarinsel Maui. Mit dem Assistenten von Coach Brett Sutton und dem Trainingskollegen James Cunnama widmete sie sich dort in Ruhe den letzten harten Trainingssequenzen. «Lange wie schnelle kurze Einheiten standen auf dem Programm, ich kam nochmals richtig an mein Limit», sagt sie. Dabei spürte die 31-Jährige, «wie sich die Formkurve dem Peak nähert». Alles sei perfekt, sagt sie. Auch das Angewöhnen an die klimatische Herausforderung, die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit, gelang.
Daniela Ryf, in der Szene bekannt unter dem Namen «Angry Bird», ist ein Phänomen. Die einstige Junioren-Europameisterin 2004 und 2005 sowie Olympia-Siebte von 2008 in Peking hat sich nach dem enttäuschenden zweiten Olympiarennen (40.) vor sechs Jahren der Langdistanz zugewandt – mit überragendem Erfolg. Viermal WM-Gold im Ironman 70.3, je zwei 70.3 und Ironman-Europameistertitel, Gewinnerin der Triple-Crown-Million (2015), die Wahl zur Sportlerin des Jahres (2015) summierten sich zu den drei Hawaii-Titeln.
Und ungeschlagen geblieben ist sie in diesem Jahr: fünf Rennen, fünf Siege, drei über die Halb-Ironman-Distanz 70.3, zuerst in Rapperswil, dann in Gdynia in neuer Weltrekordzeit und zuletzt in Südafrika an der Weltmeisterschaft. Über die Volldistanz siegte sie an der EM in Frankfurt, über die Olympische Distanz beim 5150-Rennen in Zürich. Um wohldosierte und terminierte Einsätze handelte es sich neben dem strukturierten Aufbau. Das Engadin bildete während des Sommers die Umgebung dazu.
Die Souveränität und das exzellente Leistungsvermögen basieren bei Daniela Ryf nicht allein auf Talent und Training. Auch Auszeiten haben ihre Wirkung. So schraubte sie nach der letzten Niederlage und dem dritten Platz Anfang Dezember und dem Verpassen der Triple Crown 2017 zurück, baute langsam wieder auf und bestritt während sechs Monaten keine Wettkämpfe. Der «Neustart» machte sich bezahlt. «Das Gefühl in der aktuellen Saison ist viel besser als letztes Jahr», sagt sie. Ohne gesundheitliche Rückschläge, ohne Verletzungen ist sie durchgekommen. Härter Trainieren, sich mehr fordern war die Folge davon. Für das Hawaii-Rennen wünscht sie sich «ein tolles Gefühl und von A bis Z zu powern, so dass sich der Körper fast anfühlt wie eine Maschine.»
Hawaii 2016 ist mit solchen Erinnerungen verknüpft. Gerade das Rennen des Vorjahres lehrte sie aber Anderes, ebenso Wichtiges: Erfolgreich sein trotz Kampf. Wie sie das tut und die fast neun Wettkampfstunden meistert? «Ich denken im Augenblick, versuche cool zu bleiben und die Probleme sogleich zu lösen.» So blendet sie negative Gedanken aus und freut sich auf die nächste Verpflegungsstation. Eine andere Strategie kann sie sich nicht vorstellen. «Denkst du, was noch alles folgt und was damit verbunden sein könnte, machst du dich verrückt.» Und eine gewisse Demut nimmt sie trotz aller Erfolge mit ins Rennen: «Sicher fühle ich mich nie.» Bis das Ziel da ist.